Untergang der Juno. Hans Leip

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Untergang der Juno - Hans Leip

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      Hans Leip

      Untergang der Juno

      Eine Geschichte

      aus der Zeit der Ostindischen Kompanie

      Unter Einbeziehung des Berichtes des

      englischen Schiffsleutnants

      William Mackay

      Saga

      Ebook Kolophon

      Hans Leip: Untergang der Juno. © 1930 Hans Leip. Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2015 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen 2015. All rights reserved.

      ISBN: 9788711467589

      1. Ebook-Auflage, 2016

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com - a part of Egmont, www.egmont.com.

      Vorbemerkung

      Seit frühester Kindheit ist meine Phantasie mit allem, was Seefahrt heisst, beschäftigt gewesen. Aufgewachsen in Hamburg, früh vom Allerzonenduft des Hafens gelockt, das Ohr den Reden der Jantjes zugewandt, war es mein sehnlichster Wunsch, selber Seemann zu werden. Zwar bin ich später viel in der Welt umhergekommen und habe manches von der See, von den Schiffen und von fernen Küsten gesehen; dass ich aber selber als Matrose gefahren sei, ist eine Legende, nichts als ein bitteres Möchtewohl, das sich aus mancherlei und im Grunde belanglosen Ursachen nicht erfüllte. Vielleicht gerade deshalb gehört mein Herz mehr dem Meere und seinen Abenteuern, als wenn es sich daran genugsam in der Wirklichkeit hätte sättigen dürfen. Das Sinnbild des Ewigen, die Brücke zwischen dem Sichtbaren und seiner Deutung, die wandelbare Grenze zwischen Freude und Leid, Liebe und Selbstsucht, Mut und Angst, Vertrauen und Gottverlassenheit, das Ungeheuerliche irdischer himmelsüberwölbter Landschaft und die Sonderbarkeit jener Kapsel Mensch, die in sich ein Gehirn und ein Herz trägt, das alles ist für mich ohne den Untergrund der grossen Gewässer und Meere auf dieser schwebenden Kugel weniger reizvoll. Unsere technischen Fortschritte tragen dazu bei, dass die Welt nahe zusammenrückt, dass uns die Fremde nicht mehr so fremd ist und das Reisen wer weiss wohin nicht unbedingt ein grosser Abschied. Die Raschheit der Verkehrsentwicklung hat viele von uns zu Snobs gemacht, denen jeder Schauer vor Entfernungen fehlt, denen die Unendlichkeit der Meere durchaus weder unendlich noch wunderbar ist. Aber das hat seine Zeit.

      Auch das Technische, das uns ein wenig das Gemüt verdunkelt hat, werden wir verdauen, und der ungelösten Fragen und Abenteuerlichkeiten wird es auch dann noch genug geben, die, nahe besehen, doch nur die alten sind. Denn der Mensch hat sich in seinen innersten Möglichkeiten und Bedürfnissen nicht geändert, das steht fest. Und als mir im Britischen Museum ein schmaler Prosaband in die Hand fiel, der übersetzt den Titel hat: „Geschichte vom Schiffbruch der Juno an der Küste von Arracan in Ostindien und wundersame Erhaltung von vierzehn Personen auf dem Wrack ohne Lebensmittel während dreiundzwanzig Tagen, nebst deren schliesslicher Rettung, von William Mackay, Leutnant des Schiffes, in einem Schreiben an seinen Vater zu London, 1798“, da fand ich in diesem kleinen erschütternden Bericht Gesagtes bestätigt. Mich beschäftigte der Vorgang, ich begann ihn in mir zu verknüpfen mit anderen aus derselben Zeit, die mir bekannt geworden waren, zumal der englische Herausgeber in seinem Vorwort bemerkt, dass Herr Mackay nach jenem Unfall von Kalkutta auf einem anderen Schiffe der Ostindischen Kompanie nach Europa anmusterte, von wo es mit Truppen nach Westindien ging. Und als ich aufzuschreiben begann, was mich drängte, sah ich vieles sich verdeutlichen, was vorher nur dem, der sich mit jenen verklungenen Tagen beschäftigt hat, zwischen den Zeilen bildhaft werden konnte. Somit wage ich zu hoffen, es möge lesbar geworden sein auch für den Menschen von heute, der ja dem von damals in seinem ungewissen Schweben zwischen Zeit und Überzeitlichkeit, also im Grunde seiner eigenen See und Seele gleich geblieben ist.

      Hans Leip

      1

      Die Juno, die Weltlage und ein Truppentransport

      Fernes Land, o Wunderland,

      Fremdes süsses Unbekannt!

      Lasst uns wie die Knaben träumen

      Von den Mammutzauberbäumen!

      Die „Juno“, die neue Juno, um es vorweg zu sagen, war eine schmucke, schlanke Brigg, vor knapp einem Jahre zu Kalkutta erbaut. Nur die Galionsfigur, eine rundliche, rosa und gold gestrichene Meerjungfrau, war von der alten Juno gerettet und übernommen worden (wovon Schiffsleutnant Mackay noch erzählen wird). Die neue Juno nun war auf erster, grösserer, glücklicher Fahrt frisch von Bengalen um Afrika herum, Biskaya, Kanal und Nordsee durch und elbaufwärts nach Hamburg gekommen, hatte im Jonashafen ihre Ladung aus Baumwolle, Tabak, Tiekholz und Seidenschals gelöscht (dazu eine kleine Kassette Diamanten) und war dann ein wenig stromab unter dem hohen Ufer bei Nienstedten vor Anker gegangen.

      Es war September, und man schrieb das Jahr siebzehnhundertsechsundneunzig.

      Auch eine Passagierin war auf der Juno gewesen, ein deutsches Hausfräulein namens Emma Sanders, das von London, wo es in Stellung war, einem Aufruf in der „Times“ nach sich in Rangun hatte verheiraten wollen, was aber misslungen war. Die junge Dame — denn als solche war Fräulein Sanders durchaus zu betrachten — war danach bei dem schrecklichen Schiffbruch der alten Juno dabeigewesen, wie Leutnant Mackay und der Junge Jack Hint (nunmehr Leichtmatrose). Sie hatte alle Leiden bewundernswert überstanden und war zu ihrem Onkel nach Hamburg zurückgekehrt.

      Leutnant Mackay war jetzt Erster Steuermann auf der neuen Juno.

      Neben der Juno lagen vier weitere tüchtige Seilschiffe, teils unter dänischer, teils unter Hamburger Flagge. Alle waren sie von dem Hamburger Handelshause Parish gechartert worden, auch die Juno, wie dem Kapitän vom hansischen Agenten der Ostindischen Kompanie, zu deren Flotte sie gehörte, mitgeteilt wurde. Die Fracht sollte diesmal in Menschen bestehen. Kurs: Westindien.

      Denn in Westindien war der Teufel los. Frankreich hatte die Trikolore auf Haiti gehisst. Die Nigger brüllten Aufstand über alle Inseln. Englands Vormundschaft zu vernichten in der fetten Tropenpfründe des Kaffees und des Zuckers, das war das Ziel. Aber Old England liess sich nicht bange machen. Krieg mit Frankreich und Krieg mit Frankreichs Unterlegenen Holland und Spanien: es war ein Abwaschen. Noch war es Zeit, noch hatten die jungen Vereinigten Staaten von Nordamerika genug mit sich selber zu tun. Und was je die in Vergangenheit gross gewesenen Seemächte Europas an Kolonien zusammengeraubt, jetzt war Gelegenheit für Grossbritannien, reinen Tisch zu machen auf der Karte der Welt und sie gründlich zuzudecken mit der viermal blutdurchstrichenen Flagge. In Ostindien war es schon gelungen, auch Ceylon, Malakka, die Molukken und die neuerforschte Südsee waren so gut wie Englands, das Kap der Guten Hoffnung ging wie ein Symbol den Holländern verloren, Gibraltar lag fest in britischer Faust, einen Finger schon legte es auf Malta. Wohl hatte General Napoleon gewagt, Genua, Neapel, Livorno den englischen Kauffahrern und Fregatten zu verschliessen. Aber vor Livorno lauerte Kapitän Nelson und sann schon über die Schlachtpläne nach, die später bei Abukir und Trafalgar den letzten Traum einer westeuropäischen Seemacht neben England vernichteten.

      In Westindien jedoch stand es wackelig. Barbados, Portoriko,

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