Bergretter und fesche Dirndl: Wildbach Bergroman Sammelband 6 Romane. Sandy Palmer
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Читать онлайн книгу Bergretter und fesche Dirndl: Wildbach Bergroman Sammelband 6 Romane - Sandy Palmer страница 4
Die Zeit verging. Sie wussten hinterher beide nicht mehr, wie lange sie mitten auf der Wiese gestanden und nach Osten geblickt hatten.
Endlich rissen sie sich los, als der Farbbogen seine intensiven Farben verlor und immer mehr verblasste. Nach einer Viertelstunde erreichten sie den lichten Lärchenwald. Sie wählten einen schmalen Wildwechsel als Weg. Die zahllosen Nadeln der Bäume hatten das viele Regenwasser ohne Schwierigkeiten aufgesaugt und durchsickern lassen. Von den Ästen fielen noch schwere Tropfen, die dunkle Flecken auf den warmen Jacken hinterließen. Trotzdem störten sie die beiden kaum.
»Da wären wir«, meine Raphael, als sie den Wald nördlich des Wildbachs verließen. Nun lag der Hof der Giefners zum Greifen nahe unmittelbar an der tiefen Schlucht, durch die der Bach dem Tal zustrebte. Schon von weitem sah man feinen Wasserdunst aufsteigen. Der Bergbach war durch den heftigen Regen zu einem tosenden Ungeheuer geworden.
Raphael wollte weitergehen. Johanne aber hielt ihn am Oberarm zurück.
»Was ist los?«, fragte der junge Mann überrascht.
»Bitt schön, sei mir net böse, Raphael«, flehte sie, »aber du weißt ja, dass die Väter sich nicht mögen.«
Raphael war nicht dumm. Er verstand sofort, dass sich Johanne ängstigte, man könne sie zusammen sehen. Auf keinen fall wollte er, dass sie Ärger bekam. Er lächelte und legte sanft seine Hände auf ihre Schultern.
»Keine Sorge«, meinte er sanft. »Du hast ja recht. Die beiden Grantier sollen keine Gelegenheit bekommen, sich wieder aufzuregen und alle durcheinanderzubringen. Ist schon recht, Johanne. Ich wünsch dir noch einen schönen Abend.«
»Ich dir auch«, erwiderte sie und schluckte.
Warum fragt er nichts?, flüsterte ihre innere Stimme. Lass ihn net einfach gehen! Nimm endlich deinen Mut zusammen und frag ihn, bevor er davongeht!
Während sie noch innerlich mit sich kämpfte und gegen ihre Schüchternheit rang, kam er ihr zuvor.
»Darf ich dich morgen wiedersehen?«
Über Johannes Rücken rieselte ein wohliger Schauer. Diese Frage hatte sie sich sehnlichst gewünscht. Jetzt, da sie ausgesprochen war, machte sie ihr aber auch Angst.
»Ich ... ich weiß net«, entgegnete sie unsicher.
Raphael zeigte sich keinesfalls enttäuscht oder bestürzt.
»Aber die Väter müssen es doch net wissen«, meinte er schmunzelnd. »Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, sagt man. Also, seh’ ich dich wieder? Ich hätt’ dir noch so viel zu erzählen, was ich alles in München erlebt habe. Oder willst mir gar einen Korb geben? Hast vielleicht einen Freund?«
Johanne schüttelte den Kopf.
»Nein, das ist’s net«, sagte sie hastig. »Aber wie gesagt, wird der Vater gewiss mit mir schimpfen. Ach, was soll’s! Ich muss morgen rauf zum Fernauer Wirt und ihm ein paar Flaschen Selbstgebrannten bringen, die der Vater ihm versprochen hat. Wenn du magst, können wir gemeinsam rauf zum Berggasthof gehen.«
Raphael lächelte. Er war einverstanden und glücklich, dass Johanne zugesagt hatte. Für wenige Augenblicke war in ihm der Verdacht aufgekeimt, dass sie ihn würde abblitzen lassen.
»Und wann willst du losgehen?«
»Um acht Uhr!«
Raphael nickte zustimmend.
»Dann bis morgen in der Früh?«
»Ja«, bestätigte sie. »Um acht Uhr bin ich oben beim Kreuz, wo vor zwanzig Jahren der Pritzner Hans mit seinem Sohn in die Schlucht gestürzt ist. Da warte ich auf dich.«
»Ich werd’ vor dir dasein«, versprach Raphael. Er streckte die Rechte aus. Sie nahm sie und drückte sie. Danach aber machte er keine Anstalten, sie loszulassen.
»Ich muss mich sputen!«
Der junge Mann nickte verstehend. Alles in ihm forderte ihn auf, die hübsche Frau einfach in die Arme zu nehmen und zu küssen. Etwas aber warnte ihn, derart dreist vorzugehen.
»Bis morgen«, erwiderte er leise.
Johanne ging, und sie drehte sich mehrere Male um, um ihm zu winken. Erst, als sie den Felshang erreicht hatte und umrundete, verlor er sie aus den Augen. Es tröstete ihn nicht, dass er sie in wenigen Stunden wiedersehen würde. Und noch weniger ahnte er, wie enttäuscht Johanne war, dass er sie nicht geküsst hatte. Aber morgen war auch noch ein Tag.
2
Das Telefon schlug an. Gähnend beugte sich Peter Finkenthal zur Seite und griff nach dem Hörer. Gelangweilt meldet er sich mit seinem Namen. Am anderen Ende der Leitung war sein Chef Bruno Linderer, der Besitzer des einzigen Sägewerks weit und breit. Seine Stimme klang alles andere als gut gelaunt.
»Morgen früh müssen wir rauf zum Falkeneck und sehen, was noch zu retten ist. Dieser verfluchte Sturm hat große Teile der Fichten an der Nordostflanke geknickt. Der Bernauer Franzl hat mich gerade angerufen. Der Schaden geht in die Tausende. Wir müssen bis zum nächsten Regen bergen, was zu bergen ist. Also, sei pünktlich! Hast du verstanden?«
Peter versprach, sich nicht zu verspäten. Er hatte in letzter Zeit mehrere Male verschlafen. Dadurch war sein Boss nicht besonders gut auf ihn zu sprechen. Einen weiteren Ausrutscher durfte er sich nicht leisten.
Er unterstrich noch einmal, pünktlich zu sein, als sein Chef ihn ein weiteres Mal ermahnte. Wenig später legte er auf.
Der morgige Tag würde ganz schön hart werden. Trotzdem machte es ihm nichts aus. Er war ein kräftiger Bursche, der fest mit anpacken konnte. Wenn die Holzfällerei auch ein verflucht harter Job war, so hatte die Schinderei zumindest am Falkeneck einen besonderen Vorteil. Oben am Hang stand der einsame Giefnerhof, und dort wohnte Johanne. Schon seit Monaten bemühte er sich um die hübsche Frau. Bisher ohne Erfolg. Nur sehr selten kam sie nach Hallgau. Einladungen hatte sie stets mit Ausreden abgewiesen.
Peter Finkenthal galt als nicht besonders intelligent. So merkte er nicht, dass sich seine Kumpane nur über ihn lustig machten, wenn sie ihn abends im Wirtshaus immer wieder aufstachelten, wenn es um Johanne ging
Beim letzten, zufälligen Treffen mit der jungen Frau hatte sie ihm klipp und klar gesagt, dass sie nichts von ihm wolle. Ihr Herz gehörte einem anderen, doch er hatte nicht in Erfahrung bringen können, wer es war.
Das Kreuz werd’ ich ihm brechen, hatte er zornig gedacht und sich wie ein geprügelter Hund getrollt. Das aber war schon eine Weile her. Mit der Zeit fühlte er sich wieder stärker. Gleich morgen gab es bestimmt eine Gelegenheit, Johanne zu treffen.
In zwei Wochen war Jahrmarkttag in Berlingen. Er wollte sie fragen, ob sie ihn vielleicht begleiten wolle. Seine Kumpel würden sich wundern, wenn er Arm in Arm mit ihr im Festzelt der Schützen auftauchte. Er ahnte in diesem Augenblick nicht, dass seine Chancen längst auf Null gesunken waren.
Und so nahm das Schicksal seinen dramatischen Lauf, mit dem keiner im Traum gerechnet hatte.
3