Nana. Emile Zola
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Vandeuvres erhob laut Einspruch: es handle sich um ein Künstlersouper; Talent entschuldige alles.
Aber ohne den Argumenten Faucherys noch weiter zuzuhören, der von einem Diner erzählte, auf dem der Prinz von Schottland, ein Sohn der Königin, sich an die Seite einer ehemaligen Tingeltangelsängerin gesetzt habe, betonte der Graf seine Ablehnung. Trotz seiner großen Höflichkeit entschlüpfte ihm sogar eine gereizte Gebärde.
Georges und La Faloise, die sich gegenüberstanden und dabei waren, ihre Tasse Tee zu trinken, hatten die wenigen in ihrer Nähe gewechselten Worte gehört.
„Aha! Bei Nana ist es also“, murmelte La Faloise. „Das hätte ich ahnen müssen.“
Georges sagte nichts, doch er flammte, seine blonden Haare waren wirr, seine blauen Augen leuchteten wie Kerzen, so sehr entzündete und erregte ihn das Laster, in dem er sich seit einigen Tagen bewegte. Endlich hatte er also Zugang zu allem, wovon er geträumt hatte!
„Aber ich kenne ja ihre Adresse gar nicht“, meinte La Faloise.
„Boulevard Haussmann, zwischen der Rue de lʻArcade und der Rue Pasquier, im dritten Stock“, sagte Georges in einem Zug. Und da ihn der andere erstaunt ansah, fügte er, ganz rot, von Einbildung und Verlegenheit berstend, hinzu: „Ich bin dabei, sie hat mich heute morgen eingeladen.“ Doch im Salon war eine starke Bewegung zu spüren. Vandeuvres und Fauchery konnten nicht weiter in den Grafen dringen. Soeben war der Marquis de Chouard eingetreten, und alle bemühten sich um ihn. Mühselig war er mit schwachen Beinen näher getreten; und er blieb in der Mitte des Zimmers stehen, bleich, mit blinzelnden Augen, als komme er aus irgendeiner düsteren Gasse und sei von der Helligkeit der Lampen geblendet.
„Ich erwartete nicht mehr, Sie zu sehen, Vater“, sagte die Gräfin. „Ich wäre bis morgen in Unruhe gewesen.“
Mit der Miene eines Menschen, der nicht versteht, sah er sie an, ohne zu antworten. Seine in dem glattrasierten Gesicht sehr dicke Nase sah aus wie die Geschwulst eines Karbunkels, während seine Unterlippe herabhing.
Als ihn Frau Hugon so übermüdet sah, bedauerte sie ihn voller Mitleid.
„Sie arbeiten zuviel. Sie sollten sich ausruhen . . . In unserem Alter muß man die Arbeit den jungen Leuten überlassen.“
„Die Arbeit, ach ja, die Arbeit“, stammelte er schließlich. „Immer viel Arbeit . . .“ Er faßte sich wieder, richtete seine gebeugte Gestalt auf und fuhr mit der Hand — einer Bewegung, die häufig bei ihm war — über seine weißen Haare, deren spärliche Locken hinter seinen Ohren flatterten. „Woran arbeiten Sie denn so spät?“ fragte Frau du Joncquoy. „Ich glaubte Sie auf dem Empfang des Finanzministers.“
Doch die Gräfin schaltete sich ein:
„Mein Vater hatte einen Gesetzesentwurf zu studieren.“ „Ja, einen Gesetzesentwurf“, sagte er, „einen Gesetzesentwurf, ganz recht . . . Ich hatte mich eingeschlossen . . . Es handelt sich um die Fabriken; ich möchte, daß die Sonntagsruhe eingehalten wird. Es ist wirklich eine Schande, daß die Regierung nicht mit Nachdruck handeln will. Die Kirchen werden leer; wir gehen Katastrophen entgegen.“ Vandeuvres hatte Fauchery angesehen. Die beiden standen hinter dem Marquis und beschnupperten ihn.
Als ihn Vandeuvres beiseite nehmen konnte, um mit ihm über jene schöne Frau zu sprechen, die er aufs Land mitnahm, heuchelte der Greis großes Erstaunen. Vielleicht habe man ihn mit Baronin Decker gesehen, bei der er manchmal einige Tage in Viroflay verbringe.
Als einzige Rache fragte ihn Vandeuvres brüsk:
„Sagen Sie, wo sind Sie denn vorbeigegangen? Ihr Ellbogen ist ja voller Spinnweben und Gips.“
„Mein Ellbogen“, murmelte er leicht verwirrt. „Ach ja, es ist wahr . . . Ein bißchen Schmutz . . . Das werde ich mir geholt haben, als ich bei mir zu Hause die Treppe hinunterging.“
Mehrere Leute gingen. Es war kurz vor Mitternacht. Zwei Diener räumten geräuschlos die leeren Tassen und die Kuchenteller ab. Vor dem Kamin hatten die Damen ihren Kreis neu gebildet und verengert und plauderten mit größerer Ungezwungenheit in der Mattigkeit dieses zu Ende gehenden Abends. Der Salon selber schlummerte ein; träge Schatten sanken von den Wänden herab. Jetzt sprach Fauchery davon, sich zurückzuziehen. Doch erneut vergaß er die Zeit, als er Gräfin Sabine betrachtete. Sie erholte sich von ihren Hausfrauenpflichten auf ihrem gewohnten Platz, stumm, die Augen auf ein Holzscheit geheftet, das glühend verbrannte, das Gesicht so weiß und so verschlossen, daß ihn wieder Zweifel ergriffen. Im Schein des Feuers schimmerten die schwarzen Härchen des Muttermals, das sie am Mundwinkel hatte, blond. Ganz und gar das Muttermal Nanas, sogar die Farbe. Er konnte sich nicht enthalten, Vandeuvres ein paar Worte darüber ins Ohr zu sagen. Tatsächlich, das sei wahr, niemals habe dieser das bemerkt.
Und die beiden setzten den Vergleich zwischen Nana und der Gräfin fort. Sie fanden, sie hätten eine unbestimmte Ähnlichkeit um Kinn und Mund, jedoch die Augen seien keineswegs gleich. Außerdem sehe Nana wie ein gutmütiges Mädchen aus, während man bei der Gräfin nicht genau wisse; man hätte an eine Katze denken können, die mit eingezogenen Krallen schlief, die Pfötchen kaum von einem nervösen Schauer bewegt.
„Immerhin würde man mit ihr schlafen“, erklärte Fauchery. Vandeuvres entkleidete sie mit Blicken.
„Ja, immerhin“, sagte er. „Aber, wissen Sie, ich traue den Schenkeln nicht. Sie hat keine Schenkel, wollen Sie wetten?“ Er schwieg.
Fauchery stieß ihn lebhaftam Ellbogen,wobei er mit einem Wink auf Estelle deutete, die vor ihnen auf ihrem Hocker saß. Ohne sie zu bemerken, hatten sie soeben lauter gesprochen, und sie mußte es gehört haben. Doch sie blieb steif und unbeweglich, und auf ihrem mageren Hals eines zu schnell gewachsenen jungen Mädchens hatte sich kein Härchen gerührt. Darauf gingen sie drei oder vier Schritte weiter. Vandeuvres schwor, die Gräfin sei eine hochanständige Frau.
In diesem Augenblick erhoben sich die Stimmen vor dem Kamin. Frau du Joncquoy sagte:
„Ich habe Ihnen zugestanden, daß Herr von Bismarck vielleicht ein Mann von Geist ist . . . Nur, wenn Sie bis zum Genie gehen . . .“
Die Damen waren auf ihren ersten Gesprächsgegenstand zurückgekommen.
„Wie! Schon wieder Herr von Bismarck“, murmelte Fauchery. „Diesmal flüchte ich aber wirklich.“
„Warten Sie“, sagte Vandeuvres. „Wir brauchen ein endgültiges Nein vom Grafen.“
Graf Muffat unterhielt sich mit seinem Schwiegervater und einigen ernsten Männern. Vandeuvres führte ihn beiseite und erneuerte die Einladung, indem er in ihn drang und sagte, er seIbst sei bei dem Souper anwesend. Ein Mann könne überall hingehen, niemand würde daran denken, etwas Schlechtes dabei zu sehen, wo doch höchstens Neugier vorhanden sei. Der Graf hörte sich diese Argumente mit gesenkten Augen und stummem Gesicht an. Vandeuvres spürte ein Zögern in ihm, als der Marquis de Chouard mit fragender Miene näher trat. Und als der letztere erfuhr, worum es sich handelte, als Fauchery in seinerseits einlud, blickte er verstohlen auf seinen Schwiegersohn. Es entstand ein Schweigen, eine Verlegenheit; doch die beiden ermutigten sich, zweifellos hätten sie schließlich angenommen, wenn Graf Muffat nicht Herrn Venot bemerkt hätte, der ihn unverwandt ansah. Der kleine