Die unhaltbare Pudelmütze. Gerhard Fischer

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Die unhaltbare Pudelmütze - Gerhard Fischer

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einem Moor im Nordosten Finnlands, in Hyrynsalmi, treffen sich jeden Sommer 30.000 Menschen – die einen spielen den Weltmeister im Schlammfußball aus, die anderen gucken dabei zu. Auf den Färöern leben Zehntausende Schafe und ein paar Holzhändler und Eisverkäufer, die Fußball spielen – und gegen Österreich gewinnen oder Berti Vogts mit seiner schottischen Mannschaft ärgern. In Schweden hat sich der schwule Fußballer Anton Hysén geoutet, und in Dänemark gibt es ein Fußballspiel, das einzigartig ist auf dieser Welt: Kicker aus der Hippie-Kolonie Christiania spielen gegen eine Betriebsmannschaft der Polizei. Normalerweise sind die Beamten damit beschäftigt, den Haschisch-Handel in Christiania zu überwachen. Aber zweimal im Jahr – im Hin- und Rückspiel – wird in einer richtigen Liga gegeneinander gekickt. Da kommt es dann schon mal vor, dass Christiania-Fans am Spielfeldrand einen ganz tiefen Zug von ihrem Joint nehmen – und den Rauch ins Ohr des Polizisten pusten, wenn der einen Einwurf macht.

      Gerhard Fischer

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      FÄRÖER.

      Es bläst ein starker Sturm auf den Färöern im Nordatlantik. Und beim Spiel zwischen B86 Toftir und B36 Tórshavn gibt es Strafstoß. Der Schütze legt den Ball auf den Elfmeterpunkt – aber der Wind weht ihn weg. Weit weg. Nächster Versuch: Wieder hoppelt die Kugel auf und davon. Da wird es dem Schiedsrichter zu bunt – er beendet das Spiel. Ein andermal weht der Wind so stark, dass der Schiedsrichter den Spielern empfiehlt, sich flach auf den Boden zu legen – damit sie nicht weggeweht werden. Das ist kein Witz und keine Übertreibung: Auf den Färöern ist der Wind manchmal so stark, dass er Autos von der Straße fegt.

      Färöer heißt übersetzt „Schafinseln“. Auf den 18 „Schafinseln“ leben knapp 49.000 Menschen und über 80.000 Schafe, daher der Name; 17 Inseln sind permanent bewohnt. Schottlands Küste liegt gut 300 Kilometer entfernt, nach Norwegen sind es 500 Kilometer. Die Einwohner sprechen Färingisch und Dänisch. Rund ein Drittel der Menschen lebt in der Hauptstadt Tórshavn. Die Färöer gehören wie Grönland zu Dänemark, seit 1948 besitzen die Inseln aber eine weitgehende Autonomie.

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      Torwart Jens Martin Knudsen Von Den Färöern während eines länderspiels gegen Belgien im Mai 1993.

      Foto: dpa/picture-alliance

      Ohne Fußball würde die Welt bis heute nicht wissen, dass es die Färöer überhaupt gibt. „Für die werbewirksamste Aktion stellte sich 1990 die Nationalmannschaft Österreichs zur Verfügung“, schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung einmal. Die Färöer gewannen in einem EM-Qualifikationsspiel gegen Österreich 1:0 – und plötzlich wusste fast jeder, was und wo die Färöer sind. Die Medien hatten weltweit davon berichtet, dass eine Gruppe Walfänger, Lehrer, Schafhirten, Eisverkäufer und Fischer eine Profimannschaft besiegt hatte. Und der Torwart – der Torwart hatte eine Zipfelmütze getragen. Das machte die Schmach für die Österreicher noch größer: Sie hatten gegen eine Mannschaft verloren, deren Keeper eine Pudelmütze trug.

      Dieser Torwart hieß Jens Martin Knudsen. Knudsen, das klingt niedlich, wie Knut, der Eisbär, oder wie knuddeln. Die Färinger waren ein Fußball-Zwerg zum Liebhaben. Zunächst dachte man, Knudsen habe die Mütze nur deshalb getragen, weil es eben saukalt gewesen ist an diesem Septembertag im Jahr 1990 – das Spiel fand in Landskrona in Schweden statt, weil die Färöer keinen Rasenplatz besaßen, der den FIFA-Regeln entsprach. Tatsächlich aber hatte die Mütze eine andere Geschichte: Als Jens Knudsen 14 war, hatte er sich den Kopf ganz heftig angehauen, vermutlich an einem Stein, Bäume wachsen auf den Färöer eher selten. Weil der Junge weiter Fußball spielen wollte, riet man ihm, einen Helm zu tragen. Das wollte Knudsen nicht, und seine besorgte Mutter sagte daraufhin: „Dann trag doch wenigstens eine Mütze.“

      Das tat er, und er trug sie weiter, als es längst nicht mehr notwendig war, weil der Kopf wieder in Ordnung war. Sie wurde sein Markenzeichen und ein Symbol für die aufmüpfigen und liebenswerten Wikinger aus dem Nordatlantik. Die Mutter verkaufTe später viele Knudsen-Pudelmützen an viele Knudsen-Fans.

      Sie waren nicht wirklich besser gewesen, damals in Landskrona. Aber die Profis Polster, Herzog und Pacult vergaben ihre Chancen, und Jens Martin Knudsen, damals Gabelstaplerfahrer in einer Fischfabrik in Runavík, hielt seinen Kasten sauber. Nach einer Stunde wagten sich die Färinger auch mal in die Hälfte der Österreicher, und Torkil Nielsen schoss das 1:0. Schade für Nielsen, dass er keine Mütze trug – an ihn erinnert sich keiner mehr außerhalb von den Färöern und Österreich, an Knudsen schon. Die Färinger retteten die Führung über die Zeit, und als das Spiel „vorbei war, da wurde es in der Hauptstadt Tórshavn nur zögerlich laut“, schrieb der Tagesspiegel. „Erst lange nach Spielschluss liefen die Menschen auf die Straßen. Es wurden immer mehr, viel mehr, sie umarmten sich und feierten die Nacht hindurch. Sie hatten es wirklich begriffen. Ein Holzhändler namens Torkil Nielsen aus Sandavágur, der zwei Tage zuvor zum ersten Mal Vater geworden war, hatte die Färöer mit seinem Tor auf die Weltkarte geschossen.“

      Und die Österreicher? Die, die damals dabei waren, werden die Niederlage nicht mehr los. Trainer war Josef Hickersberger, der in Österreich Pepi gerufen wird. Hickersberger hatte eine schöne Karriere als Spieler hinter sich, er war Profi bei Fortuna Düsseldorf und Mitglied jener österreichischen Mannschaft, die Deutschland 1978 in Córdoba besiegte. Hickersberger wird stets mit beiden Ereignissen in Verbindung gebracht – oder er tut es gleich selbst. Vor der EM 2008, die in Österreich und der Schweiz stattfand, wurde er von der seriösen Zeitung Standard interviewt; er war zu dieser Zeit wieder Nationaltrainer Österreichs.

      „Ich bin kein Statistiker, ich bin Fußballtrainer“, sagte er da. „Die außergewöhnlichen Ergebnisse merke ich mir: Dass Österreich in Córdoba 3:2 gewonnen hat, und dass der Josef Hickersberger gegen die Färöer-Inseln 0:1 verloren hat auch.“

      Standard: „Das Thema wollte ich gar nicht anschneiden.“

      Hickersberger: „Tun Sie nur, aus solchen Niederlagen lernt man am meisten. Demut vor allem, und das ist das Wichtigste. Du kannst im Fußball selbst gegen Schafhirten, Angler, Fischer verlieren.“

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      6 Juni 2007: Blick in das 7.000 Zuschauer fassende Svangaskarð-Stadion in Toftir, wo sich die Nationalmannschaften der Färöer und schottlands (0:2) im EM-Qualifikationsspiel gegenüberstehen.

      Foto: dpa/picture-alliance

      Standard: „Natürlich. Natürlich.“

      Hickersberger: „Aber wir haben bei der EM bessere Chancen als die Färöer.“ (Die spielten gar nicht mit; Anm. des Autors).

      Die Österreicher blamierten sich 18 Jahre nach dem legendären 0:1 noch einmal gegen die Färöer. Der EM-Gastgeber von 2008 kam in der Qualifikation zur WM 2010 in Tórshavn nicht über ein 1:1 hinaus. Wieder war Österreich überlegen, und wieder gelang den Färingern die Führung: Bogi Lokin traf in der 47. Minute. Doch diesmal reichte es wenigstens zu einem Unentschieden. Martin Stranzl schoss das Tor für die Gäste – jener Stranzl, der später Verteidiger bei Borussia Mönchengladbach wurde. Und auch RB Salzburg hat auf den Färöern schon verloren. Ein Qualifikationsspiel zur Champions League endete

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