Hypnosystemische Therapie bei Depression und Burnout. Ortwin Meiss
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Sehr gut finde ich auch, dass Ortwin Meiss gute Argumente dafür anführt, Burnout und Depression klar zu unterscheiden. Viele Psychiater gehen davon aus, dass Burnout nur eine Modebezeichnung für Depressionen sei. Dagegen sprechen viele Aspekte, die hier differenziert berücksichtig werden. Ich bin sicher, dass seine Argumente für viele Betroffene sehr hilfreich sind, denn nach meiner Erfahrung erleben sie sich durch die Diagnose »Depression« häufig als abgewertet und als schwach und unfähig gezeichnet, was ihnen zusätzliche Probleme einbringt.
Dafür, dass der Autor auch für »Borderline-Störungen« und für die Entwicklung von Scham-Prozessen einen Kompetenz-Fokus berücksichtigt, muss man ihm besonders dankbar sein. So wird deutlich gemacht, dass zum Beispiel hinter Scham die Furcht vor dem Verlust von Zugehörigkeit zur relevanten Bezugsgruppe steht. Diese Erkenntnis wiederum hilft, Lösungs- und Ressourcen-Hypothesen zu entwickeln, etwa im Hinblick auf die Frage, was helfen könnte, wieder mehr Zugehörigkeitserleben und Sicherheit in Beziehungen aufzubauen. Auch das verschiebt den Fokus von einer einseitigen Problemfixierung hin zu Ressourcenprozessen.
Sehr nützlich finde ich den Umgang mit Suizidideen. Ortwin Meiss utilisiert sie durch Fragen wie »Was möchten Sie mit dem Suizid erreichen?« und arbeitet damit die Bedürfnisse von Klienten konstruktiv heraus. Auf die Frage, wohin sie in ihrer Vorstellung gelangen, wenn ein Suizid gelingen würde, entwickeln die meisten Klienten Fantasien über ersehntes Erleben, sodass man zu dem Schluss kommen kann, sie wollten sich offenbar das ersehnte Leben geben, nicht nehmen. Solche Fragen führen also, wenn man sie systematisch aufbaut, keineswegs dazu, dass die Suizidgefahr größer wird, ganz im Gegenteil. Mit ihnen lassen sich Suizidtendenz übersetzen als wertvolle Information über Bedürfnisse in diesem Leben und wirksame Schritte für die Kooperation entwickeln. So wird dieses Vorgehen zur besonders effektiven Suizidprophylaxe. Ortwin Meiss vermitteltt auch diese Art des Vorgehens sehr anschaulich und gut lernbar.
Ähnlich hilfreich finde ich die vorgestellten Ideen für Interventionen bei erlebten Traumata. Manche Experten formulieren ja (aus meiner Sicht zu Recht) Sätze wie »Hinter jeder Depression stecken traumatische Erfahrungen«. Diesen Umstand berücksichtigt der Autor sehr kompetent. Das anschaulich beschriebene Vorgehen lässt sich nicht nur gut für die Arbeit mit Depressionen nutzen, sondern auch in jeder direkt als »Traumatherapie« definierten Arbeit.
Ich habe die Lektüre dieses Buches durchgehend sehr genossen, die Kreativität und der enorm reiche Schatz professioneller Kompetenz des Autors haben mir viele wertvolle Anregungen gegeben. Dafür bin ich sehr dankbar. Und ich kann jedem, der mit den behandelten Themen, aber auch mit anderen Aufgaben im Bereich der Psychotherapie und Beratung zu tun hat, nur empfehlen, sich zur Vertiefung dieser Ansätze Weiterbildungen mit Ortwin Meiss zu gönnen. Durch viele Rückmeldungen von Teilnehmern seiner Seminare weiß ich zuverlässig, wie hervorragend auch da seine Angebote sind. Und ich hoffe und glaube, dass dieses Buch nachhaltig wirksamen Einfluss auf viele Kollegen haben wird – und damit auch darauf, dass Defizit-Sichtweisen von »Depressionen« immer weniger und dafür achtungsvoll kompetenzfokussierende Herangehensweisen immer mehr werden. Deshalb wünsche ich diesem Buch sehr große Resonanz und viel Erfolg, aber ich bin auch sicher, dass es beides haben wird.
Heidelberg, im Januar 2016 Dr. med. Dipl.-Volksw. Gunther Schmidt Leiter des Milton-Erickson-Instituts Heidelberg Ärztlicher Direktor der sysTelios-Klinik für psychosomatische Gesundheitsentwicklung Siedelsbrunn
Vorwort
In der Behandlung von depressiven und Burnout-Patienten gibt es im Wesentlichen zwei Ansätze, die miteinander konkurrieren und auch kombiniert werden. Die Verordnung von Medikamenten, insbesondere von Antidepressiva, und die psychotherapeutische Behandlung, wobei vor allem die Kognitive Verhaltenstherapie zur Anwendung kommt. Während die Psychotherapeuten die Notwendigkeit psychotherapeutischer Behandlungen betonen, sind viele medizinisch ausgebildete Fachleute der Meinung, mit der Behandlung durch Antidepressiva sei das Notwendige getan. Dies sei praktisch, leicht durchführbar und entspräche in vielen Fällen den Wünschen der Patienten. Zudem sei die Wirkung der Medikamente wissenschaftlich belegt.
Antidepressiva und Placebowirkung
Nach den Ergebnissen der Metastudien von Irving Kirsch (2009) beruht die Wirkung von Antidepressiva in erster Linie auf der Placebowirkung. Dies mag insofern überraschen, als die Medikamente erst nach Vergleichsstudien mit Placebos zugelassen werden. Angeblich handelt es sich bei den Studien um Doppelblind-Vergleiche, bei denen weder der Patient noch der Untersucher weiß, wer zu welcher Gruppe gehört. Allerdings werden die Medikamente meist mit Placebos verglichen, die keinerlei Veränderungen im Körper der Probanden bewirken. Antidepressiva hingegen produzieren eine Fülle von Nebenwirkungen, die Probanden merken also, ob sie zur Placebo- oder zur Medikamentengruppe gehören. Die Voraussetzungen für eine Doppelblind-Studie sind somit nicht gegeben. Vergleicht man die Wirkung der Antidepressiva mit der Wirkung von »aktiven Placebos« – dies sind Placebos, die »aktiv« Nebenwirkungen produzieren –, ist die Überlegenheit der Antidepressiva nach Kirsch gleich null.
Die Untersuchungen von Kirsch blieben nicht ohne Widerspruch. Viele Praktiker argumentierten, es könne nicht falsch sein, was man jahrelang praktiziert habe, schließlich habe man seine positiven Erfahrungen mit der Gabe von Antidepressiva.
Der positive Effekt der Medikamentengabe lässt sich nicht abstreiten, der Effekt entsteht gleichwohl auch dann, wenn man aktive Placebos verabreicht, denn sowohl die Medikamentengruppe wie die Placebogruppe schneiden wesentlich besser ab als die Warteliste, bei der überhaupt nichts unternommen wird. Am schlimmsten wird es also, wenn man nichts tut. Die persönlichen Erfahrungen der Behandler widersprechen somit nicht der These, dass die Wirkung der Antidepressiva auf Placebowirkung beruht.
Die Kirsch-Studien werden von Praktikern auch deshalb in Zweifel gezogen, weil man die Erfahrung gemacht hat, dass oft mehrere Antidepressiva wirkungslos bleiben, bis man das »richtige« gefunden hat. Die Wirkung des »richtigen Medikaments« schreibt der Behandler dann dessen Inhaltsstoffen zu. Die Placebostudien zeigen jedoch, dass auch bei der Gabe von Placebos nicht alle Probanden schon beim ersten Placebo reagieren. Ein bestimmter Prozentsatz reagiert erst beim zweiten, ein weiterer beim dritten oder beim vierten. Es ergeben sich die gleichen Prozentsätze wie bei der Gabe von Antidepressiva. Dies erklärt die Fehlwahrnehmung aufseiten des Behandlers.
Weiterhin werden positive Erfahrungen berichtet, wenn man die Dosis der Medikamente erhöht. Manche Hersteller empfehlen in Fällen, bei denen das Medikament keine Wirkung zeigt, die Dosis zu verdoppeln. Es ist zu beobachten, dass einige Patienten danach eine Besserung wahrnehmen. Dieser Effekt zeigt sich jedoch nur, wenn Behandler und Patient wissen, dass die Dosis verdoppelt wurde. Es handelt sich auch hier um einen Placeboeffekt.
Das Suchtpotenzial der Medikamente
Nun berichten viele Patienten, dass es ihnen sofort schlechter gehe, wenn sie die Antidepressiva absetzen. Daraus schließen sie, dass sie die Medikamente brauchen und diese eine positive Wirkung haben. Tatsächlich bekommen die Patienten nach dem Absetzen Entzugserscheinungen. Es entsteht die gleiche Fehlwahrnehmung wie bei einem Raucher, der einem erklärt, dass ihn das Rauchen beruhige. Faktisch macht Nikotin unruhig. Was der Raucher mit der Zigarette beruhigt, ist seine