Herzstück Musizieren. Группа авторов

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Herzstück Musizieren - Группа авторов

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Lessing bringt eine neue Denkfigur ins Spiel – den Tanz auf der Schwelle: Er plädiert in seinem Beitrag dafür, das Verhältnis von Unterrichten und Musizieren als grundlegende Antinomie der Instrumentalpädagogik zu begreifen. Erst dann, so Lessing, werde der Blick frei für die zahlreichen weiteren Antinomien des Unterrichtens und für die Möglichkeiten erfüllten Musizierens, diese Antinomien aufzuheben. Dabei sei das Eintreten jener Momente des Musizierens als Schritt über eine Schwelle zu denken, über eine Schwelle, bei der das Erreichen der Ausgangssituation allerdings jederzeit wieder möglich ist: „Als Pole, die einander positiv gegenüberstehen, identifiziere ich einmal ein Unterrichten, das auf eine Musiziersituation hinzielt, sowie zum anderen ein Musizieren, dessen Intensität bei allen Beteiligten einen im Unterricht zu bearbeitenden Verbesserungswillen erzeugt.“

      Bianka Wüstehube schließlich spitzt die Argumentation insofern zu, als sie anhand eines Projekts anschaulich zeigt, wie das Musizieren durchweg den Unterricht dominieren kann: „Von Beginn meiner Unterrichtstätigkeit an ist also das gemeinsame Musizieren im Gruppenunterricht das Herzstück meines musikpädagogischen Tuns. Ich weiß aus langjähriger Erfahrung, dass das Instrument im Musizieren erlernt werden kann – diese Methode sollte oberste Priorität in einem Instrumentalunterricht haben.“ Wüstehube erhebt diese Forderung vor dem Hintergrund einer Rückschau auf die Instrumentalpädagogik der vergangenen 25 Jahre, die unter anderem durch die Impulse der Elementaren Musikpädagogik inspiriert wurde, sich dem Musizieren im Hier und Jetzt zu öffnen. Für den weiteren Weg sei vor allen Dingen das Nachdenken über die pädagogische Grundhaltung der Lehrenden von größter Bedeutung.

      Was bedeuteten diese Überlegungen für die Lehrkräfte und für die Anlage des Lehrens?

      Natalia Ardila-Mantilla betont in ihrem Beitrag, dass es vor dem Hintergrund des Anspruchs, das Musizieren solle das Herzstücks des Unterrichts sein, unbedingt notwendig ist, die unterschiedlichen Zugänge von Lehrkräften zu grundlegenden Lehrinhalten und zu deren Vermittlung zu bedenken: Es macht einen großen Unterschied, wenn etwa Spieltechnik als Voraussetzung oder als inhärenter Bestandteil des Musizierens gesehen oder deren Erwerb eher gezielt durch Übungen oder eher implizit im Spiel von Stücken angestrebt wird.

      Zugleich aber tritt die Autorin entschieden dagegen ein, nun jene „umzupolen“, die von Haus aus scheinbar eine größere Ferne zum Musizieren haben könnten. Dazu verweist sie auf die Differenz, das Aufeinander-angewiesen-Sein und die Transformationen von implizitem und explizitem Wissen und folgert, dass ein „tiefes, lebendiges, differenziertes Verständnis“ vom Phänomen des Musizierens nur möglich sei, „wenn sich Phasen des Handelns und Phasen der Reflexion im Lernprozess abwechseln und die zwei Formen des Lernens einander potenzieren“. Und somit geht es um die Wertschätzung und Nutzung beider Sphären des Lernens, des Lernens im Musizieren und des systematischen, reflexiven Lernens, sowie um offenen Austausch zwischen den VertreterInnen verschiedener musikalischer Praxen und instrumentaler Welten über die je bevorzugte Weise des Lehrens und Lernens.

      Michael Rappe und Christine Stöger richten in ihrem Beitrag den Blick auf die weitgehend außerhalb institutionalisierten Unterrichts entstandene Tanz- und Lernkultur des Breaking. Zunächst fallen vor allem die großen Unterschiede in der Aneignung dieses Tanzes im Gegensatz zum instrumentalen Gruppenunterricht auf. Es handelt sich um eine hochgradig performative Praxis, in der viele der gängigen Unterscheidungen oder sogar kontraproduktiven Dichotomisierungen zwischen Üben und Aufführen, Nachahmen und Erfinden, Lernen und Lehren oder Einzelnem und Gruppe keinen Sinn zu machen scheinen. Das Verhältnis dieser Dimensionen changiert vielmehr je nach Situation und Beteiligten. Gerade in diesem Punkt eröffnen sich Bezüge zu anderen Beiträgen dieses Bandes, in denen das Überwinden des Gegensatzes zwischen sinnerfülltem Musizieren und pädagogisch intendiertem Aufbau von Fertigkeiten und Fähigkeiten thematisiert wird.

      Wie kam es überhaupt zur Idee des Symposiums, was war letztlich die Initialzündung auch für dieses Buch? In der Instrumentalpädagogik ist der Gruppenunterricht ein mittlerweile recht altes Thema: Die wissenschaftliche Instrumentalpädagogik wie auch die instrumentenspezifische Fachdidaktik setzen sich seit vielen Jahren damit auseinander und in vielen Musikschulen ist auch der instrumentale Gruppenunterricht schon lange eine Realität. Dann aber zeigte die empirische Forschung zum JeKi-Projekt in Bezug auf den Umgang von InstrumentallehrerInnen mit dieser Unterrichtsform auf, dass InstrumentallehrerInnen – zumindest unter den JeKi-Bedingungen – nicht immer in der Lage sind, der Gruppensituation in didaktisch-methodischer Hinsicht gerecht zu werden. Aber selbst wenn der Gruppenunterricht didaktisch-methodisch bewältigt wird: Eher selten geraten wohl JeKi-Lehrkräfte mit ihren SchülerInnen in ein gemeinsames Musizieren im Sinne einer sich selbst genügenden und ästhetisch befriedigenden Praxis.

      Daher steht am Beginn der Beiträge jener von Ulrike Kranefeld, ein Beitrag, der im Umfeld der eher normativ oder konzeptionell orientierten Beiträge dieses Buchs die empirische Unterrichtsforschung ins Spiel bringt. Kranefeld arbeitet die beobachtbaren Handlungs- bzw. Orientierungsmuster von Lehrenden heraus und weist darauf hin, dass sich diese in der Realität des Unterrichtens durchdringen. Die Interaktion von Lehrenden und SchülerInnen wird deutlich im Abschnitt „Wie vollzieht sich die Aushandlung von Differenz in der Unterrichtsinteraktion selbst?“: Der schnarrende Ton eines Schülers in einer Gitarrengruppe lässt seinen MitschülerInnen keine Ruhe…

      Schließlich wendet sich Kranefeld dem Stellenwert des Lernziels „Musikalische Gestaltung“ bei JeKi-Lehrenden zu: Gegenüber der „normalen“ Musikschularbeit werden von diesen zwar der spielerische Zugang zur Musik und das gemeinsame Musizieren in den Vordergrund gestellt, zugleich aber die Arbeit an der musikalischen Gestaltung als eher weniger wichtig angesehen: Es liegt auf der Hand, dass dann das gemeinsame Musizieren nicht unbedingt auch in künstlerischer Hinsicht ein „Herzstück“ wäre.

      Folgerichtig steht am Ende des Buchs der Beitrag von Birgit Walter, die aufzeigt, welche Konsequenzen das Nachfolgeprojekt von JeKi – nämlich „Jedem Kind Instrumente, Singen, Tanzen“ (JeKits) – aus den angesprochenen Problemen gezogen hat: „JeKits dreht das Verhältnis zwischen Instrumentalunterricht und gemeinsamem Musizieren um: Aus einem konsekutiven ‚zuerst Instrumentalunterricht, dann gemeinsames Musizieren‘ wird ein ‚gemeinsames Musizieren, darin integriert Instrumentalunterricht‘.“ Linda Aicher schließlich bettet in ihrem Bericht über eine Poster-Session des Symposiums die Neukonzeptionierung von JeKi in eine Projekt- und Forschungslandschaft ein, in der Projekte wie das Wiener ELEMU (Elementares Musizieren), das El Sistema-inspirierte Superar oder das Monheimer Modell auf Forschungsvorhaben stoßen, die sich der Arbeit in Streicher- und Bläserklassen, Impulsen der volksmusikalischen Praxis für die traditionelle Instrumentalpädagogik oder der Orientierung in dieser Landschaft (Website IGU – Instrumental Gemeinsam Unterwegs) widmen.

      Die Beiträge dieses Bandes zeigen unterschiedliche Möglichkeiten, das Musizieren als Ausgangspunkt des instrumentalen Gruppenunterrichts theoretisch zu fassen und praktisch in den Mittelpunkt des Unterrichts zu stellen. Es bleibt zu wünschen, dass diese Möglichkeiten im theoretischen Diskurs und in der Unterrichtspraxis erprobt und weiterentwickelt werden, damit der instrumentale Gruppenunterricht sein volles Potenzial entfalten und damit den instrumentalpädagogischen Diskurs – auch jenen über den Einzelunterricht – stärker als bisher prägen und beflügeln kann.

      Wir danken den AutorInnen für ihre spannenden und persönlich geprägten Beiträge, den SymposiumsteilnehmerInnen für ihre vielen bereichernden Anmerkungen, insbesondere den Rektoraten der drei beteiligten Musikhochschulen für die Unterstützung des Symposiums bzw. für die Ermöglichung dieser Publikation.

      Natalia Ardila-Mantilla

      Peter Röbke

      Christine Stöger

      Bianka Wüstehube

      Herzstück Musizieren?

      EIN

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