Die Politik Jesu. John Howard Yoder

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Die Politik Jesu - John Howard Yoder Edition Bienenberg

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bringen Ellul (1960) und Hauerwas (1983), S. 51–60, 99–101.

      KAPITEL 2

      Das kommende Königreich

      Die Ankündigung: Lukas 1,46ff, 68ff; vgl. 3,7ff

      Wir sind es nicht gewohnt, die Jungfrau Maria als Makkabäerin anzusehen. Doch wäre das Magnificat in der Geschichte durch seine liturgische Verwendung nicht zur leeren Wiederholung geworden, so wären wir alle beeindruckt, dass sich Maria hier wie eine Makkabäerin anhört.

      Er hat Macht geübt mit seinem Arm, er hat zerstreut, die hochmütig sind in ihres Herzens Sinne; er hat Gewaltige von den Thronen gestoßen und Niedrige erhöht. Hungrige hat er mit Gütern erfüllt und die Reichen leer hinweggeschickt.

      Lk 1,51–53

      Für unsere Absicht hier ist es nicht wichtig zu wissen, aus welcher literarischen Quelle Lukas geschöpft hat oder aus welcher liturgischen Quelle Maria hätte schöpfen können.43

      Das vorliegende Zeugnis des Evangeliums sagt uns, dass der, dessen Geburt angekündigt wird, ein Urheber radikalen sozialen Wandels sein wird. Die Hoffnungen derer, die die „Tröstung Israels“ erwarten, sind nicht kultischer oder dogmatischer Art, und so sind sie keine im engen Sinn „religiösen“ Erwartungen; er kommt, die Knechtschaft seines Volkes zu zerbrechen. Einige Verse darauf tut Zacharias, sobald seine Lippen gelöst sind, die Bedeutung der Geburt des Johannes kund:

      Um uns Rettung zu schaffen vor unseren Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen. … dass wir, erlöst aus der Hand unserer Feinde, ohne Furcht ihm dienen.

      Lk 1,71.74 (Jerusalemer Bibel)

      Diese Erwartung wird noch klarer, wenn Johannes selbst sie ausspricht:

      Schon ist aber die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum nun, der keine gute Frucht bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen … Er hat die Wurfschaufel in seiner Hand, um seine Tenne zu fegen und den Weizen in seine Scheune zu sammeln. Die Spreu aber wird er in unauslöschlichem Feuer verbrennen.

      Lk 3,9.17 (Jerusalemer Bibel)

      Das ist die Sprache, in der Johannes „die gute Nachricht dem Volk predigte“. Zu voreilig haben wir bisher immer alle Worte der Ankündigung durch die Annahme gefiltert, das alles sei natürlich „geistlich“ zu verstehen.44

      Auf jeden Fall behielt Johannes nicht recht mit seinen Erwartungen – oder etwa doch? Wir werden später sehen, inwieweit die von Jesus gebrachte Erfüllung sich von den Erwartungen des Johannes unterscheidet; aber auf jeden Fall besteht der Unterschied nicht darin, dass Johannes soziale und politische Erwartungen hatte, die Jesus dann „geistlich“ erfüllte. Wäre das der Unterschied, so hätte Lukas seine Geschichte anders anfangen müssen. Die ersten drei Kapitel müssten einen warnenden Hinweis auf die Unangemessenheit der Hoffnungen Marias, Zacharias’ und auch Johannes’ enthalten. Da ein solches Warnsignal fehlt, können wir nur schließen, dass sogar zu dem späten Zeitpunkt, da Lukas seine Geschichte für Theophil zusammenstellte (vermutlich mit dem apologetischen Interesse, die Christen nicht als Aufwiegler erscheinen zu lassen), er doch nicht darum herum kam, zu berichten, dass die frommen Hoffnungen, die Jesus entgegengebracht wurden, das Leiden Israels in seiner ganzen sozialen und politischen Wirklichkeit umfassten und dass das Wirken des Erwarteten von derselben Art sein würde.

      Um der Kürze willen überspringen wir die Geburtsgeschichte, mit der Betonung der kaiserlichen Volkszählung und ihrer ganzen Tragweite für ein unterworfenes Volk: Registrierung, Besteuerung, Identitätskontrolle. Wir brauchen uns nicht ausführlich mit der offensichtlich politischen Bedeutung der Identifizierung Bethlehems als Stadt Davids zu beschäftigen; auch nicht mit der Verkündung der Engel: „Friede auf Erden“ oder den Erwartungen Simeons und Hannas oder mit Matthäus’ Bericht über die Angst des Herodes und den Kindermord; es muss genügen, die Fäden dort wieder aufzunehmen, wo die Sache öffentlich wird.

      Wir hätten auch die offensichtlich politische Bedeutung der Beziehung zwischen Jesus und Johannes dem Täufer eingehender verfolgen können. Johannes’ Wirken hatte einen ausgesprochen politischen Charakter und in gewissem Sinne war Jesus sein Nachfolger (siehe die zeitliche Beziehung in Mt 3,12). Die Lehre des Johannes rief nach einer sofortigen Gütergemeinschaft in den Dingen des täglichen Bedarfs (Lk 3,11); die einzigen Zuhörerkategorien, die Lukas aus den „Massen“ benennt (Matthäus erwähnt Pharisäer und Sadduzäer), sind die sozial und politisch missachteten Zöllner (3,12) und Soldaten (3,14). Nach dem Bericht des jüdischen Geschichtsschreibers Josephus hatte die Gefangennahme des Johannes mit der Angst des Herodes Antipas zu tun, Johannes könne einen Aufstand entfachen.45 Lukas’ Bericht über das Vergehen des Johannes spricht nicht nur von „Herodias, der Frau seines Bruders“, sondern auch von „allem Bösen, das Herodes getan hatte“; darin ist möglicherweise substanziell politische Kritik enthalten. Dass Herodes seine erste Frau verstieß und an ihrer Stelle Herodias nahm, war an sich schon eine öffentliche, politische Angelegenheit, da dadurch ein Krieg mit dem Vater der ersten Frau, Aretas IV. von Nabatea, ausgelöst wurde. Selbst wenn das Urteil des Johannes über die Wiederverheiratung in erster Linie durch seine Ablehnung von Scheidung und Ehebruch motiviert war, so hatte seine Gefangensetzung eine symbolische politische Bedeutung, wie vielleicht auch die Wahl von Machaerus, der Festung an der nabateischen Grenze, als Ort seiner Gefangenschaft und Hinrichtung. Jesu Antwort an die Boten des Johannes erinnert direkt an seine erste Predigt in Nazareth (4,18). Der Bericht über sein Wirken veranlasst Herodes, in ihm einen möglichen Nachfolger für Johannes zu sehen (9,7ff). Jesus stellt sein Schicksal neben das von Johannes (16,16 par).

      Schon aus dieser knappen Zusammenfassung wird deutlich, dass eine nähere Untersuchung der Nebenlinien gleich welcher Richtung nur unsere Ergebnisse im Gesamtverlauf der Geschichte bestätigen würde.

      Berufung und Versuchung: Lukas 3,21–4,14

      Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen.

      Lk 3,22

      Es ist müßig, darüber zu spekulieren, wie explizit diese Worte vom Himmel von Jesus – bzw. von Johannes oder Lukas – als Anspielung auf Psalm 2,7 oder auf Jesaja 42,1b verstanden worden sind. Ist die doppelte Anspielung klar intendiert, so bedeutet sie eine explizite Verschmelzung des Inthronisationsthemas (Ps 2) mit dem des leidenden Gottesknechtes (Jes 42). Wie auch immer, mit oder ohne ausdrücklich messianische Anspielung haben wir es hier mit der Übertragung eines Auftrages in der Geschichte zu tun. „Du bist mein Sohn“ ist keine Definition oder Bestätigung eines metaphysisch definierten Status der Sohnschaft; es ist die Berufung zu einer Aufgabe. Jesus ist beauftragt, in der Geschichte, in Palästina, der messianische Sohn und Diener zu sein, der Träger des guten Willens und der Verheißung Gottes. Dieser Auftrag wird in der Versuchung, in die Jesus unmittelbar darauf hineingerät, näher definiert.

      Der hypothetische Syllogismus des Versuchers „Wenn du der Sohn Gottes bist, dann …“ argumentiert nicht aus einem Konzept metaphysischer Sohnschaft heraus, sondern vom Königtum her. Mit „Sohn Gottes“ kann im Aramäischen kaum die ontologische Wesensgleichheit des Sohns mit dem Vater gemeint gewesen sein, so dass es für den Versucher wie für das erste chalcedonische Konzil angebracht gewesen wäre, zu überlegen, wie Jesus, obwohl er doch die göttlichen Attribute teilt und per Definition allmächtig ist, trotzdem der Versuchung unterworfen sein kann, seine Allmacht zu gebrauchen. Der Sohn Gottes in Psalm 2,7 ist der König; alle Möglichkeiten, die der Versucher Jesus anbietet, sind Wege zum Königtum.46

      Der

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