Rulantica (Bd. 1). Michaela Hanauer
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Andererseits – Kailani ist jetzt bestimmt eine Weile unterwegs. Das ist die Gelegenheit, um wenigstens Snorri Bescheid zu geben. Nur ganz kurz bis zum Kelpwald am Rand von Aquamaris und zurück. Das schafft sie in zehn, maximal fünfzehn Schwimmzügen. Oben wird sie Snorri auf keinen Fall suchen, das verspricht sie sich selbst. Das ist zu riskant, weil sich ihre Mutter dort wahrscheinlich mit den Wellen trifft. Aber der Kelpwald – dagegen ist nichts zu sagen, der liegt quasi fast noch im Palast, damit dehnt sie ihren Grottenarrest nur minimal aus. Und keiner wird was merken. Aquina schmunzelt in sich hinein und setzt den Weg in ihr Zimmer fort. Dort hängt sie sich ihre Fischledertasche um. Als sie sich entschlossen hat, Algetarierin zu werden, hat sie überlegt, ob sie sich von der Tasche trennen sollte, hat sich aber dagegen entschieden, weil sie es noch respektloser gefunden hätte, sie einfach wegzuwerfen. Jetzt ist sie froh, dass sie die praktische Tasche noch hat, in die alles hineinpasst, was sie dabeihaben will.
Betont langsam trödelt sie zum Portal, kurz vorher bleibt sie stehen und ruft halblaut in Richtung Empfangssaal: »Bis später, Mama! Ich bin dann mal weg zur Pflanzenkunde!« Ohne sich auch nur den Hauch eines schlechten Gewissens anmerken zu lassen, schwimmt sie weiter zum Ausgang, nickt würdevoll nach links und rechts und – schwupp – ist sie draußen. Grottenarrest, außer für den Unterricht – und den wird sie sich heute im Kelpwald selbst erteilen.
Aquina nimmt den hellen Sandweg aus der Stadt raus. Schon von Weitem kann sie den Kelpwald sehen: Die grünen Tangbäume ragen vom Boden bis zur Sonnengrenze und stehen dicht an dicht. Mit ihren sanft wogenden Blättern berühren sie einander und lassen doch genug Platz, um hineinzuschlüpfen. Sobald Aquina in den Wald geschwommen ist, kann sie kaum mehr bis zur eigenen Schwanzflosse sehen. Der friedliche Kelpwald birgt Bewohner und Geheimnisse, die vermutlich nicht einmal Kailani und Exena alle kennen. Eine Wasserschildkröte zieht an Aquina vorbei, direkt unter sich am Boden entdeckt sie unzählige kleine Krebschen und Seeigel und eine Scholle, die sich flink in den Sand eingräbt, als Aquinas Schatten auf sie fällt.
Würde sie jetzt immer geradeaus schwimmen, käme sie am anderen Ende des Waldes kurz vor der Eisstadt der Quellwächter heraus. Aber bis dahin will sie gar nicht, Snorris Unterschlupf ist nicht weit von der eingegrabenen Scholle entfernt. Behutsam, um ihn nicht zu erschrecken, biegt Aquina den Tangvorhang zur Seite und lugt unter Snorris Stein. Das Wasser hat ihn ausgehöhlt, dadurch ist gerade genug Platz für einen kleinen Tintenfisch entstanden, und solange die Blätter davor sind, ist Snorri so gut wie unsichtbar – oder auch ganz unsichtbar, wenn er, wie jetzt, überhaupt nicht da ist. Zu dumm!
Aquina ist enttäuscht. So schnell wird sich die Gelegenheit nicht wieder ergeben, aus dem Palast zu entwischen. Sie schaut sich um. Ist hier irgendjemand, der Snorri eine Nachricht überbringen könnte? Die Scholle hat sich inzwischen so tief verbuddelt, dass Aquina nicht einmal mehr sicher sagen könnte, ob sie wirklich noch da ist, und die Krebschen müssten sich ohnehin besser einen für sie weniger gefährlichen Nachbarn suchen als ausgerechnet einen Tintenfisch.
Aber Snorri soll wenigstens wissen, dass sie da war. Aquina wühlt in ihrer Fischledertasche. Kreidesteine und Schieferplatten, Muschelclips … nichts davon ist eindeutig genug, nur die Tasche selbst, und die will Aquina doch lieber nicht zurücklassen. Es muss etwas sein, bei dem niemand außer Snorri sofort weiß, dass es von ihr stammt. Die langen grünen Tangblätter fallen Aquina ein. Sie sind hier überall zu finden, auch vor Snorris Unterschlupf. Nicht weiter auffällig also. Aber nur Aquina kann mehr daraus machen. Sie zupft drei der Blätter ab und beginnt, sie zu verflechten. Genau wie das zarte Armbändchen, das sie um ihr rechtes Handgelenk trägt.
Das war vor einigen Mondphasen auch wieder so ein Anlass für einen heftigen Streit mit ihrer Mutter.
»Was ist das?«, hatte Kailani geblafft, als sie den Schmuck entdeckte.
Stolz hat Aquina ihr die Technik vorgeführt, die sie sich ausgedacht hatte. Sie hat drei gleich lange Blätter nebeneinandergelegt und abwechselnd das rechte und das linke über das jeweils mittlere Blatt geschlungen, bis daraus ein reißfestes Band entstanden war. Das Geflecht sah hübsch aus, ein bisschen wie die Ornamente in den Gängen des Muschelpalasts, und sie konnte es ganz wunderbar um ihr Handgelenk tragen. Aber ihre Mutter wollte davon nichts wissen. »Wir Meermenschen schmücken uns nicht, Aquina. Das ist unnützer Menschentand!«
»Aber warum? Es ist hübsch und es steht mir sehr gut!«, widersprach Aquina.
»Du bist doch nicht eitel, Aquina? Wir achten nur auf unser Können und unsere Aufgabe, das unterscheidet uns von den Menschen!«, betonte Kailani.
Bei den anderen Meermenschen kam Aquinas Flechtkunst deutlich besser an. Jade und Ruby waren die ersten, die Armbändchen trugen. Etwas später Larima und sogar Manati ließ sich von Aquina eines anfertigen. Nur ihre Mutter presste jedes Mal missmutig die Lippen zusammen, wenn eine Sirene damit ankam. Aquina war damals sehr gekränkt. Wieso lehnte ihre Mutter jede neue Idee ab, besonders wenn sie von ihr kam? Nie konnte sie ihr etwas recht machen. Die Streitereien beim Abendessen waren kaum noch auszuhalten, bis es sogar Bror zu bunt wurde. Normalerweise hielt er sich raus, wenn Aquina sich mit ihrer Mutter zoffte. »Ich würde lieber in einer Felsspalte festhängen, als zwischen euch beide zu geraten!«, pflegte er zu sagen. Aber diesmal schlug er sich auf Aquinas Seite. Nach einer besonders lautstarken Auseinandersetzung kam er in ihr Zimmer.
»Zeigst du mir, wie das geht?«
»Was?«, fragte Aquina verblüfft.
»Dieses Geflecht, wie stellst du es her?«
»Wozu?«, fragte Aquina.
»Zeig es mir einfach – bitte!«, sagte ihr Vater auf diese gutmütige Art, mit der er bei Aquina meist mehr erreichen konnte als ihre Mutter mit all ihren Schimpftiraden.
Sie freute sich riesig über sein Interesse und zeigte ihm sämtliche Flechtarten, die sie inzwischen beherrschte. Gemeinsam lachten sie sich fast schlapp, als Bror versuchte, es ihr nachzumachen. Mit seinen großen kräftigen Händen tat er sich viel schwerer als Aquina mit ihren zarten, schlanken Fingern. Ständig rutschte ihm ein Blatt aus der Reihe oder knickte ab. Trotzdem hatten sie großen Spaß und am Ende beherrschte Bror die einfachen Muster und schloss Aquina dankbar in die Arme.
»Das sollten wir viel öfter machen«, hatte er zum Abschied gesagt. Das fand Aquina auch, leider steckten sie beide viel zu oft in ihren Pflichten fest.
Eine Woche später setzte Bror noch einen obendrauf. Als Kailani und Aquina sich beim Abendessen mal wieder über eine Fisch-Mahlzeit stritten, kam er hereingeschwommen – mit breitem Lächeln und einem geflochtenen Band um seinen linken Arm. Kailani hörte auf, mit Aquina zu schimpfen, und starrte Bror entgeistert an. »Hast du dich jetzt etwa anstecken lassen?«
Aquinas Papa hob seinen Arm und drehte und wendete ihn, als ob er das Band gerade erst bemerkte. »Das kann man auch als Meermann gut tragen, findest du nicht?«
»Wenn du meinst …«, erwiderte Kailani gedehnt. Aquina verkniff sich nur mit Mühe das Kichern.
»Und es ist sehr praktisch«, fuhr Bror fort. »Ich kann meine Angelhaken daranhängen und habe beim Schwimmen die Hände frei!«
»Verstehe«, seufzte Kailani, »du hältst zu Aquina, wie immer!«
»Das