Rulantica (Bd. 1). Michaela Hanauer

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Rulantica (Bd. 1) - Michaela Hanauer Rulantica

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Mosaik an den Wänden. Selten ist es etwas Außergewöhnliches, weil Odins Fluch es ihnen nicht erlaubt, sich weiter als drei Meilen von Rulantica fortzubewegen. Und genau deshalb empfindet Aquina ihre Unterwasserwelt oft als zu eng und klein für ihre große Neugierde.

      Wenigstens in ihrem Zimmer will sie regelmäßig etwas verändern, nur das Bild von Snorri hängt schon immer dort. Sie kennt ihn seit ihrer Geburt – oder eher andersrum – er kennt sie seit ihrer Geburt, denn sie kann sich an ihr erstes Jahr natürlich nicht mehr erinnern. Aber ihre Mutter hat ihr erzählt, dass er schon auf sie aufgepasst hat, als sie noch ein Baby war, und sie in den Schlaf gewiegt hat. Im Gegensatz zu den Meermenschen kann Snorri auch außerhalb der Dreimeilengrenze frei herumschwimmen. Aquina beneidet ihn glühend darum, aber zumindest bringt er ihr oft den ein oder anderen Schatz von dort mit. Snorris Geschenke wandern dann ebenfalls in das Mosaikbild.

      Während Aquina hin- und hergerissen zwischen Stolz und Wehmut ihre Wände betrachtet, fällt ihr etwas ein. Hatte diese Frucht von heute Mittag nicht im Inneren Kerne? Sie wühlt in ihrer Fischledertasche, holt die rote Frucht heraus und beißt herzhaft hinein – hm, genauso lecker wie vorhin! Sie knabbert sich bis zu Mitte durch und … da sind sie! Winzige braune Kerne, deren Form Aquina an Tropfen erinnert oder an Tränen. Zehn Kerne pult Aquina aus ihrer Frucht. Daraus lässt sich bestimmt ein prima Muster machen. Andererseits … vielleicht sind die Kerne sogar richtige Samen. Ob die Riesenpflanze auch hier in ihrem kleinen Unterwassergarten wachsen würde? Einen Versuch ist es wert!

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      Aquina steckt zwei der Kerne beiseite, die restlichen sollen an die Wand, gleich neben Snorri ist noch eine freie Stelle, wo sie aus den Kernen die Umrisse der Frucht nachformen könnte …

      »Da bist du ja, mein Schatz! Wie war der Unterricht?«

      Ohne dass sie es bemerkt hat, ist Kailani in ihr Zimmer geschwommen. Ihre Mutter ist einen knappen Kopf größer als sie, hat einen kräftigen grünblauen gezackten Fischschwanz mit einer elegant gebogenen Flosse, und für eine Sirene, die ansonsten eher schlank und feingliedrig sind, hat Kailani erstaunlich muskulöse Oberarme. Dazu passen ihre nur schwer zu bändigende dunkelbraune Haarmähne, die ebenso dunklen, aufmerksamen Augen und die markante Nase.

      Aquina ist immer wieder überrascht, wie wenig sie ihrer Mutter ähnelt, auch äußerlich. Sie hat ihr eigenes Gesicht zwar bisher nur als Spiegelung auf der Wasseroberfläche gesehen, entsprechend unscharf und verzerrt. Trotzdem fühlt sich ihre Nase, wenn sie sie betastet, zierlicher an und mit einer runden Spitze. Aquina hat helle Augen, auch wenn sie die genaue Farbe nicht kennt, und ihre Haare sind genauso weiß wie der Sand an Rulanticas Strand, noch viel heller als Papas inzwischen spärliche Haare.

      Ihre Mutter gibt ihr einen Kuss auf die Wange, dabei fällt ihr Blick in Aquinas halb geöffnete Handfläche.

      »Ah, hast du wieder Schätze ges…?«

      Aquina ballt die Hand zu einer Faust, aber sie reagiert zu spät, ihre Mutter hat die Kerne bereits gesehen. Kailanis fröhliche Stimmung schlägt sofort um. »Was hast du da, Aquina?«

      »Nichts!«

      »Zeig mir sofort, was du da in der Hand hast!«

      »Das geht dich gar nichts an!«

      »Wenn es das ist, was ich glaube, dann geht es mich sehr wohl etwas an!«

      »Wenn du es schon weißt, muss ich es dir ja nicht mehr zeigen!«

      »Du öffnest jetzt augenblicklich deine Faust!«

      »Nein!«

      »Doch!«

      Kailani greift nach ihrer Hand und zwingt sie, die Finger zu öffnen. Aquina ist völlig überrumpelt und leistet kaum Gegenwehr. Mit Drohungen und dem harschen Ton ihrer Mutter hat sie gerechnet, das kennt sie, doch noch nie hat ihre Mutter ihr körperlich zugesetzt. Die Tränen steigen ihr in die Augen, eine Mischung aus Wut und Schock macht sich in ihr breit. Ihre Mutter scheint es nicht zu bemerken und hält ihr einen der kleinen braunen Kerne unter die Nase.

      »Woher hast du das?«

      Aquina zuckt mit den Schultern.

      »Ich will eine Antwort, Aquina, woher hast du diese Apfelkerne?«

      Apfelkerne dringt es in Aquinas Gedanken, nun weiß sie wenigstens, wie die Frucht heißt.

      »Hat Snorri sie dir gegeben?«, bohrt Kailani unerbittlich weiter.

      Es wäre so einfach. Sie könnte so tun, als hätte Snorri ihr die Kerne mitgebracht, wie er es ab und zu tatsächlich mit einem besonders schön geformten Stück Holz, einer Muschel oder einem Stein tut. Aquina müsste bloß nicken und sie wäre aus der Schusslinie. Snorri bekäme den Ärger, wenn überhaupt. Ihm kann Kailani schließlich nicht verbieten, an die Oberfläche zu schwimmen.

      Aber etwas in Aquina wehrt sich gegen diese simple Ausrede. Sie will sich nicht drücken, sie will nicht lügen, sich nicht hinter Snorri verstecken und schon gar nicht soll er etwas für sie ausbaden müssen! Aquina streckt den Rücken durch und blickt ihrer Mutter in die Augen.

      »Wir … ich habe die Frucht, die du Apfel nennst, von oben, von der Insel. Und wenn du es genau wissen willst: Sie war das Leckerste, was ich je gegessen habe!«

      Kailanis Nasenflügel beginnen zu beben, ein sicheres Zeichen für einen bevorstehenden Wutanfall. »Habe ich dir nicht gesagt, dass du oben nichts zu suchen hast?«

      »Doch«, sagt Aquina. »Hast du. Ständig.«

      »Würdest du mir dann bitte verraten, was du trotz meines Verbots dort gemacht hast?«

      Aquina denkt an die Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht, an Snorri und seinen eingeklemmten Fangarm, an das einmalige Naturschauspiel … nichts davon wird ihre Mutter verstehen, nichts wird sie gelten lassen. »Es ist schön dort«, erklärt sie schlicht.

      Es geht los, mindestens so heftig wie der Feuerberg explodiert Kailani: »Es ist schön? Mehr fällt dir dazu nicht ein? Dafür gehst du dieses Risiko ein?«

      »Aber ich habe mich doch nur ein bisschen umgesehen«, sagt Aquina.

      »Wozu? Du hast hier alles, was du brauchst!«

      »Ich will nicht eingesperrt sein und auch noch etwas anderes erleben als Singen und Muschelmosaik!«

      »Und für dein persönliches Vergnügen glaubst du, du dürftest unser aller Leben aufs Spiel setzen?«

      »Aber ich war nicht einmal in der Nähe der Quelle und habe nicht in ihr gebadet«, verteidigt sich Aquina. »Das würde ich auch nicht, das weißt du!«

      »Weiß ich das?«, tobt ihre Mutter weiter. »Kann ich dir überhaupt vertrauen, wenn du dich über alle unsere Gesetze hinwegsetzt?«

      Der Satz trifft Aquina mehr, als sie zugeben will. Es ist schreiend ungerecht. Entweder muss sie Regeln beachten, die aus ihrer Sicht überhaupt keinen Sinn ergeben, oder sie muss mit der bitteren Enttäuschung leben, die sich im Gesicht ihrer Mutter mehr als deutlich abzeichnet.

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      »Wieso kann ich nicht selbst entscheiden,

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