Die unhaltbare Pudelmütze. Gerhard Fischer

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Die unhaltbare Pudelmütze - Gerhard Fischer

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ohne Abwehrchance.

      Knudsen spielte ohne Mütze. Der frühere Gladbacher Allan Simonsen, der die Färöer zwischen 1994 und 2002 trainierte, hatte ihm die Kopfbedeckung ausgeredet. Ein Torwart mit Pudelmütze – da würde das ganze Team nicht ernst genommen, meinte Simonsen. Er fand also, eine Pudelmütze sei für einen seriösen Torwart unhaltbar.

      Das 2:2 war glücklich für die Schotten. „Ich bin enttäuscht“, sagte Henrik Larsen, der Trainer der Färöer. Larsen war mal dänischer Nationalspieler. 1992 wurde er Europameister, mit einem Sieg gegen die favorisierte deutsche Mannschaft, die von Vogts trainiert wurde. Diesmal waren die Färinger die Dänen und die Schotten die Deutschen – die einen waren flink und kreativ, die anderen waren es nicht. Sie hatten größere Chancen als die Schotten, die in der ersten Halbzeit „so unbeweglich wirkten, als hätten sie zum Mittagessen Eisenstangen verspeist“, schrieb die Süddeutsche Zeitung.

      Nach dem Schottland-Spiel forderten britische Zeitungen die Ablösung von Vogts, und ein Blatt titelte: „Lehrer bestraft Berti“. John Petersen, der die beiden Tore gegen Schottland erzielt hatte, war in seinem echten Leben Lehrer. Er unterrichtete an einer Grundschule in Tórshavn Erdkunde, Färingisch und Sport. Beim zweiten Tor gegen die Schotten drosch er den Ball volley ins Tor – nach einer Flanke, die die Schotten völlig unterschätzt hatten. War da auch der berüchtigte Färöer-Wind auf seiner Seite? „Das ist nicht wahr“, sagte Petersen später in einem Interview, „gegen Schottland war es kaum windig. Es mag zwar sein, dass wir besser mit dem Wind umgehen können, und vielleicht berechnete ich instinktiv das bisschen Wind mit ein, weil wir das hier so lernen, aber wir waren gegen die Schotten die bessere Mannschaft und sehr enttäuscht.“

      Die Färöer hatten in ihrer Anfangsformation bloß einen Profi: Angreifer Christian Jacobsen von Vejle BK in Dänemark. Alle anderen spielten in den zehn Mannschaften der ersten Liga auf den Färöern. Sie bekamen zwischen 1.000 und 10.000 dänische Kronen (130 und 1.300 Euro) im Monat und arbeiteten zumindest halbtags in anderen Berufen – als Lehrer, Bäckermeister, Fischer, Schafzüchter. Wenn die Spieler in die Disko gingen, mussten sie nicht in der Schlange warten. Und manchmal mussten sie auch für das Bier nicht zahlen, weil der Wirt sie einlud. Solche Kleinigkeiten provozierten schon mal Neid. Ein Nationalspieler erhielt 120 Euro Spesen pro Tag, 500 für einen Punkt. „Das ist okay“, sagte John Petersen, der Doppeltorschütze gegen Schottland. „Für einen Sieg bekommen wir 1.300 Euro, was leider selten passiert. Zum Glück müssen wir davon nicht leben.“ Geld ist trotzdem nicht so wichtig. Spaß ist wichtiger. „Wir lieben es zu spielen“, sagte Jákub Borg. „Wir freuen uns auf jedes Spiel. Wir sind wie große Kinder.“ Kinder haben Vorbilder. Borgs Idol ist Lothar Matthäus.

      Jákup Borg hatte den lustigsten Job: Er verkaufte Eis. Dazu muss man wissen, dass auf den Färöern nicht nur ein kräftiger Wind bläst und oftmals dichter Nebel herrscht – es ist auch nicht sonderlich warm. Im „heißesten“ Monat des Jahres beträgt die Durchschnittstemperatur bloß elf Grad Celsius. „Es ist ein harter Job, hier Eis zu verkaufen“, sagte Borg. Er war der Beste bei diesem Länderspiel, alles, was er machte, hatte Hand und Fuß, und natürlich war er an den Toren beteiligt. Beim 2:2 gegen Schottland hat Borg Flanken geschlagen, als hätte ein Zirkel ihre Flugbahn gezogen. Als Borg 18 war, holte ihn der FC Liverpool zum Probetraining. Borg war zweimal dort, und am Ende sagten die Briten: sorry. In Dänemark oder Norwegen hätte er später unterkommen können, aber private Dinge hielten ihn seinerzeit im Nordatlantik.

      Die erste Liga der Färöer, die es seit 1942 gibt und seit 2012 Effodeildin (benannt nach dem Sponsor Effo, einem Energieunternehmen) heißt, umfasst zehn Mannschaften. Im Schnitt kommen 700 Zuschauer, zu Spitzenspielen 2.000 bis 2.500. Der Rekord wurde beim Pokalfinale des Jahres 2003 aufgestellt: 5.200 Zuschauer sahen Tórshavn gegen Gøta, das ist beachtlich, wenn man bedenkt, dass nur 49.000 Menschen auf den Färöern leben. Zu Ligaspielen müssen die Mannschaften also ab und zu mit dem Boot anreisen. Zur südlichsten Insel dauert die Fahrt von Tórshavn aus zwei Stunden.

      Dennoch: Der Ligabetrieb ist zweitrangig – die größte Aufmerksamkeit gehört der Nationalmannschaft.

      Bereits 1930 haben färingische Kicker Auswärtsspiele bestritten – auf Island und auf den Shetland-Inseln. Sie haben immer verloren. Aber sich eben nie entmutigen lassen.

      Noch in den 1960er Jahren nahmen die Färinger 22-stündige Überfahrten auf schwankenden Fähren in Kauf, um gegen die Mannschaften Grönlands oder der Shetland-Inseln zu kicken. Das Ergebnis war Nebensache, hinterher wurde mit dem Gegner gefeiert, und „als vorbereitendes Training diente ein Kick auf zwei Heringskisten am Hafenkai“, schrieb die Frankfurter Allgemeine.

      Seit 1988 bestreitet die färingische Nationalelf offizielle Länderspiele, seit 1990 nimmt sie an EM- und WM-Qualifikationen teil. Anfangs waren die Leute auf den Färöer dagegen, sie dachten, ihr Team würde sich blamieren. Nach dem 1:0 gegen Österreich verstummten sie. Der Fußball, zuvor schon populärster Sport auf den Färöern, erlebte einen Boom – für färingische Verhältnisse.

      Die Fußballer, auch die Nationalspieler, sind daran gewöhnt, dass ihnen beim Training nur ein paar Schafe zuschauen. Sie haben auch keine gesponserten Limousinen, sondern bilden Fahrgemeinschaften. Ein paar kommen im Fiesta, ein paar im Astra, „und ihre Fußballschuhe tragen sie in Jutebeuteln unterm Arm“, schrieb die FAZ. Es seien lauter sympathische, fröhliche Burschen mit „großen Herzen“, sagte ihr früherer dänischer Trainer Henrik Larsen einmal. Es ist kein Wunder, dass sie fröhlich sind. „Für die Färöer zu spielen, ist wirklich ein netter Job: Man kann nur gewinnen“, so Torwart Knudsen.

      „Für unsere Leute sind wir die Helden“, erzählte John Petersen, der Doppeltorschütze beim 2:2 gegen die Schotten. „Unsere Kinder tragen Trikots mit unseren Namen drauf, und die muss ich dann unterschreiben. Ich verschenke aber in der Schule keine Trikots mehr. Das habe ich einmal gemacht, und da wollten gleich alle 600 Schüler welche haben. Und die Trikots, die ich von Gegnern nach dem Spiel kriege, die behalte ich sowieso für mich.“

      Die Färinger fühlen sich als große Familie. Man hält zusammen, Verbrechen gibt es kaum. In den Gefängnissen sitzen fast nur Betrunkene. „Wer nicht nach Hause findet“, heißt es, „übernachtet im Polizeipräsidium.“

      „Wenn du ins Ausland gehst“, sagte Hjalgrím Elttør, ein Fußballer, „dann fühlst du dich ziemlich allein.“ Außerdem sei es zu Anfang merkwürdig, immer auf richtigem Gras zu spielen. „Manchmal dachte ich: Du läufst wie eine Kuh.“

      Viele, die im Ausland spielten, seien schnell wiedergekommen, erklärte John Petersen. „Vielleicht sind wir Färinger einfach sehr heimatverbunden.“ Petersen sagte, er kenne wohl alle 49.000 Menschen, die auf den Färöern leben. Das ist schön, aber auch problematisch – wie in einem Dorf in Deutschland kontrolliert man sich gegenseitig. „Ich musste immer vorsichtig sein, was ich wann mache, ich war ja Vorbild, besonders die Jugendlichen schauten zu mir auf. Ich habe es schon erlebt, dass ich abends in der Kneipe zwei Bier getrunken habe, und am nächsten Tag sagten die Leute: Der Petersen war besoffen.“

      Wenigstens berichtet die größte Zeitung – sie heißt Sosialurin – nicht über solche Geschichten. „Die Zeitung schreibt nie über unser Privatleben“, sagte Petersen in einem Interview. „Die Menschen hier mögen solche Geschichten auch gar nicht lesen. Außerdem kennt die Reporter auch jeder; wenn die dummes Zeug schreiben, kriegen die selbst Ärger. Abgesehen davon wüssten es eh alle am nächsten Tag, wenn ich mal betrunken wäre.“

      Petersen passierte das jedes Jahr, dass „ich mal bei einem großen Fest wie einer Hochzeitsfeier einen über den Durst trinke. Wenn ich zwei Wochen später bei einem Ligaspiel nicht gut war, schimpften die Leute über mich.“ Auch auf den Färöern gebe es Menschen, die eifersüchtig auf den Erfolg der Fußballer seien, und manche würden sogar „böse Gerüchte über Spieler gegnerischer Klubs streuen,

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