Engadiner Abgründe. Gian Maria Calonder

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Engadiner Abgründe - Gian Maria Calonder

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Kissen aussah, nur seine Füße und der Kopf sahen heraus, beides feuerrot. Die Stirn kühlte eine Kompresse, seine Augenlider flatterten, und er winselte fast ununterbrochen.

      »Oh, das sieht aber gar nicht gut aus«, stellte Capaul fest. »Müsste er nicht ins Spital?«

      »Rudi holt gerade Medikamente«, erklärte Annamaria. »Wir haben mit der Notfallzentrale telefoniert, die Spitäler sind überfüllt mit Leuten, die auf dem Schnee ausgerutscht oder mit dem Auto geschlittert und irgendwo reingekracht sind. Sie haben explizit darum gebeten, dass wir Rainer zu Hause pflegen. Man kann sowieso nicht viel tun, er hat einen Sonnenstich. Einen Suff und einen Sonnenstich.«

      Sie tauschte die Kompresse aus, und als der Alte würgte, stellte sie einen emaillierten Nachttopf aufs Bett und wollte ihm hochhelfen. Doch er wehrte sich überraschend heftig, und nachdem sie ihn erschreckt hatte fahren lassen, fiel er willenlos wie eine abgetane Sau ins Kissen zurück und röchelte zwar, doch das Würgen immerhin blieb aus.

      »Kann ich helfen?«, fragte Capaul. »Man könnte ihm die Beine mit Alkohol einreiben und mit einem rauen Tuch frottieren.«

      Annamaria sah ihn überrascht, vielleicht auch einen Hauch amüsiert an. »Was sind das denn für Methoden?«

      »Keine Methoden, nur ein Gefühl, dass ihm das helfen könnte.«

      »Haben Sie noch mehr solche Gefühle?«

      Statt darauf zu antworten, sagte er: »Was ich nicht verstehe, ist, warum er heimlich trinken musste oder wieso er sonst aus der Hütte abgehauen ist.«

      Annamaria suchte nach einer Erklärung: »Er gibt nie unnötig Geld aus. Ich weiß nicht, ob er arm ist, jedenfalls ist er sparsam. Die Flasche Wein hat er bestimmt nicht in der Padellahütte gekauft.«

      »Woher wissen Sie, dass es Wein war?«

      Sie stutzte. »Ich glaube, ich habe die Flasche gesehen. Außerdem, schauen Sie.« Sie schob die Lippen des Alten auseinander, sein Zahnfleisch hatte die typische Rotweinverfärbung. »Die Zunge sieht genauso aus.«

      Capaul spann den Faden von vorhin weiter. »Aber zahlt Rudi nicht für ihn? Und bestimmt hätten viele seinem Onkel eine Runde ausgegeben, nach dem, was ihm gestern passiert ist.«

      Annamaria presste den Mund zusammen und dachte nach, dann schüttelte sie aber den Kopf. »Keine Ahnung, vielleicht hatte er mit Rudi Streit und wollte ihn bestrafen, indem er sich volllaufen ließ. Das würde zu ihm passen. Und die beiden liegen sich eigentlich permanent in den Haaren.«

      »Weswegen?«

      »Ach, wegen allem Möglichen. Manchmal denke ich, es ist nur ein Sport.«

      Capaul betrachtete den Alten. »Warum ist eigentlich seine Kopfhaut so rot? Ist das Sonnenbrand? Hatte er nicht die Mütze auf?«

      Annamaria versuchte sich zu erinnern. »Ich kann nicht sagen, ob er sie noch aufhatte, als ich ihn gefunden habe. Womöglich hat er sie bei der Rettungsaktion verloren, die lief ziemlich ruppig ab. Aber die Füße sind genauso rot, angeblich ist das typisch für einen Sonnenstich. Dafür ist der Körper ganz käsig und kalt, deshalb die Daunendecke.« Kurz sahen sie beide auf den Alten, als würden sie ein Gemälde betrachten, dann sagte sie: »Jetzt möchte ich aber schon gern hören, was Ihr Gefühl vorhin noch gesagt hat.«

      Capaul schüttelte den Kopf. »Nichts Relevantes.«

      »Etwas über mich?« In ihrem Blick war ein Funken Koketterie.

      Ja, er hatte gedacht, dass sie eine Frau war, die sich leicht ausnutzen ließ. »Sollte er nicht sehr viel trinken?«, lenkte er ab. »Wasser, meine ich, oder Suppe?«

      Annamaria erschrak. »Doch, natürlich. Als Sie geklingelt haben, war ich unterwegs in die Küche.«

      Capaul verstand das als Aufforderung zu gehen.

      »Danke, dass Sie mir aufgemacht haben«, sagte er, und zum Alten: »Alles Gute, Herr Pinggera. Ich bleibe dran.«

      Die Lider des Alten zitterten wieder heftig, dann riss er mit einem Ächzen oder mehr Krächzen die Augen auf und warf ihm einen dieser starren, flehenden Blicke zu, wie Capaul sie von Menschen kannte, die der Tod bereits gepackt hält.

      Bernhild nutzte den Großeinkauf, um die Ordnung in ihrer Speisekammer auf den Kopf zu stellen, deshalb hatte sie auch noch nichts gekocht.

      »Soll ich uns eine Pizza holen?«, fragte Capaul.

      »Nicht nötig, Capuns oder Pizochels?«, fragte sie und öffnete den Tiefkühler. »Acht Franken für die Capuns, zehn für Pizochels. Freundschaftspreis.«

      Capaul wählte Pizochels.

      »Man gönnt sich ja sonst nichts«, sagte sie – ob zu ihm oder zu sich, blieb offen – und schob sich auch eine Portion in den Ofen.

      Während Capaul ihr half, die Konservendosen einzuordnen, und die Pizochels im Ofen auftauten, stöhnte sie: »Das war vielleicht eine Aufregung heute. Wobei, für euch von der Polizei ist das ja Alltag. Wie geht es dem Dummkopf?«

      »Er sah nicht gut aus. Aber Annamaria kümmert sich um ihn.«

      »Über die könnte ich dir auch Geschichten erzählen. Sie war mit dem Stadtpräsidenten von St. Gallen liiert – was sage ich liiert, verheiratet. Würde man auch nicht von ihr denken, oder? Willst du wissen, wie es auseinanderging?«

      Capaul antwortete nicht. Er hatte soeben einen Fleck auf sein Hemd gemacht, das erinnerte ihn daran, dass er mit einem Koffer voll Schmutzwäsche angereist war, weil in seiner Wohngruppe in Amriswil alle vor der Abreise noch dringend hatten waschen wollen, und es war nicht seine Art, sich vorzudrängeln. »Gibt es in Samedan einen Waschsalon?«, wollte er wissen.

      »Einen Waschsalon? Wie in Amerika? Nein.«

      »Oder in St. Moritz?«

      »Nein, kann ich mir nicht vorstellen.«

      »Dann dürfte ich vielleicht bei dir waschen?«

      »Dürftest du, wäre die Maschine nicht kaputt. Ich wasche bei meinem Bruder. Meinetwegen kann ich ab und zu ein Hemd von dir reinschmuggeln, aber mehr nicht. Hans bereut schon längst, dass er so nett war.«

      »Aber Handwäsche, das geht?«

      »Nein, bei aller Liebe. Ich will nicht dauernd deine Unterhosen in meinem Bad hängen sehen. Und nasse Wäsche im Zimmer geht schon gar nicht. Der Teppich würde leiden.«

      Er hatte eine Bemerkung zum Teppich auf der Zunge, doch dann fragte er nur: »Was tue ich jetzt?«

      Bernhild zuckte mit den Schultern. »Schlussendlich ist alles eine Frage des Geldes. Für fünfzig Franken pro Nacht kannst du keinen Zimmerservice wie im Kempinski erwarten.«

      »Ich habe nun mal nicht mehr. Ich werde mir eine WG suchen. Aber waschen muss ich jetzt.«

      »Warum eigentlich so geizig? Die anderen Polizisten leisten sich nette Wohnungen, manche ernähren eine Familie. So schlecht könnt ihr nicht bezahlt sein.«

      »Ich stottere ab«, gestand er.

      »Viel?«

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