Emma. Jane Austen
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»Ich danke Ihnen. Aber glauben Sie mir, Sie irren sich. Mr. Elton und ich sind sehr gute Freunde und nicht mehr.« Und im Weitergehen amüsierte sie sich im stillen über die Mißverständnisse, die so oft durch halbes Wissen entstehen, über die Irrtümer, denen gerade Leute, die sich auf ihr Urteil etwas einbilden, immer wieder verfallen. Und sie war nicht sehr entzückt über ihren Schwager, der sie für blind und unwissend hielt und meinte, er müsse ihr einen Rat erteilen. Er sagte nichts mehr.
Mr. Woodhouse war so fest zu diesem Besuch entschlossen, daß er trotz der zunehmenden Kälte nicht davor zurückschreckte, und so machte er sich schließlich mit seiner älteren Tochter im eigenen Wagen pünktlichst auf den Weg und dachte offenbar weit weniger ans Wetter als jeder andre. Er war zu erfüllt von Staunen über seine Unternehmung und dem Gedanken an die Freude, die er damit in Randalls bereitete, auch zu warm eingepackt, um die Kälte zu spüren. Doch es war bitter kalt, und als der zweite Wagen sich mit Emma und Mr. John Knightley in Bewegung setzte, suchten ein paar Flocken schwebend ihren Weg zur Erde, und der Himmel sah aus, als hinge er so voller Schnee, daß es nur etwas mildere Luft brauchte, um in kürzester Zeit die Welt ganz in Weiß zu hüllen.
Emma merkte bald, daß ihr Begleiter nicht in der besten Stimmung war. Die Vorbereitung und die Fahrt über Land bei solchem Wetter, wofür er das Zusammensein mit seinen Kindern nach dem Essen opfern mußte, waren Übel oder wenigstens Unannehmlichkeiten, die Mr. John Knightley ganz und gar gegen den Strich gingen. Er versprach sich von diesem Besuch nichts, was die Mühe lohnte, und die ganze Fahrt bis zum Pfarrhaus verbrachte er damit, seinem Mißvergnügen Luft zu machen.
»Ein Mann muß schon sehr von sich eingenommen sein«, sagte er, »wenn er andre Leute bittet, an einem solchen Tage ihr Kaminfeuer zu verlassen, um mit ihm zusammen zu sein. Er muß sich für einen sehr gewinnenden Burschen halten. Ich brächte das nicht fertig. Es ist der größte Unsinn. Da fängt es auch noch an zu schneien! Diese Verrücktheit, den Leuten nicht zu erlauben, gemütlich zu Hause zu bleiben – und verrückt auch die Leute, die nicht gemütlich daheim bleiben, wenn sie können! Wenn uns an einem solchen Abend die Pflicht oder eine dringende Besorgung zwängen auszugehen, wie hart fänden wir das! Und da machen wir uns nun, wahrscheinlich viel leichter gekleidet als sonst, freiwillig auf, ohne Entschuldigungsgrund, gegen die Stimme der Natur, die einem mit allem, was man sieht und fühlt, sagt, man sollte lieber zu Hause bleiben und alle die Seinen unter Dach behalten – machen uns auf den Weg, um fünf langweilige Stunden bei anderen Leuten zuzubringen, wo es nichts zu sagen und zu hören gibt, was man nicht schon gestern gesagt und gehört hat oder ebensogut morgen sagen und hören kann; geht bei scheußlichem Wetter fort, um wahrscheinlich bei noch schlimmerem heimzukehren. Vier Pferde und vier Dienstboten werden zu nichts anderem bemüht, als fünf müßige, fröstelnde Geschöpfe in kältere Zimmer und schlechtere Gesellschaft zu befördern, als sie daheim hätten.«
Emma brachte nicht die gewünschte Zustimmung auf, die er zweifellos zu hören gewohnt war; dem ›Sie haben ganz recht, mein Liebsten‹, das ihm sonst wohl von seiner Begleiterin zuteil wurde, vermochte sie nicht nachzueifern. Doch war sie fest genug, sich überhaupt einer Antwort zu enthalten. Aus Gefälligkeit zustimmen mochte sie nicht, fürchtete aber auch, einen Wortwechsel anzufangen; ihr Heldenmut reichte nur zum Schweigen. Sie ließ ihn reden und die Scheiben schließen und wickelte sich ein, ohne die Lippen zu öffnen.
Sie kamen an, der Wagen wendete, der Tritt wurde heruntergelassen und Mr. Elton in Schwarz, schmuck und lächelnd, stieg sofort ein. Emma war froh, jetzt würde man von etwas anderem sprechen. Mr. Elton war ganz Diensteifer und Munterkeit; seine Artigkeiten klangen so froh erregt, daß sie dachte, er müßte eine andere Nachricht von Harriet haben als sie. Während sie sich ankleidete, hatte sie nach ihr fragen lassen, und die Antwort lautete: ›Fast unverändert – keine Besserung.‹
»Meine Auskunft von Mrs. Goddard«, sagte sie sogleich, »war nicht so erfreulich, wie ich hoffte. ›Keine Besserung‹, hat man mir sagen lassen.«
Sein Gesicht zog sich sofort in die Länge, und seine Stimme nahm einen Ton des Bedauerns an, als er erwiderte:
»Ach nein, zu meinem Leidwesen hörte ich . . . ich wollte es Ihnen gerade sagen; als ich mich bei Mrs. Goddard an der Tür nach ihr erkundigte, das letzte, bevor ich nach Hause ging, mich umzuziehen, sagte sie, es ginge Miss Smith nicht besser, durchaus nicht besser, eher schlechter. Ich war sehr betrübt und besorgt; ich hatte mich der Hoffnung hingegeben, nach der Herzstärkung, die man ihr, wie ich wußte, am Morgen verabfolgt hatte, müsse sie auf dem Wege der Besserung sein.«
Emma entgegnete lächelnd: »Mein Besuch hat ihr über die seelischen Folgen ihrer Erkrankung hinweggeholfen, hoffe ich; aber eine Halsentzündung kann nicht einmal ich wegzaubern. Es handelt sich ja wirklich um eine schwere Erkältung. Mr. Perry ist bei ihr gewesen, wie Sie ja wohl gehört haben.«
»Ja . . . ich dachte mir . . . das heißt . . . ich wußte nicht . . .«
»Er kennt diese Anfälligkeit bei ihr, und ich hoffe, wir beide bekommen morgen einen tröstlicheren Bericht. Aber ich kann mir nicht helfen, es beunruhigt mich. Eine so traurige Lücke in unserer Gesellschaft heute abend!«
»Furchtbar! Das stimmt genau, wirklich. Man wird sie jeden Augenblick vermissen.«
So gehörte sich’s! Mit dem Seufzer, den er dabei ausstieß, konnte man wirklich zufrieden sein. Es hätte nur ein bißchen länger anhalten dürfen. Emma war ziemlich betroffen, als er nach kaum einer halben Minute von anderen Dingen anfing und einen höchst munteren, vergnügten Ton anschlug.
»Was für ein ausgezeichneter Einfall, diese Schafpelze im Wagen«, sagte er. »Wie machen sie ihn behaglich! Unmöglich, bei solchen Vorkehrungen zu frieren. Die modernen Errungenschaften haben die herrschaftliche Kutsche wirklich zur Vollkommenheit ausstaffiert. Man ist vor schlechtem Wetter so abgesperrt und geborgen, daß kein Lüftchen mehr unerlaubt eindringen kann. Die Witterung wird absolut belanglos. Es ist heute nachmittag doch so kalt, aber in diesem Wagen merken wir nichts davon. Ha! Es schneit ein bißchen!«
»Ja«, sagte John Knightley, »es wird wohl so bald nicht aufhören.«
»Weihnachtswetter«, bemerkte Mr. Elton. »Ganz der Jahreszeit gemäß; und wir können uns glücklich schätzen, daß es nicht gestern abend schon angefangen und uns um diese Gesellschaft gebracht hat, was durchaus möglich gewesen wäre, denn Mr. Woodhouse hätte sich bei hohem Schnee wohl kaum hinausgewagt; nun kann es uns nichts mehr anhaben. Dies ist die rechte Jahreszeit für freundschaftliche Geselligkeit. Zu Weihnachten lädt jeder gern seine Freunde ein, und selbst das schlimmste Wetter macht einem nichts aus. Ich bin einmal bei einem Freunde eine Woche lang eingeschneit gewesen. Das war ein Vergnügen! Ich wollte nur eine Nacht bleiben und kam erst nach einer Woche wieder weg.«
Mr. John Knightley war es anzusehen, daß er wenig Verständnis für dies Vergnügen hatte, aber er sagte nur kühl:
»Ich wünsche mir nicht, eine Woche lang in Randalls eingeschneit zu werden.«
Zu anderer Zeit hätte Emma an den beiden ihren Spaß gehabt, aber nun war sie zu verdutzt, Mr. Elton in so gehobener Stimmung, ihn so von anderen Dingen erfüllt zu sehen. Harriet schien in der Aussicht auf einen vergnügten Abend ganz vergessen.
»Sicher erwartet uns ein prächtiges Feuer«, fuhr er fort, »und die größte Behaglichkeit. Reizende Menschen, Mr. und Mrs. Weston. Mrs. Weston ist wirklich über jedes Lob erhaben, und er ist ganz ein Mann, wie man ihn gern hat, so gastlich und gesellig; es wird eine kleine Gesellschaft sein, aber eine kleine erlesene Gesellschaft ist vielleicht angenehmer als jede andre. In Mrs. Westons Speisezimmer