Pferdesommer mit Lara. Ursula Isbel-Dotzler
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»Vielleicht wollen die ja doch eine Reitschule in Eulenbrook eröffnen«, meinte mein Vater.
»Es macht nichts, wenn es etwas kostet«, sagte Mama. »Wir geben dir das Geld. Es tut dir bestimmt gut. Der Umgang mit Pferden soll sehr heilsam sein. Sie haben erst kürzlich im Fernsehen einen Bericht darüber gebracht.«
Ein Schatten ging über ihr Gesicht. »Ich wollte, wir hätten euch diesen Wunsch erfüllt, als Ronja noch lebte.«
»Du weißt doch, dass es nicht ging!«, sagte mein Vater heftig. »Damals hatten wir schon jede Menge Probleme, den Laden abzubezahlen.«
In den Gelben Seiten fand ich einen Reitladen in Michelsburg, der nächsten größeren Stadt. Ich nahm den Vormittagsbus, fragte mich bis zur Jakobsgasse durch, die außerhalb des Zentrums lag, und wurde innerhalb von zwanzig Minuten mein gesamtes Taschengeld der vergangenen zwei Monate los, dazu noch das Geburtstagsgeld von meiner Tante Petra.
Es regnete nicht mehr, als ich den Laden verließ, in jeder Hand eine riesige Tüte. In der einen waren ein Paar schöne schwarze Gummireitstiefel, die fast wie aus Leder aussahen, in der anderen ein weniger schöner, aber praktischer Reithelm, eine Packung Pferdepellets und ein Bildband über Pferde, der leicht angestoßen und daher im Preis herabgesetzt war.
Inzwischen war ich fast schon überzeugt, dass Arne Theisen die Reitstunden bezahlt haben wollte. Im Grunde fand ich das auch ganz in Ordnung. Ich ärgerte mich nur darüber, dass ich nicht gleich nach dem Preis gefragt hatte.
Wir waren für den folgenden Tag um zwei Uhr nachmittags verabredet, auf der großen Viehweide, die bis vor Kurzem an einen Bauern aus der Umgebung verpachtet gewesen war. Arne hatte mir erzählt, dass sein Vater den Pachtvertrag kurzfristig gekündigt hatte, da sie die Wiesen für ihre Pferde brauchten.
Es war ein seltsames Gefühl, an Eulenbrook vorbeizufahren und das alte graue Dach zwischen den Laubbäumen aufragen zu sehen. Doch irgendwie ging es mir nicht mehr so unter die Haut wie noch vor einer Woche. Vielleicht war ich auch einfach zu aufgeregt und in Gedanken zu sehr mit meiner ersten Reitstunde beschäftigt.
Worauf hatte ich mich da eingelassen? Wahrscheinlich würde ich mich unsterblich blamieren, mich wie ein Tölpel anstellen und gar nicht erst in den Sattel kommen. Dabei war Arne so ziemlich der Letzte, vor dem ich mich lächerlich machen wollte.
Doch das gleiche Gefühl, das mich befürchten ließ, mich zu blamieren, hielt mich auch davon ab, umzukehren und wieder nach Hause zu radeln. Arne sollte mich nicht für einen Feigling halten. Ich wollte es wenigstens versuchen. Falls es überhaupt nicht klappte, konnte ich immer noch alles rückgängig machen.
Arne Theisen und Fee erwarteten mich schon, diesmal ohne Bonnie. Er hielt die Stute am Zügel und ließ sie unter den Erlen grasen. Ich wünschte, ich hätte sie malen können, so schön war das Bild. Das sahnefarbene Fell der Stute schimmerte matt zwischen dem graugrünen Laub. Ihre Mähne und ihr Schweif waren silberweiß wie unberührter Sand.
Als Arne mich kommen sah, führte er Fee zum Zaun, deutete auf den Stacheldraht und sagte: »Der muss schnellstens weg. Die Pferde können sich an dem verdammten Zeug schlimm verletzen. Das gibt ekelhafte, ausgezackte Wundränder. Wenn dann noch Rost am Draht war, hat man wirklich ein Problem.«
Ich war so aufgeregt, dass ich ein paarmal schluckte, ehe ich sprechen konnte. Das Erste, was ich sagte, war: »Ich hab ganz vergessen, dich zu fragen, was es kostet.«
»Was es kostet?« Er sah mich verständnislos an. »Wie meinst du das?«
»Der Reitunterricht.«
Der überraschte Ausdruck auf seinem Gesicht zeigte mir, dass mein erstes Gefühl richtig gewesen war. »Ach so! Ich dachte, das wäre klar. Ich will kein Geld, das wäre ja Schwachsinn. Ich bin schließlich kein Reitlehrer! Wie kommst du darauf?«
Ich atmete tief durch. »Wieso solltest du es umsonst tun?«
»Weil es mir Spaß macht vielleicht. Ich hab’s dir doch angeboten. Hast du die Stiefel bekommen?«
Ich nahm die Tüte vom Gepäckträger. Irgendwie war es mir albern vorgekommen, die Stiefel schon zu Hause anzuziehen und damit durch die Gegend zu radeln; jedenfalls jetzt, solange ich noch Anfängerin war.
Die Stiefel fanden Gnade vor seinen Augen. »Die sind ganz okay. Und ich würde dir raten, den Helm aufzusetzen, auch wenn das bei der Hitze nicht gerade angenehm ist. Ich selbst trage fast nie einen, aber das ist im Grunde echt leichtsinnig.«
»Aber du kannst doch reiten.«
»Ich bin nur ein mittelprächtiger Reiter. Und sogar der beste Reiter kann mal abgeworfen werden.«
Abgeworfen! Das Stichwort baute mich nicht gerade auf. Ich zog die Stiefel an, die komisch rochen, und setzte den Helm auf. Dann gab ich Fee zwei von den Pellets und wartete, während sie knabberte und ausgiebig meine Hand, mein Haar und meine Schulter beschnupperte. Vorsichtig strich ich mit den Fingerspitzen über ihren Nasenrücken und ihre Stirn und kraulte sie unter dem Schopf, was sie offensichtlich richtig gern mochte.
Arne beobachtete uns und sagte: »Fee, Rikke möchte auf dir reiten. Du musst Geduld haben, denn sie hat noch nie im Sattel gesessen.«
Er redete mit ihr wie mit einer Freundin. Zwischen den beiden bestand eine besondere Beziehung, das begriff ich, als ich den zärtlichen Ton in seiner Stimme hörte und die Wärme in seinen Augen sah.
Ruhig und ohne jede Überheblichkeit erklärte er mir die Funktion von Zaumzeug, Zügel und Gebiss. »In Zukunft satteln und trensen wir Fee gemeinsam auf, damit du lernst, wie’s gemacht wird«, sagte er. »Du siehst, dass man mit den Zügeln auf das Pferdemaul einwirkt. Das heißt, wenn ein Reiter zu grob und ruckartig an den Zügeln reißt, verursacht das dem Pferd natürlich Schmerzen. Es gibt viele Reitschüler, die davon offenbar keine Ahnung haben. Man braucht sich nur vorzustellen, dass wir selbst so einen Riemen in den Mundwinkeln hätten, an dem jemand gewaltsam zerrt. Als ich in der Reitschule war, hab ich mich oft darüber geärgert, dass die Reitlehrer sich nicht besser um die Pferde gekümmert haben. Die meisten wollten einfach ihr Programm durchziehen, und die Pferde mussten alles über sich ergehen lassen, was die Reitschüler mit ihnen machten.«
Er zeigte mir, wie ich den linken Fuß in den Steigbügel setzen, mich hochziehen und das rechte Bein über Fees Rücken schwingen sollte. Plötzlich erschien sie mir ungeheuer groß. Ich war sicher, dass ich es nicht schaffen würde, doch Arne stemmte mich mit einem kräftigen Druck gegen den Schenkel nach oben, und ich saß im Sattel, ehe ich richtig begriff, was passierte.
Es war, als würde ich auf dem Dach eines Kirchturms sitzen. Nie hätte ich gedacht, dass es sich auf dem Rücken eines Pferdes so schwindelerregend hoch anfühlen könnte. Voller Panik klammerte ich mich am Sattelrand fest.
Arne erriet, was in mir vorging. »An die Höhe gewöhnt man sich schnell«, versicherte er. »Versuch jetzt mal, den Sattel loszulassen und die Zügel aufzunehmen. Du greifst von oben in die Riemen, der kleine Finger bleibt außerhalb – ja, so, ganz locker. Schau mal, wie ich das mache.«
Locker! Ich wollte nichts anderes, als mich festklammern, hätte mich am liebsten vorgebeugt und die Arme um Fees Hals geschlungen. Trotzdem tat ich folgsam, was Arne sagte, hielt die Zügel vorschriftsmäßig, sodass die Schlaufe rechts an Fees Hals herunterhing.