Fähre VII. Hans Leip

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Fähre VII - Hans Leip

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auch ein paar junge amerikanische Steuerleute in Uniform waren schon dabei, weiß der Teufel, wie sie es so schnell ermöglicht hatten. Einige Hafenbräute gurrten auf, der frohe Schrei des Wiedersehens flatterte hier und da in die dampfige Luft, der Knäuel löste sich und spulte sich durch die Ausgänge und an den Zöllnern vorbei, die ihres Amtes walteten, die Handtaschen öffnen ließen, in Koffer und Aktenmappen Einsicht nahmen und hin und wieder Verdächtiges in die langen Schuppen verwiesen, wo im bedrückungsstillen Innern hinter dem breiten, blechbeschlagenen Tresen dies und jenes zumeist geringfügige Stück »Andenken« mit sorgfältiger Wägung, Messung und Bescheinigung abgefertigt wurde.

      Auch der Handlungsgehilfe Emil Weber war unter den Fahrgästen. Sein kontorfarbenes Gesicht war ernst und in sich gekehrt, und die Würde des Kaufmannsstandes fand ihren Ausdruck darin. Er grüße Mine, indem er den mausfarbenen geknifften Hut gemessen mit Daumen und Zeigefinger von oben herab anfaßte und ihn einen Atemzug lang handhoch über dem einwandfreien Scheitel lüftete, ganz ähnlich wie man es von seinem Chef gewohnt war. Emil Webers Haar war unbesonders, sein Kragen etwas zu hoch, seine Haltung tadellos. Oft kam er bei Thormanns vorbei und kaufte dann regelmäßig ein Pfund australischer Äpfel. Er war Clark bei Mollmöller & Co., Im- und Export, und hatte derzeit Außendienst. Er mußte frisch angekommene Fracht beaugenscheinigen.

      Ein netter junger Mann, dachte Mine, indem sie sich einer gelegentlichen Äußerung ihrer Mutter anschloß.

      Mine tänzelte wortend hin und her, klönte ein wenig mit den Schalterleuten und ließ sich eine Weile nicht lang werden. Es konnte im ganzen höchstens eine halbe Stunde dauern. Das Jollenführerboot muß die Hafenschläuche, die ihm zugeteilt sind, sorgfältig durchrutschen, so wie etwas ein Mop alle Zimmerecken, und spähen, ob jemand an Land will. Damit kann die Zeit hingehen.

      Doch unerwartet früh schon hüpfte Jonny Wacks Barkasse wieder heran. Das konnte man wahrhaftig eine rasche Fahrt nennen. Wie fröhlich strahlte sein wetterverbranntes Gesicht!

      Er brachte nur zwei Fahrgäste mit. Der eine war der Artist mit der grauen Melone, der andere ein großer, schlanker, älterer Herr, der sehr hell angezogen war und steif und zurückhaltend aussah.

      Mine wollte nur ihren Jonny, sie hatte keine Lust, den ungeputzt saugenden Messingaugen des Melonenmenschen zu begegnen. Sie sprang, kaum, daß die Barkasse den Stegrand anglitt — so sachte verstand Jonny anzulegen — gewandt auf die Heckfläche und hinunter auf die Bank und ins Boot und lief am Motor vorbei auf den Führerstand zu, den Jonny verlassen hatte, um das Boot festzumachen.

      Aus den Augenwinkeln nur sah sie, wie die beiden Herren an Land stiegen. Herr Paduzek schien in diesem Augenblick keine Neigung zu haben, sich um sie zu bekümmern, sondern nur darauf bedacht zu sein, einen weitgereist aussehenden schweinsledernen Handkoffer gut von dannen zu bringen.

      Der große, sozusagen vornehme Herr am Ponton aber hielt ihn zurück, blieb stehen und strich sich mit spitzem Zeigefinger unter einem rostbraunen englisch-kurzen Schnurrbart entlang. Er wartete, bis der Jollenführer die Leine um den Poller gelegt hatte, was ungemein rasch ging. Schon stand Jonny Wack neben seiner Mine, und während er mit seiner langsamen Zunge nach »gut geschlafen« und dergleichen fragte, hörte sie deutlich, wie der feine Herr auf die Melone neben sich hinab knarrte: »Schmissiger Fisch!«

      5

      »Komm rasch in die Kajüte, ich muß dir einen Süßen geben!« flüsterte Mine ihrem Bräutigam gegen das derbe Ohr.

      Jonny blickte so verlegen als beglückt auf das schöne Mädchen, das neben seiner Vierschrötigkeit klein und zierlich wirkte. Er blinzelte mit ruckartiger Kopfbewegung nach allen Seiten, ob nicht irgendwas Miesäugiges auf Unrat lauerte.

      Husch, da war Mine schon unter Deck in der kleinen Schlechtwetterkammer, deren Wände zur Hauptsache aus Fensterglas bestanden und durch keine auch so bescheidene Andeutungen von Gardinen verhüllt wurden. Trotzdem aber herrschte in dem winzigen Raum, gegen das helle Hafenlicht gemessen, eine natürliche Dunkelheit, und der Einblick von außen, das wußte Mine gut, war schon durch die spiegelnden Scheiben so gut wie unmöglich. Die nächste Fähre kam gerade und die Schaltermänner hatten heute genug mit der Kundschaft zu tun. Die beiden Gentlemänner waren auch schon weg. Kein Mensch kümmerte sich im Augenblick um die Jollenführerbarkasse, somit schlurfte Jonny eilends hinter Mine her. Sie zog ihn ungeniert auf die braungestrichene Bank, sah ihn forschend an, gab ihm einen zärtlichen Klaps auf die lederharte Wange, wobei sie die kleinen Zähne fletschte und sich zusammenzog vor unbestimmter Wonne.

      »Sag erst was, Jonny!« zischelte sie, das Kinn vorgereckt, den Nacken zusammengedrückt, bebend, die Augen halb geschlossen.

      »Mine!« sagte Jonny. Und was er zudem noch äußerte, war nur ein verlegenes knappes Lachen, das wie das leuchtende Knurren eines großen, gutmütigen Köters klang, dem man ein Stück Zucker vor die Nase hält und es ihm noch nicht geben will. Mehr brachte er nicht hervor, denn er war wortkarg von Natur.

      »Ist das alles, du Geizhals?« zischte Mine. Und sie faßte ihn bei den dicken Ohren: »Daß du auch gleich wieder Dienst haben mußtest, hast ja wohl kaum geschlafen.«

      Aber Jonny vermochte nichts weiter, als wieder so verlegen glücklich zu grunzen.

      »Na, schön, du Sottje!« ließ Mine ihre Stimme nun natürlich erklingen. Ihre Augen öffneten sich voll Überschwang: »Du bist mein guten Jonny!« sagte sie.

      Plötzlich hingen Tränen an ihren Wimpern. Sie wußte nicht, warum. Sie fiel über Jonnys erstauntes Gesicht her und bedeckte es mit Küssen, und es war, als wolle sie es auslöschen mit ihrem durstigen Mund.

      Jonnys Arme umschlossen sie fest. Das waren vielleicht Arme! Das tat ihr gut.

      Aber jählings lösten sich diese stählernen Trossen und steiften sich starr wie Kranbalken und schoben sie von sich, als wäre sie eine ganz und gar herzlose, eiserne, mechanisch unter Kranbalken gleitende Laufkatze.

      »Der Kontrolleur!« sagte Jonny.

      Mine wollte aufspringen, aber Jonnys Pranken hielten sie nieder. Er lächelte sein verlegenes Lächeln weiter. Augen, Mund und Nasenlöcher waren ihr vor Schreck geweitet, er konnte gar nicht hinsehen. Ihm war so, als sähe er direkt in die Sonne.

      »Ich meine ja man bloß, wenn einer kommen sollte!« sagte er langsam.

      »Du Kaffer! Mich so zu verfieren!« lachte Mine und versuchte vergebens, ihm wieder um den Hals zu kommen: »Und überhaupt, kann ich vielleicht nicht etwa auch Fahrgast sein? Die fumfzig Pfennige kann ich wohl noch blechen, mein Schnudel. Ich hab’ genau Mark zweihundertdreiundvierzig Komma zweiundsiebzig auf Sparkasse. Tadelidö, was? Der soll nur kommen, der Herr Kontrolleur, dann sag’ ich: Herr Kontrolleur, oder je nachdem Herr Hilfs- oder Hauptkontrolleur, was mein Jonny ist, der ist der beste Jollenführer von Hamburg-Altona und von der ganzen Welt, und auch bei mir. Und dann lächle ich so, weißt du, so — und dann schmilzt sein hartes Kontrollherz dahin wie Bohnerwachs und Baumöl. Und dann sagt er: Jonny Wack? So’n nettes Mädchen? Und Sie geben ihr nicht mal’n Süßen? O mein Gott, wie viele, viele würden das sofort tun!«

      Jonnys Arme wurden schlaff. Nein, gegen diese flinke Zunge reichte keine Muskulatur. Er zog Mine an sich, sie atmete heftig, sie wehrte seinen Mund plötzlich ab. Er legte bedrückt und schwer seinen harten Kopf an ihre kleine Schulter. Sie preßte ihre Lippen auf seinen ledrigen Nacken und schloß die Lider.

      Schmissiger Fisch! Wie hatte das geklungen! So aus der weiten großen Welt. Ohne Zweifel war sie gemeint gewesen. Aber dieser schnieglige Gentleman sollte sich bloß nichts einbilden! Sie biß in Jonnys lederne Nackenhaut, er rührte sich nicht. Sie

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