Fähre VII. Hans Leip

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Fähre VII - Hans Leip

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Straße in kleinem silbernem Echo widerhallte. Sie tippte ihm mit dem rundlichen Zeigefinger auf die Nase. »Kleiner Dösbaddel«, sagte sie: »Du und ich!«

      Jonny war sehr überrascht. »Heute?« antwortete er gedehnt: »Deern, ich bin müde.«

      »Zu müde, Jonny?«

      Sie ließ ihm keine Zeit, von seinem dreckigen Jumper und sonstigen Einwendungen zu reden. »Zieh dich flugs um«, entschied sie, nahm ihn beim Arm und bugsierte ihn, ihrer großen Aufmachung ungeachtet, wieder am »Halben Kilo« vorbei und um die Ecke in die Erichstraße.

      Das Kreuzfeuer herumlungernder Blicke ermunterte sie, zum ersten Mal in ihrem Leben den Eingang zu betreten, der in das Treppenhaus und zu Jonnys Behausung führte. Jonny wohnte ungefähr gegenüber den derzeit Papa Haases Museum für Kolonie und Heimat, drei Treppen hoch, bei Mudder Schütt.

      Jonny verbarg sein Erstaunen. Er hatte nach jenem Turnerball, da Mine ihn bei der Damenwahl aufgefordert und so den Grund gelegt hatte zu näherer Bekanntschaft, sie nach Haus bringen dürfen, gänzlich ohne ihre Eltern, die schon vordem gegangen waren. Sie waren damals eine Zeitlang zwischen der Thormannschen Ladentür und dem Eingang zu seinem Logis hin und her gependelt. Die Zunge war ihm in der Nacht etwas gelöster gewesen. Und obschon die handgreiflichen Matrosenerinnerungen ihm solchem Mädchen wie Mine gegenüber nicht am Platze schienen, hatte er schließlich doch gemeint, daß man sich gegebenenfalls noch ein bißchen in den windgeschützten Treppenflur stellen könne. Damit allerdings war er angeeckt.

      Nun ging sie ohne Einladung sogar die Treppen mit hinauf.

      Sie raffte das lange Kleid und wies Jonny an, vor ihr zu gehen, als er sie höflich veranlassen wollte. O, sie wußte, was sich gehört!

      Auf dem ersten Flur blieb sie stehen, atmete halb und flüsterte: »Hier riecht es nach Hering.«

      Auf dem zweiten Flur roch es nach Kinderwäsche und auf dem dritten, wo Jonny wohnte, nach Transtiefeln.

      Jonny kratzte sich die Nackenhaare. Was würde Mudder Schütt wohl sagen?

      »Wie?« sagte Mudder Schütt, das ewige rosa Flanelltuch um den Hals und die kleine schwarze Haube auf den ehrbar ergrauten Haarsträhnen.

      Dieses »Wie?« war schmetternd wie die Posaune des Jüngsten Gerichts.

      Jonny stotterte: »Bloß —«

      »Bloß nicht, sonder höchst anständig angezogen«, zwitscherte Mine der alten, überaus knochigen Witwe unter die langen Nasenfalten.

      »Nu wird’s Tag, was für ’ne Pisohn!« krähte Mudder Schütt entrüstet.

      »Meine Braut, Mudder Schütt!« ermannte sich Jonny zu einem grollenden Donnerschlag und, als täte ihm das Gewitter leid, wandte er sich kleinlaut an Mine: »Kannst ja auch man draußen warten!«

      »Nein!« erwiderte Mine mit mühsamer Bestimmtheit: »Ich habe das Recht zu sehen, ob mein Verlobter es ordentlich hat.«

      »Ordentlich?« Mudder Schütts Kehle erklapperte wie ein lecker Feudeleimer: »Glauben Sie etwa, Frollein, ich bin unordentlich?«

      Mine lachte ungekränkt.

      »Das ist doch Mine Thormann!« sagte da Jonny und schlug sich ganz verzweifelt auf die Schenkel.

      »Schnaddelawuds, und wenn’s die Kaiserin von China ist! Mir kommen keine Menkenkes auf die reinliche Etage!«

      »Warum kaufen Sie eigentlich nicht mehr bei uns, Frau Schütt, dann wüßten Sie es«, sagte Mine.

      »Wüßte? Käptn Bauz hat mir das schon geweissagt, als Jonny im St. Pauli-Turnverein noch gar nicht gemerkt hat, was ihm bei seiner abendlichen Volksertüchtigung für eine Schlange mang die Handstände und Geräte lauerte. Käptn Bauz, Herr Kapitän Brandt, sagte ich, wenn Sie sich bei mir erkundigen wollen, so kann ich nur aussagen, wer Jonny mal zum festen Herrn kriegt, der ist nicht beschummelt. Jonny, das ist ein Ausbund von Rentabelkeit, pünktlich wie die Sonne und reinlich wie ’ne Seemöve, der wäscht sich jeden Morgen bis auf die Fußsohlen wie beim Militär und spritzt mir doch dabei kaum einen Tropfen auf den guten Fußboden, so ist der. Ich nicht wissen! Aber wo man mir meinen Zimmerherrn wegschnappen tut, da soll ich noch kaufen? Das wäre ja mehr als geniest!«

      Mine war nicht aus der Fassung zu bringen. Sie stupste Jonny an und sagte: »Du hättest dich doch lieber mit Mudder Schütt verloben sollen!«

      »Nu wird die Pisohn auch noch übermütig!« krähte die knochige Schlummermutter, aber in ihrer Stimme war schon ein Unterton von Kaffee und Zwieback zu spüren, welche Genüsse der Inbegriff von Sonntag in ihr waren. Ihre schwachen Augen hatten jetzt im Zwielicht des Treppenflurs erkannt, wie großartig Mine sich aufgemacht habe. Und nun dämpfte sie die Tonart.

      »Ein Abendkleid? Das ist ja geliebt. O, mein Zucker! Ihr wollt doch wohl nicht zu Tanz? Oder in die neue Magaskar-Bar bei Klefot? Der ist ja woll auch überkandidel, eine neue Bar aufzuknipsen heutzutage! Wo haben Sie das erstanden, Fräulein Thormann?«

      »Wir gehen zu Bekannten«, sagte Mine vornehm.

      Jonny, der die Lage geklärt sah, verschwand in seinem Zimmer.

      »Herrjeses, nu treten Sie doch endlich büschen ein. Lassen Sie sich mals bei Licht begriesmulen, wird ja schon so früh dunkel. Ich, und Mine Thormann nicht kennen! So klein schon, hinterm Puppenwagen, mit die runtergerutschten Socken und nasse Büx! Welche Bekannte sind denn das?«

      Witwe Schütts Neugier pflegte, wenn die gehörigen Äußerungen allgemeiner Menschenverachtung von Fall zu Fall abgeklungen waren, jede Abneigung zu überwinden. Ihre Stimme war jetzt weich wie ein Putztuch.

      »Und das ist wohl’n Muttermal, und ganz ohne was unter?« Sie tupfte mit hakigem Finger auf Mines bloßen Rücken.

      Mine hatte nun genug von Logisbesuch. »Ich hab was vergessen«, sagte sie ablehnend. Schwupp, knisterte sie die Treppen wieder hinunter.

      Unten wartete sie vor Papa Haases kleiner Eingangstreppe, über die sich eine vom Hamburger Sott geschwärzte Walfischrippe bog. Wie oft hatte sie als Kind mit erschauernden Augen in Fenster und Tür dieser Kuriositätenkneipe hineingeluchst. Kaptän Haases zweizipfliger weißer Tirpitzbart und seine majestätisch in die Sphäre der Bildung aufsteigende Stimme hatten ihr Ehrfurcht eingeflößt. Der große Hall des Hafens und dieses winzige verschrobene Museum und sein Besitzer waren ihr der Inbegriff für die weite Welt gewesen, bis die Eindrücke der Schule und, nach der Konfimation, der sachte Ansturm des Lebens das bewegte Hafenbild in die Selbstverständlichkeit eines ewigen Hintergrundes gedrängt hatten, dahinter die eigentliche weite Welt sehnsüchtig und nebelhaft aufglomm, indes Papa Haase zu den Käuzen gelegt ward, für die man zwischen fünfzehn und zwanzig keinen Nerv hat.

      Nun war Kaptän Haase tot. Ein fremder bartloser Mann saß hemdsärmlig wartend bei der stillen Tonbank.

      Jonny schob sich aus dem Hausflur und pfiff. Er hatte seinen besten blauen Anzug an, einen reinen Kragen und einen schwarzen Schlips, dazu einen schwarzen Hut.

      »Jonny!« Mine zog ihn am Ellenbogen mitten auf die Straße. »Kuck dir mal den Michelturm an, sieht er nicht aus wie Papa Haase?«

      Die schutzmannshelmige Turmkuppel des Michels, nunmehr von der Westsonne beschienen, lugte hell über einem tempelhaft anmutenden Gebäude, das in der Einmündung zur Davidstraße

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