Die Politik Jesu. John Howard Yoder
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Jesus hat nun den weiteren Verlauf der Ereignisse in seiner Hand. Es brauchte nur einen Schritt mehr, diese Macht zu festigen, sich auf dem Gipfel der Massenbegeisterung tragen zu lassen, die Verwirrung auszunutzen, die dadurch entstanden ist, dass das befreite Vieh aus dem Hof stürmt und die Händler sich auf dem Pflaster über ihr Geld stürzen. Der Staatsstreich ist zu zwei Dritteln gewonnen; es bliebe nur noch, das römische Fort nebenan zu stürmen. Doch es gehört zum Wesen der neuen Ordnung, dass sie, obwohl sie die alte verdammt und ablöst, dies nicht mit deren Waffen tut. Jesus verpasst die günstige Gelegenheit und zieht sich nach Bethanien zurück. Doch die Stadt wird nicht mehr dieselbe sein. Nun ist entschieden, dass er getötet werden muss (19,47; 20,19; 22,2).
Zwischen den triumphalen Einzug und die Tempelreinigung schaltet Lukas (als einziger der Evangelisten) eine ergreifende Szene.83 In einer Art prophetischen Klage weint Jesus am Tor der Stadt, weil sie die Zeit ihrer „Heimsuchung“ nicht erkannt hat (Luther). Damit ist in die Ankunft des Königs eine Illustration der schon sicheren Ablehnung eingebaut. Im Moment der überschwänglichsten Begrüßung durch die Stadt will Lukas den Leser nicht vergessen lassen, dass Jesu Verwerfung schon besiegelt ist. Ungeachtet der begeisterten Massen beginnt der Mann auf dem Esel seinen Leidensweg.
Jede Perikope im Abschnitt 19,47–22,2 reflektiert auf irgendeine Weise die Konfrontation zweier sozialer Systeme und Jesu Ablehnung des Status quo. Die Fangfrage über die Steuer ist äußerlich die politischste, unterscheidet sich aber von den anderen nur dadurch, dass diese Bedeutung durchsichtiger ist.84 Die Herausforderung von Jesu Autorität (20,1–8), das Gleichnis von den untreuen Weingärtnern, die vom Besitzer hinausgeworfen werden (20,9–18 mit der Anspielung auf Ps 118, auch im Einzugsbericht zitiert), die Davidsohnschaft des Messias (Vers 41–44, mit Bezug auf Psalm 110), Schriftgelehrte, die die Häuser der Witwen verzehren (Vers 45–47), reiche Schriftgelehrte und arme Witwen (20,45–21,4), Prüfung und Triumph (21,5–36); alles trägt die Stimmung des bevorstehenden Zusammenstoßes der beiden Herrschaftssysteme.
Es ist schwer einzusehen, wie die Steuerfrage von denen, die sie stellten, als echte Frage hätte gedacht sein können, wenn sie nicht Jesu Ablehnung der römischen Besatzung als selbstverständlich vorausgesetzt hätten, so dass man von ihm eine Antwort erwarten konnte, die es ermöglichte, ihn zu denunzieren. Wiederum wird das „vergeistlichte“ Bild eines Jesus, dessen einziges politisches Anliegen darin besteht, klarzustellen, dass er mit Politik nichts zu tun hat, durch die schiere Tatsache zurückgewiesen, dass sich diese Frage stellen konnte. Im Kontext seiner Antwort bedeutet „das, was Gottes ist“ offensichtlich nichts „Geistliches“; die Zuordnung „dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“, verweist vielmehr auf Forderungen oder Vorrechte, die sich überschneiden oder miteinander konkurrieren, so dass die Notwendigkeit besteht, sie voneinander zu trennen. Die Bereiche Cäsars und Gottes liegen nicht auf verschiedenen Ebenen, so dass es nie zu einem Zusammenstoß kommen könnte; beide befinden sich in derselben Arena.85
Der letzte Verzicht: Lukas 22,24–53
Diese dreißig Verse vereinigen in bemerkenswerter Dichte vier Episoden. Nach der Einsetzung des Abendmahls folgt zunächst der Streit, wer der Größte sei. Jesus reagiert darauf, indem er seine Jünger auffordert, Diener zu sein, nicht Herren. Parallelstellen gibt es in Markus 10 und Matthäus 20 vor dem Einzug in Jerusalem. Jesus antwortet auf eine Anfrage der Frau des Zebedäus oder ihrer Söhne. Dann folgt die Ankündigung vom Verrat des Petrus (Matthäus und Markus sagen den Abfall aller Zwölf voraus). Dann der Bericht (nur bei Lukas) über die Umkehrung der früheren Reisebefehle an die Jünger. Sie werden nun angewiesen, einen Beutel, eine Tasche und ein Schwert mitzunehmen, damit die prophetische Schrift erfüllt würde: „Er ist unter die Übeltäter gezählt worden.“86 Darauf folgt das Gebet, den Kelch vorübergehen zu lassen (ohne die bei Markus und Matthäus betonte dreifache Wiederholung und ohne den eindringlichen Hinweis auf die Schläfrigkeit der Jünger); danach sogleich der Verrat und die Gefangennahme.
Dass Lukas in eine von ihm geschaffene Texteinheit zwei Elemente einbringt, die bei Markus nicht vorkommen, stellt die Frage, die die meisten traditionellen Interpretationen vermeiden, um so deutlicher. Wie hätte eine Erfüllung der Bitte: „Lass diesen Kelch an mir vorübergehen“ aussehen können? Was hätte anderes geschehen können?
Sowohl erbauliche als auch wissenschaftliche Kommentare haben diese wichtige Alternative ausschließlich im Lichte des späteren Geschehens gesehen. Vor lauter Verehrung, mit der die christliche Interpretation die Geschichte von Gethsemane umgibt, haben Leser und sogar professionelle Kommentatoren selten die historische Neugier aufgebracht, danach zu fragen, was es hätte bedeuten können, „diesen Kelch vorübergehen zu lassen“. Auf welche Weise hätte Jesus, in der Situation, in die er durch sein anstößiges Verhalten im Tempel geraten war, den letzten Zusammenstoß und den Untergang vermeiden können? Was war die andere Möglichkeit, mit der er rang? Sollte er still nach Qumran entschlüpfen, bis der Sturm sich gelegt hatte? Oder sollte er sich durch den Widerruf einiger seiner extremeren Behauptungen mit den Autoritäten versöhnen? Sollte er eine Deeskalation ankündigen, seine Kandidatur für das Königtum aufgeben und zum Lehrer werden?
Die einzige vorstellbare tatsächliche und historisch glaubwürdige Alternative, und die einzige mit einer wenigstens minimalen Textbasis, ist die Hypothese, dass Jesus sogar in diesem letzten Augenblick der Versuchung wieder hingezogen wurde zur messianischen Gewalt, die ihn von Anfang an versucht hatte. Nun endlich ist die Zeit des Heiligen Krieges angebrochen. Alle vier Evangelien berichten, wie Petrus in Notwehr das Schwert gebraucht. Alle außer Markus legen die Interpretation nahe, die Episode sei Symbol eines tieferen Konfliktes. Nach Johannes weist Jesus Petrus mit den Worten seines Gebetes zurück: „Soll ich den Kelch, den mir der Vater gegeben hat, nicht trinken?“
Die Matthäusinterpretation der Schwertepisode erörtert ausführlicher, was Jesus hätte tun können. „Oder meinst du, dass ich nicht meinen Vater bitten könnte, und er würde mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel zur Seite stellen? Wie sollen dann die Schriften erfüllt werden, dass es so kommen muss?“ (Mt 26,53f). Die Anrufung des Vaters und die Vorstellung von der Erfüllung der Verheißung stellen die Schwertepisode wiederum in den Kontext der Gebetsworte. Ich kann mir kaum vorstellen, wie zwölf Legionen Engel – eine römische Legion soll 6000 Soldaten gehabt haben – sich in diesem Garten ausgenommen hätten. Doch es geht wohl nicht darum, was ich mir vorstellen kann. Der Matthäusbericht ist klar und deutlich. Und Matthäus konnte sich vorstellen, dass gerade bei diesem letzten Zusammentreffen mit Judas und der jüdischen und vielleicht auch römischen Polizei der Augenblick gekommen war, in dem Gott den apokalyptischen Heiligen Krieg entfesseln würde, wo dann die wunderbare Macht der himmlischen Herrscharen, die Jünger Jesu als Stoßtruppen und die Jerusalemer Massen mit ihrem lange brodelnden Unmut aufstünden, um in einer mächtigen Woge heiliger Gewalt endlich die Heiden aus dem Land zu vertreiben und Gottes Volk (wie von Sacharja vorausgesagt) die Möglichkeit zurückzugeben, JHWH in Freiheit und ohne Furcht zu dienen.87
Lukas kommentiert das Schwert des Petrus nicht nach dem Ereignis, sondern vorher, in der kryptischen Anweisung an die Jünger, Waffen zu tragen, um die Schrift zu erfüllen, nach der der Leidende Gottesknecht