Der Traum von Mann und Frau. Osho
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Die Überlieferung vom Geheimnis der Goldenen Blüte soll auf Lu Yen zurückgehen. Lu Yen selbst schreibt sie dem Meister Kuan Yiu-hsi zu, für den Laotse sein Tao Te King geschrieben haben soll. Auf diese Weise also ist die Überlieferung von der Goldenen Blüte mit Laotse verbunden.
Dieses Buch vom Geheimnis der Goldenen Blüte ist eine der ewigen Quellen, durch die man wieder lebendig werden kann, durch die man wieder die Pforte zum Ewigen finden kann.
Meister Lu Tsu sagt:
Das durch sich selbst Seiende nennt man das Tao.
Das Wort Tao bedeutet im Grunde „der Weg“. Über das Ziel kann nichts gesagt werden. Das Ziel bleibt ungreifbar, unsagbar, unaussprechbar. Aber über den Weg lässt sich etwas sagen. Daher haben die Taoisten niemals Worte wie „Gott“, „die Wahrheit“, „Nirvana“ benutzt; ihr Wort ist einfach „der Weg“. Buddha sagt: „Die Buddhas können euch nur den Weg weisen. Wenn ihr dem Weg folgt, werdet ihr zur Wahrheit gelangen.“
Die Wahrheit muss deine eigene Erfahrung sein. Niemand kann die Wahrheit definieren, aber den Weg kann man definieren, der Weg dahin kann erhellt werden. Der Meister kann dir die Wahrheit nicht geben, aber der Meister kann dir den Weg zeigen. Und wenn der Weg einmal da ist, dann brauchst du ihn nur noch zu gehen. Das hat vom Schüler aus zu geschehen. Ich kann nicht für euch gehen und ich kann nicht für euch essen. Ich kann nicht für euch leben und ich kann nicht für euch sterben. Das alles muss man schon selber tun. Aber ich kann euch den Weg zeigen. Ich bin den Weg gegangen. Tao bedeutet einfach „der Weg“.
Das durch sich selbst Seiende nennt man das Tao.
Diese Definition ist wunderschön. Lu-Tsu sagt: „Das, was durch sich selbst existiert, das, was von niemandem unterstützt werden muss, das, was schon immer existiert hat, ob du seinem Lauf nun folgst oder nicht …“
Ob jemand seinem Lauf folgt oder nicht, ist völlig belanglos. Tatsächlich folgt die ganze Existenz seinem Lauf, ohne sich dessen bewusst zu sein. Wenn du ihm bewusst zu folgen vermagst, wird dein Leben ein großer Segen sein. Wenn du ihm unbewusst folgst, dann wirst du immer wieder stolpern, dann kannst du dich nicht so daran erfreuen, wie du es solltest. Zum Beispiel kann man jemanden in einen Garten bringen. Vielleicht ist er betrunken oder im Koma oder unter Chloroform. Man kann ihn in den Garten bringen, er ist bewusstlos. Der Vogelgesang wird von seinen Ohren gehört werden, aber er weiß es nicht. Der Duft der Blumen dringt mit dem Wind an seine Nase, aber er weiß es nicht. Die Sonne wärmt ihn und schickt ihm ihr Licht, aber er merkt es nicht. Die Lüfte streicheln ihn, aber er merkt es nicht. Vielleicht legt man ihn in den kühlen Schatten eines Baumes, aber er weiß nichts davon. Genau so ist der Mensch.
Wir sind im Tao, denn wo könnten wir sonst auch sein? Leben heißt, auf dem Weg sein. Leben heißt, in Gott leben. Atmen heißt, in Gott atmen. Wo sonst könnten wir sein? Aber so wie der Fisch im Ozean lebt und den Ozean total vergisst, so leben wir im Tao und haben das Tao total vergessen. Tatsächlich vergessen wir es nur deshalb, weil es so selbstverständlich ist. Der Fisch kennt den Ozean ganz genau, er wurde in ihm geboren, er hat ihn niemals verlassen. Er nimmt ihn als gegeben hin, deshalb ist der Fisch sich des Ozeans nicht bewusst.
Wir sind auf dem Weg, wir sind in Gott, wir leben im Tao, durch das Tao, aber wir sind uns dessen nicht bewusst. Das Tao existiert, denn ohne das Tao wüchsen die Bäume nicht, zögen die Sterne nicht ihre Bahn, zirkulierte das Blut nicht in unseren Adern, gäbe es kein Ein- und Ausatmen. Das Leben würde vergehen.
Leben ist nur möglich, wenn ein grundlegendes Gesetz es zusammenhält. Leben ist nur möglich, wenn es etwas gibt, das es trägt. Betrachtet die unermessliche Ordnung in der Existenz! Sie ist kein Chaos, sie ist ein Kosmos. Was macht sie zum Kosmos? Warum gibt es so viel Harmonie? Es muss eine Gesetzmäßigkeit geben, die die Harmonie aufrechterhält, in Gang hält, alles miteinander abstimmt. Aber davon wissen wir nichts. Wir wissen nichts von unserem eigenen Sein, und durch unser Sein sind wir mit dem Tao verbunden.
Das Tao hat weder Namen noch Form. Es ist das eine
Wesen, der eine Urgeist.
Es ist der Ozean des Lebens, der uns umgibt. Es ist innen und außen – die pure Essenz. Es ist die Existenz, es ist der Urgeist. Es ist die Existenz, es ist der ursprüngliche Geist. Kein Name kann es enthalten. Alle Namen sind sein Name. Und das Tao hat keine besondere Form, denn alle Formen sind die Form des Tao. Das Tao existiert in Millionen von Formen. Im Baum ist es grün, in seiner Blüte ist es rot. Im Menschen ist es Mensch, im Fisch ist es Fisch. Es ist die gleiche Gesetzmäßigkeit. Man kann das Wort Tao durch Gott ersetzen, und es wäre dasselbe. Was Christen und Muslime Gott nennen, nennen die Taoisten Tao. Die Buddhisten nennen es dharma. Die Griechen pflegten es Logos zu nennen, aber sie meinen dasselbe. Kein Name kann es enthalten; oder: Es kann durch jeden beliebigen Namen ausgedrückt werden.
Die Essenz und das Leben kann man nicht sehen.
Sie sind enthalten im Licht des Himmels.
Das Licht des Himmels kann man nicht sehen,
es ist enthalten in den beiden Augen.
Die Form kann man sehen, den Körper kann man sehen – der Körper ist die Form, die Substanz, die das Wesen, die Essenz umgibt – aber das Wesen kann man nicht sehen. Die Essenz ist nicht mit Augen zu sehen, nicht mit Sinnen zu erfassen. Sie muss unmittelbar gespürt werden, nicht durch ein Mittel. Ihr seht meinen Körper, ich sehe euren Körper – es geschieht durch ein Medium. Meine Augen teilen mir mit, dass ihr hier seid, eure Augen teilen euch mit, dass ich hier bin. Aber wer weiß?
Die Augen können täuschen, und manchmal täuschen sie. In der Dunkelheit der Nacht kannst du ein Seil für eine Schlange halten, und wenn du es für eine Schlange hältst, dann wirkt es auf dich wie eine Schlange: Du kriegst Angst, du läufst davon. Oder du siehst in der Wüste eine Oase, die gar nicht da ist, die nur eine Projektion ist, weil du so durstig bist, dass du dir wünschst, sie wäre da, also schaffst du sie dir. Die Augen täuschen uns auf vielerlei Weise. Also – wer weiß? Wenn die Wahrheit durch ein Medium erfahren wird, wird sie immer suspekt, zweifelhaft bleiben. Dann kann sie keine Gewissheit werden, kann sie keine absolute Gewissheit werden. Und eine Wahrheit, die keine absolute Gewissheit ist, ist überhaupt keine Wahrheit. Die Wahrheit muss absolut gewiss sein, sie kann nicht „in etwa“ gewiss sein. Es gibt also nur eins: Die Wahrheit muss ohne jegliches Hilfsmittel erkannt werden, direkt, unmittelbar. Man muss sie ohne alle Sinne erkennen. Und nur so wird sie auch erkannt: Leben kann man nicht sehen, aber man kann es fühlen. Es ist eine subjektive Erfahrung, kein Objekt.
Die Essenz und das Leben kann man nicht sehen.
Sie sind enthalten im Licht des Himmels.
Das Licht des Himmels kann man nicht sehen.
Es ist enthalten in den beiden Augen.
Ihr habt diese beiden Augen. Für den Taoisten sind diese beiden Augen äußerst bedeutsam. Erst die moderne Wissenschaft war in der Lage, die Wahrheit hierin zu erkennen. Diese beiden Augen sind nicht nur die sichtbaren Augen. Diese beiden Augen stehen für das Männliche und das Weibliche in euch. Heute sagt die moderne Wissenschaft, dass das Gehirn des Menschen in zwei Hemisphären unterteilt ist, und dass die eine Hemisphäre männlich und die andere Hemisphäre weiblich ist.
Die rechte Seite eures Gehirns ist weiblich, und die linke Seite eures Gehirns männlich. Das eine Auge repräsentiert also den Mann in euch und das andere repräsentiert die Frau in euch. Und wenn sich euer innerer