Christines Weg durch die Hölle. Robert Heymann

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Christines Weg durch die Hölle - Robert Heymann

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aus dem Brustbeutel und betrachtet sie liebevoll und eingehend.

      Lange.

      Plötzlich stockt sein Herzschlag.

      Jetzt, bei der langen und genauen Besichtigung überkommt ihn urplötzlich und mit entscheidender Wucht die Erkenntnis: Die Perlen sind falsch. —

      Fabelhaft nachgemacht.

      5

      Zuerst, einige Monate nach den furchtbaren Katastrophen im Winter 1916, war es wie Grabesschweigen über Russland gelegen. Dann aber sammelten sich in allen Weltgegenden die Führer der alten Zeit. Zarengenerale, Männer, die Russland, ihr Vaterland, glühend liebten, entschlossen, eher zu sterben als zuzugeben, dass der rote Terror über das russische Volk triumphierte. Abenteurer kamen hinzu, Narren, Verbrecher, Spekulanten. Bald verwandelte sich Russland in ein wildes Heerlager, und wieder floss Blut so reich, so achtlos, wie einst unter Nikolaus und Kerenski.

      In Sibirien stand Koltschak, in der Ukraine kämpfte Denikin. Inzwischen trieben sich die seltsamsten Befehlshaber mit den merkwürdigsten Befugnissen umher. Aufrührerische Atamane kämpften gegen die Bolschewiken und gegen die Weissen. Petljura schloss sich den Franzosen an, um ein eigenes Reich zu gründen. Der Bauernvater Machno wieder kämpfte mit seinen Partisanen gegen Petljura, gegen die Weissen, gegen die Roten — manchmal auch für sie. Ein Chaos ohnegleichen zerriss die unglückliche Ukraine. In dem Hafen Nikolajew nordöstlich von Odessa standen 15000 Deutsche der 15. Landwehrdivision und andere deutsche Truppenteile, die sich zu ihnen geschlagen hatten, unter dem Oberbefehl des Generals Sack. Ungehindert kamen und gingen hier die bolschewistischen Emissäre und untergruben die Autorität der Offiziere. Langsam sah sich der General von seinen Soldaten verlassen. In Cherson rückten am 19. Januar 1919 griechische Truppen ein. Am 6. Dezember 1918 war Odessa unter dem brausenden Jubel der geängstigten Bewohner von französischen Truppen besetzt worden. Am 1. Februar 1919 waren es schon 20 000 Mann, Engländer, Franzosen, Griechen, Serben, Polen, die bereit waren, den bolschewistischen Vormarsch aufzuhalten. Die Stadt Odessa sollte von den Alliierten gemeinsam mit dem ehemaligen Kriegsminister Koltschaks, dem General Grischin-Almasow, verteidigt werden. Grischin-Almasow hatte sie vorher schon erobert, nachdem er in einem phantastischen Marsch sich von Sibirien bis an das Schwarze Meer durchgeschlagen hatte. —

      In Odessa gibt es nun, Anfang Februar 1919, folgende Regierungen:

      Den Stab Grischin-Almasow, den Stab des Ukrainischen Direktoriums, nämlich des Hetman Petljura, der gleichfalls den Besitz Odessas für sich beansprucht, sowie das französische Oberkommando. Allmählich sind Vertreter jener vielen russischen Parteien und Gruppen erschienen, die alle verschiedene Mittel anwenden wollten, um Russland zu befreien und sich untereinander befehdeten. So weiss niemand, wer eigentlich in Odessa herrscht. Nur eines merkt man:

      Die Bolschewiki wühlen.

      Ihre Agitatoren werden zwar von der Konterspionage der russischen und französischen Kommandos mit unerbittlicher Wut verfolgt. Aber diese Fanatiker lassen sich auch durch die Aussicht auf die grausamsten Folterungen und Todesarten nicht abhalten, ihrer Sache zu dienen. —

      So wimmelt dieses Odessa von Spionen, Gegenspionen, von Menschen aus aller Herren Länder. Die Nächte sind erfüllt von Tanz und Musik, die Tage geballt von Plänen und Problemen, die Stadt lebt in Rausch und Fieber.

      Und niemand, selbst die Konterspionage ahnt nicht, dass sich auf dem Dreadnought „Mirabeau“, der in der Bucht von Sewastopol vor Anker liegt, eine verhängnisvolle Revolution vorbereitet, mit der die Anstifter nicht nur Odessa, sondern schon Europa in Brand zu stecken hoffen. —

      Mac Lee hat eine Nacht lang die Spur des Hauptmanns Odojewskij verloren. Ganz erfüllt von dem Gedanken, ihm mit den Perlen die Möglichkeit einer entscheidenden Agitation genommen zu haben, hat er zum ersten Mal versagt.

      Der Hauptmann aber war nicht müssig gewesen.

      Gleich, nachdem er den völlig erschöpften Mac Lee verlassen hatte, ging er zum Hafen. Ein Dampfer war angekommen mit Tataren, Türken und Griechen. Die Türken trugen weisse Tücher über dem Fez, zum Zeichen, dass sie in Mekka gewesen waren. Nun machten sie hier Station, ehe sie in ihre Dörfer im Kaukasus zurückkehrten.

      Der Hanptmann mischte sich unter sie und ging mit den Tataren langsam die Dalnitzkajastrasse entlang bis zur Ecke der Balkowskajastrasse. Dort stand die Kneipe des Armeniers Asakoff.

      Allerlei Leute verkehrten hier.

      Ausser Tataren, Türken und Mongolen die kleinen Kaufleute.

      Matrosen aus aller Herren Länder.

      Griechen, Polen, Rumänen.

      Ein Gewirr von allen Sprachen der Welt.

      Wenn Türken kommen, trinkt Asakoff schnell eine Flasche Wodka aus. Oder der Nigger, der die Gäste bedient, schüttet sie ihm sozusagen in den Hals.

      Denn wenn Asakoff Türken sieht und nicht eine Flasche Wodka im Leibe hat, passiert etwas.

      Zwischen Matrosen, Arbeitern und lichtscheuem Gesindel sitzt Hauptmann Odojewskij. Bei Asakoff tagt jede Woche das „Ausländische Kollegium“, das der Genosse Jelin, der aus Moskau gekommen ist und sich in Odessa eingeschmuggelt hat, begründet hat. Denn die Bolschewiki sind nicht müssig. Das „Ausländische Kollegium“ ist der Sammelpunkt der Ententegegner in Odessa. Von hier aus gehen die Agitatoren mit geheimen Aufträgen, mischen sich unter vielerlei Masken unter das Volk, die Armen, unter die Arbeiter. Und legen Zündstoff aus.

      Zwischenträger ist Hauptmann Odojewskij.

      Als Lastträger verkleidet, rauchgeschwärzt, mit der Entschlossenheit eines verwegenen Spielers, jeden Augenblick bereit, den höchsten Einsatz, das Leben, zu riskieren, hält der Abgesandte der Sowjet, der gleichzeitig als Offizier der weissen Armeen auftritt, eine wilde Rede, die letzte Bedenken zerstören und die Meuterei der französischen Matrosen zur beschlossenen Sache machen soll.

      Die Propaganda, deren sich die Sowjets bedienten, um ihre Ideen in die Reihen der Gegner zu tragen, war ganz neu, war suggestiv, war von einer Kraft, die nur eine völlig neue Idee, ein in seiner Art verjüngtes Volk aufbringen konnte.

      Hauptmann Odojewskij hielt eine flammende Rede gegen den Militarismus der Entente. Die Matrosen, die da schweigend um ihn herumstanden, auf Bänken kauerten, betrachteten ihn mit glühenden Augen. Sie horchten mit angehaltenem Atem. Es war das Evangelium des Friedens, der Völkerversöhnung, des tausendjährigen Reiches, der Verbrüderung, das dieser Mann, in dem sie den Offizier respektierten und dessen Mut als Aufwiegler sie bewunderten, predigte.

      Sie hielten diesen Emissär für einen Märtyrer seiner Idee, einen Propheten. Er war aber in Wirklichkeit ein bezahlter Spion, ein verwegener Abenteurer. Er sah mit scharfen Augen, was bei den Ententetruppen vorging, er wusste, dass diese Matrosen und Soldaten nichts so sehr ersehnten wie die Heimat, die Beschäftigung des Friedens, dass sie endlich wieder glückliche Ostern und einen Frühling ohne Waffenlärm und Kommandos erleben wollten. Er träufelte ihnen ganz unversehens den Hass ein gegen die kapitalistischen Regierungen.

      In der Tat, was gab es da zu widersprechen? Die Kanonenlieferanten konnten doch im Frieden keine Geschäfte machen! Die Regierungen, die in Russland Platin, Edelsteine, Petroleum suchten, die Regierungen, die für ihre Zwecke Eisenbahnen bauen wollten und am liebsten das ganze grosse Russland mit einem Soldatenkordon umstellt hätten, nun, würden die freiwillig Frieden schliessen?

      Sie wollten Krieg, damit sich ihre Lieferanten

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