Hypnosystemische Therapie bei Depression und Burnout. Ortwin Meiss
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Fördern von Veränderungsbereitschaft
Anwendung der Technik für die Persönlichkeitsentwicklung
Vorwort von Gunther Schmidt
Zum Thema »Therapie von Depressionen und Burnout« gibt es inzwischen eine Flut von Publikationen. Kein Wunder, bedenkt man die in den letzten Jahrzehnten geradezu epidemische Zunahme von Beschwerden, die mit diesen Etikettierungen versehen werden. Da könnte man verstehen, wenn jemand sich fragt, wozu dann noch ein Buch wie dieses hier? Aus meiner Sicht stellt diese Arbeit von Ortwin Meiss einen regelrechten Glücksfall für das psychotherapeutische Arbeitsfeld dar. Ich bin sehr froh, dass er sich durchgerungen hat, seine vielfältigen Erfahrungen und seine herausragende Kompetenz in der Arbeit mit diesen Themen auch schriftlich verfügbar zu machen. Das Buch ist ein reicher Schatz vielfältiger hilfreicher Ideen und Beispiele für Selbstwirksamkeit und für Empowerment der Klienten (und der Therapeuten und Berater, die mit ihnen arbeiten). Alleine die vielen wunderbaren therapeutischen Metaphern machen das Buch schon zur lohnenden Lektüre.
Ich finde es ausgesprochen wohltuend, dass der Autor nicht in die übliche Routine einstimmt und »Störungen« und Probleme ausschließlich als Ergebnis vergangener Erfahrungen betrachtet, insbesondere der Kindheit. Natürlich können diese wichtig sein, aber Ortwin Meiss zeigt deutlich, dass auch die Erfahrungen, die man nicht hat machen können, besonders belastend wirken können. In vielen Arbeiten habe ich belegt, dass die Vergangenheit nicht die Erlebnis-Wirkung in der Gegenwart bestimmt, sondern dafür nur eine – wenn auch oft starke – Einladung ist. Die Gestaltung der Gegenwart bestimmt, welche Wirkung man vergangenen Erfahrungen (und Zukunftsfantasien) erlaubt. Und die Gegenwart kann variabel gemacht werden, wie auch immer die Vergangenheit war. Dieses Buch bietet auch dafür viele anschauliche und ermutigende Belege.
Es ist mir auch deshalb eine Freude, dieses Vorwort zu schreiben, weil ich Ortwin Meiss in seiner Arbeit unter allen Experten im Feld der ericksonschen Hypnotherapie als am meisten übereinstimmend erlebe mit den hypnosystemischen Kompetenz-Konzepten, für die ich stehe.
Die meisten Veröffentlichungen zum Thema Depression und auch zu Burnout orientieren sich an Pathologie-Hypothesen. Wer eine Depression entwickelt, gilt als krank, oft auch als schwach, unfähig, voller Defizite, die meist in linear-kausaler Weise aus Erfahrungen der Vergangenheit erklärt werden, wenn sie sich an tiefenpsychologischen oder verhaltenstherapeutischen Modellen orientieren. Dadurch, dass sich die biologische Psychiatrie in den letzten 25 Jahren die Deutungshoheit für »psychische Störungen« erkämpfen konnte, haben auch Hypothesen über Stoffwechseldefekte bei den Betroffenen mehr und mehr Einfluss gewonnen. Die typischen Schlussfolgerungen aus diesen Hypothesen, die zumeist als »Wahrheit« angeboten werden, sind lange Zeiten von Psychotherapie und auch von »Psychoedukation« oder intensive Medikation mit Antidepressiva, die von vielen als »unverzichtbar« bezeichnet werden. Durch die Meta-Untersuchungen von Irving Kirsch (Antidepressants – The Emperor’s New Drugs?) wissen wir inzwischen allerdings, dass Antidepressiva durchaus kritisch betrachtet werden sollten, denn wenn man die Ergebnisse aller Studien zu ihrer Wirksamkeit nimmt (d. h. nicht nur die von der Pharmaindustrie veröffentlichten, sondern auch diejenigen, die wegen schlechter Ergebnisse unter Verschluss gehalten wurden), so zeigt sich, dass Antidepressiva nicht wirksamer sind als beispielsweise Placebos. Ortwin Meiss liefert hierzu differenzierte und sehr sachverständige Überlegungen.
Nach meiner klinischen Erfahrung verstärken diese defizitfokussierenden Konzepte bei vielen Menschen, die an Beschwerden leiden, die »Depression« genannt werden, das Erleben, ausgelieferte, ohnmächtige und inkompetente Opfer unwillkürlicher Prozesse zu sein. Ich nenne diese Phänomene absichtlich nicht »Depression«, denn aus hypnosystemischer Sicht stellt dieser Begriff keine Wahrheit dar, sondern eine aus ihren relevanten Kontexten gerissene Verdinglichung. Sie wirkt sehr oft als eine Realitätskonstruktion, die suggestiv den Eindruck erwecken kann, Betroffene seien immer so, sie »hätten« eine Depression (wie einen Gegenstand oder wie eine genetische »Eigenschaft«, z. B. eine grüne Augenfarbe). Alle Erfahrungsmuster, Erlebnisepisoden, in denen jemand auch anderes erlebt, eher hilfreiche Prozesse etwa, werden dann aus dem Fokus der Wahrnehmung ausgeblendet. Nun kann aber als gesichertes Wissen aus der Neurobiologie, der Hypnotherapie und der hypnosystemischen Arbeit angesehen werden, dass jedes Erleben das Ergebnis von Prozessen der Aufmerksamkeitsfokussierung ist. Erleben steht also nie konstant fest, sondern wird im wortwörtlichen Sinn immer wieder aktuell neu erzeugt, nicht nur bewusst-willentlich, sondern auch auf unwillkürlicher, oft auch unbewusster Ebene. Diese Ebene des Erlebens wirkt besonders stark und schnell. Daraus ergibt sich für mich die ethische Pflicht, alle Kommunikationsprozesse im Umgang mit Betroffenen wie auch untereinander in der »professional community« so zu gestalten, dass jedes möglicherweise hilfreiche Erfahrungspotenzial der leidenden Menschen, jede ihrer denkbaren (auch »schlummernden«) Kompetenzen intensiv in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt wird. So können viele Kompetenzen, die den Betroffenen überhaupt nicht mehr bewusst sind, die aber in ihrem unbewussten »Erfahrungsrepertoire« noch gespeichert sind, wieder aktiviert werden.
In der therapeutischen Kooperation mit Hunderten von Klienten, die von Psychiatern oder Psychotherapeuten nach den üblichen ICD-10-Kriterien als »schwer depressiv« definiert worden waren und nicht selten als »austherapiert« (ein fürchterlicher Begriff) galten, habe ich erleben können, dass bei systematischer und konzentrierter Befragung und Fokussierung praktisch alle Kompetenzen, die jemand für hilfreiche Entwicklungen braucht, in seinem Erlebnisrepertoire zu finden sind und auch reaktiviert werden können. Die Annahme, dass »schwere Depressionen« Ausdruck grundlegender Defizite und eines Mangels an Kompetenzen seien, können wir als klar widerlegt ansehen. So gesehen »ist« auch niemand nur »depressiv« oder »hat einen Burnout«. Wenn jemand an den entsprechenden Prozessen leidet, kann dies verstanden werden als Ausdruck davon, dass die Person zurzeit intensiv assoziiert ist mit Prozessen, mit denen sie sich auf unwillkürlicher Ebene selbst niederdrückt. Stephen Gilligan und ich haben Anfang der 1980er Jahre vorgeschlagen, Symptome wie »Depressionen« als Ausdruck unbewusst selbst induzierter »Problemtrance« zu verstehen. Denn im modernen Verständnis von Hypnotherapie wird Trance qualitativ als Erleben verstanden, bei dem Unwillkürliches vorherrscht. Gewünschte, als zieldienlich angesehene Trance ist charakterisiert durch gewünschte unwillkürliche Prozesse (»Lösungstrance«). Symptome und »psychische oder psychosomatische Störungen« sind Ausdruck ungewünschter unwillkürlicher Prozesse. Wenn man mit Klienten systematisch rekonstruiert, wie solche ungewünschten unwillkürlichen Prozesse zustande kommen (eine wichtige Standardintervention hypnosystemischer Arbeit), lässt sich zeigen, dass diese unbewusst auf unwillkürliche Art selbst induziert worden sind, also letztlich Ergebnis einer wirksamen Selbsthypnose sind – leider verbunden mit viel Leid. Was aber so (man kann durchaus sagen: sehr erfolgreich und wirksam) selbst gestaltet wurde, kann auch wieder selbst in konstruktiver Weise umgestaltet werden.
Dieses Buch illustriert in vielen Facetten, wie den Betroffenen diese Art des Verständnisses auf achtungsvolle und empathische Weise zu vermitteln ist und wie ihnen ermutigende und effektive Vorgehensweisen angeboten werden können, die sie wieder erleben lassen, dass sie Gutes für sich tun können. Sie werden dabei die Erfahrung machen, dass sie quasi »von sich selbst und von ihrer wertvollen, bisher unbewussten Kompetenz lernen«. So können Selbstachtung, Würde und