Zu Vermieten. John Galsworthy

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Zu Vermieten - John Galsworthy страница 19

Автор:
Серия:
Издательство:
Zu Vermieten - John Galsworthy Forsyte

Скачать книгу

Strömungen an der Kunstbörse wenig beeinflusst. Soames öffnete die Tür zum Empfangszimmer. Der Raum war staubfrei, die Möbel unbedeckt, die Vorhänge zurückgezogen – ganz so, als ob seine Tanten dort noch immer säßen und geduldig warteten. Und es kam ihm ein Gedanke: Wenn Timothy sterben würde – warum nicht? Bestünde nicht fast eine Pflicht, dieses Haus zu erhalten – wie das Haus von Thomas Carlyle – und eine Tafel aufzustellen und es zu zeigen? »Musterbeispiel einer mittelviktorianischen Wohnung – Eintritt ein Shilling, inklusive Katalog.« Immerhin war es das Vollständigste und vielleicht auch das Überholteste im heutigen London. Vollkommen in seinem speziellen Geschmack und seiner Kultur, das hieß, wenn er die vier Bilder der Barbizon-Schule, die er ihnen geschenkt hatte, abnahm und seiner eigenen Sammlung hinzufügte.

      Die noch immer himmelblauen Wände, die grünen, mit roten Blumen und Farn gemusterten Vorhänge, der bestickte Kaminschirm vor dem gusseisernen Feuerrost, die Mahagonianrichte mit Glasfenstern, voll mit lauter kleinem Nippes, die perlenbesetzten Schemel, Keats, Shelley, Southey, Cowper, Coleridge, Der Korsar von Lord Byron (aber sonst nichts von ihm) und die viktorianischen Dichter im Bücherregal, der mit mattrotem Plüsch ausgelegte Marketerie-Schrank, gefüllt mit Familienreliquien: Hesters erster Fächer, die Schnallen der Schuhe des Vaters ihrer Mutter, drei Skorpione in Flaschen und ein sehr gelber Elefantenstoßzahn, den Großonkel Edgar Forsyte, der im Jutehandel tätig gewesen war, aus Indien geschickt hatte, ein aufgestelltes Blatt Papier mit spinnenartiger Schrift darauf, die Gott weiß was berichtete!

      Und die Bilder, die die Wände füllten – alles Aquarelle außer jenen vier Barbizon-Bildern, die hier wie die Ausländer wirkten, die sie waren, und fragwürdige noch dazu – heitere und anschauliche Bilder, Telling the Bees, Hey for the Ferry! und zwei im Stile Friths, mit Becherspiel und Reifröcken, die Swithin ihnen geschenkt hatte. Ach, viele, viele Bilder, die Soames tausende Male mit verächtlicher Faszination angestarrt hatte, eine wundervolle Sammlung glänzender, glatter Goldrahmen.

      Und der Boudoir-Flügel, schön abgestaubt, hermetisch verschlossen wie immer, und Tante Juleys Album mit gepresstem Seegras. Und die Stühle mit den vergoldeten Beinen, die stärker waren, als sie aussahen. Und auf einer Seite des Kamins das Sofa aus karmesinroter Seide, auf dem Tante Ann und nach ihr Tante Juley immer gesessen hatte, kerzengerade, das Gesicht zum Licht. Und auf der anderen Seite der einzige wirklich bequeme Stuhl, mit dem Rücken zum Feuer, für Tante Hester.

      Soames kniff die Augen zusammen, ihm schien, als würde er sie dort sitzen sehen. Ach, und die Atmosphäre! – auch jetzt noch, von zu vielem Krimskrams und gewaschenen Spitzenvorhängen, Lavendel in Säckchen und getrockneten Bienenflügeln. Nein, dachte er, so etwas gibt es nirgendwo sonst mehr, es sollte bewahrt werden. Und, Gott, die Leute mochten darüber lachen, aber was den Standard vornehmen Lebens anbetraf, von dem niemals abgewichen wurde, den Anspruch, Haut, Augen, Nase und Gefühl anzusprechen, da übertraf das die heutige Zeit bei Weitem – die heutige Zeit mit U-Bahnen und Autos, ununterbrochenem Gerauche, Mädchen, die mit überschlagenen Beinen und bloßem Nacken dasaßen, sodass man bis zu den Knien hinauf und bis zur Taille hinunter sehen konnte, wenn man es wollte (schön für den Satyr, der in jedem Forsyte steckte, aber kaum seine Vorstellung von einer Dame), und die noch dazu beim Essen die Füße um die Stuhlbeine schlangen und immer dieses »Macht’s gut!« und diese Art zu reden und ihr Gelächter – Mädchen, die ihn erschaudern ließen, wenn er daran dachte, dass Fleur Kontakt zu ihnen hatte, und die älteren patenten Frauen mit ihrem harten Blick, die im Leben zurechtkamen und ihn ebenfalls erschaudern ließen.

      Nein! Seine alten Tanten, wenn sie auch nie ihre geistigen Hori­zonte, ihre Augen oder auch kaum ihre Fenster geöffnet hatten, hatten zumindest Manieren und Niveau gehabt, und Ehrfurcht vor Vergangenheit und Zukunft.

      Mit einem Gefühl der Beklemmung schloss er die Tür und schlich leise die Treppe hinauf. Auf dem Weg nach oben sah er in einen der Räume: Hm! Perfekt erhalten im Stil der 1880er, mit einer Art gelbem Ölpapier an den Wänden. Oben an der Treppe zögerte er zwischen vier Türen. Welche davon war die zu Timothys Zimmer? Und er lauschte. Ein Geräusch wie das eines Kindes, das langsam ein Steckenpferd über den Boden zog, drang zu seinen Ohren. Das musste Timothy sein! Er klopfte und eine Tür wurde von Smither geöffnet, die sehr rot im Gesicht war.

      Mr Timothy mache gerade seinen Spaziergang und sie habe ihn nicht dazu bringen können, ihr Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn Mr Soames ins Hinterzimmer kommen wolle, könne er ihn durch die Tür sehen.

      Soames ging ins Hinterzimmer und beobachtete ihn.

      Der letzte der alten Forsytes war auf den Beinen und bewegte sich mit beeindruckender Langsamkeit und einer Ausstrahlung vollkommener Konzentration auf seine eigenen Angelegenheiten zwischen Bettende und Fenster hin und her, eine Strecke von gut drei Metern. Der untere Teil seines eckigen Gesichtes war nicht mehr glattrasiert, sondern von einem schneeweißen Bart bedeckt, der so kurz wie möglich geschnitten war, und sein Kinn sah so breit wie seine Stirn aus, über der das Haar auch ziemlich weiß war, während seine Nase, Wangen und Stirn recht gelblich waren. In der einen Hand hielt er einen dicken Stock, mit der anderen umfasste er den Stoff seines wollenen Morgenrocks, unter dem seine Knöchel in Bettsocken und seine in wollenen Hausschuhen steckenden Füße hervorschauten. Sein Gesichtsausdruck war der eines wütenden Kindes, das etwas wollte, was es nicht bekam. Jedes Mal, wenn er sich umdrehte, stieß er mit dem Stock auf und zog ihn dann hinter sich her, als wolle er zeigen, dass er ihn gar nicht brauchte.

      »Er sieht immer noch kräftig aus«, flüsterte Soames.

      »Oh ja, Sir. Sie sollten ihn sehen, wenn er sein Bad nimmt – es ist wundervoll, er genießt es so sehr.«

      Diese recht lauten Worte brachten Soames zu einer Erkenntnis. Timothy war wieder auf dem Stand eines Kleinkindes.

      »Zeigt er denn Anteil an den Dingen im Allgemeinen?«, sagte er ebenfalls laut.

      »Aber ja, Sir! Am Essen und an seinem Testament. Es ist schon ein Anblick, ihn so zu sehen, wie er es wieder und wieder umdreht, natürlich nicht, um es zu lesen, und hin und wieder fragt er nach dem Preis von Staatsanleihen und ich schreibe es ihm auf eine Schiefertafel – ganz groß. Natürlich schreibe ich immer dasselbe, wie sie standen, als er das letzte Mal Notiz davon nahm, 1914. Wir haben den Arzt dazu gebracht, ihm zu verbieten, die Zeitung zu lesen, als der Krieg ausbrach. Oh, anfangs hat er sich fürchterlich darüber aufgeregt! Aber dann hat er sich schnell wieder beruhigt, weil er wusste, dass es ihn ermüdete, und es ist ein Wunder, wie er mit seiner Energie haushaltet, wie er es immer genannt hat, als meine lieben Herrinnen noch lebten, Gott habe sie selig! Wie er doch deswegen immer mit ihnen geschimpft hat, sie waren ja immer so rührig, wenn Sie sich erinnern, Mr Soames.«

      »Was würde passieren, wenn ich zu ihm hineingehen würde?«, fragte Soames. »Würde er mich erkennen? Ich habe sein Testament erstellt, wissen Sie, nach Miss Hesters Tod 1907.«

      »Ach, Sir«, erwiderte Smither zweifelnd, »dass kann ich nicht sagen. Ich halte es für möglich, er ist wirklich ein wundervoller Mann für sein Alter.«

      Soames trat in die Tür, wartete darauf, dass Timothy sich umdrehte, und sagte mit lauter Stimme: »Onkel Timothy!«

      Timothy ging die Strecke zur Hälfte zurück und blieb dann stehen.

      »Eh?«, sagte er.

      »Soames«, rief Soames so laut er konnte und streckte die Hand aus, »Soames Forsyte!«

      »Nein!«, sagte Timothy, stieß mit seinem Stock laut auf den Boden und ging weiter.

      »Scheint nicht zu funktionieren«, sagte Soames.

      »Nein, Sir«, erwiderte Smither ziemlich niedergeschlagen. »Wissen Sie, er ist eben noch nicht fertig mit seinem Spaziergang. Bei ihm galt immer: eins nach

Скачать книгу