Pferdesommer mit Lara. Ursula Isbel-Dotzler

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Pferdesommer mit Lara - Ursula Isbel-Dotzler

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hatte sich ein kleiner See gebildet.

      Jeder Sonnenstrahl, der zwischen den Wolkenfetzen hervorkam, verbreitete einen fast überirdischen Glanz. Bonnie raste zur Mulde, war mit ein paar übermütigen Sprüngen im Wasser, drehte sich im Kreis und paddelte darin herum wie ein Biber. Mein Fahrrad lag in einer Pfütze. Ich hob es auf; der Sattel war schwarz vor Nässe, mein Rucksack total durchgeweicht.

      Arne zog den Sattelgurt fest. »Du kannst immer nach Eulenbrook kommen, wenn du Lust hast«, sagte er über die Schulter.

      Ich schüttelte den Kopf. Es würde nicht mehr das Gleiche sein, das wusste ich. Auch er musste es wissen.

      »Der Garten soll jedenfalls bleiben, wie er ist. Wir finden ihn schön, so verwildert. Er ist ein guter Platz für die wild lebenden Tiere, viel besser als die geschniegelten, aufgeräumten Gärten und Parks.«

      »Und das Haus?«, fragte ich, obwohl ich mir vorgenommen hatte, nicht nach Eulenbrook zu fragen.

      »Das Haus wird natürlich renoviert, sonst könnten wir es nicht bewohnen. Aber mein Vater will, dass es möglichst wieder so wird, wie es ursprünglich war. Er sagt, es ist ein sehr schönes Jugendstilgebäude und gehört eigentlich unter Denkmalschutz.«

      Ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht, ob Eulenbrook schön oder hässlich war. Wahrscheinlich war es für mich immer das verlassene, düstere, geheimnisvolle Schloss geblieben, das ich als Kind in ihm gesehen hatte.

      Arne Theisen schwang sich mit einer Leichtigkeit in den Sattel, die ich bewundernswert fand. Bonnie kam aus dem Regenteich, schüttelte sich und versprühte funkelnde Tropfen. Fee, die Stute, wich mit ein paar tänzelnden Schritten zur Seite.

      »Also dann, ciao, mach’s gut!«, sagte Arne. Es klang irgendwie zögernd.

      »Tschüs, und danke für den Ohrring.«

      Erst jetzt, als er losritt, fiel mir auf, dass er weder Reithelm noch Reitstiefel trug. Ich stieg aufs Rad. Das Leder des Sattels fühlte sich wie ein voll gesogener Schwamm an.

      Der Pfad durchs Moor war total aufgeweicht; deshalb fuhr ich in südliche Richtung, zur Landstraße. Arne folgte mir nicht. Er hatte den Pfad eingeschlagen, den wir gekommen waren.

      Ich ertappte mich dabei, dass ich mir Sorgen machte, er könnte sich verirren. Schließlich kannte er sich doch in unserer Gegend noch nicht aus und wir waren Hals über Kopf vor dem Ausbruch des Gewitters geflüchtet. Dabei war er mir bestimmt nur gefolgt und hatte nicht auf den Weg geachtet.

      Einen Augenblick lang überlegte ich, ob ich umkehren und ihm nachfahren sollte. Dann fiel mir Eulenbrook wieder ein und dass ich jetzt nie wieder dorthin konnte – auch seinetwegen. Außerdem hätte er es vielleicht falsch verstanden, wenn ich ihm gefolgt wäre. Er würde sich schon zurechtfinden; schließlich war er kein kleines Kind. Und überhaupt – was ging es mich an?

      7

      Nachts gingen weitere Gewitter nieder. Ich lag im Bett und lauschte dem nahen und fernen Donnergrollen, sah Blitze hinter den dünnen Vorhängen zucken und hörte, wie die Fichte im Nachbargarten rauschte und ächzte.

      Dabei dachte ich an Eulenbrook. Wenn das Haus erst renoviert werden musste, gab es vielleicht noch eine Art Gnadenfrist. Diesen Sommer konnten die Theisens bestimmt noch nicht einziehen. Doch die Vorstellung, dass ein Pulk von Handwerkern dort hämmerte und bohrte und die Stille des Hauses und des Gartens störte, dass sie Schutt und Mörtel in die Büsche warfen und ätzende Lösungen in den Teich kippten, war nicht viel besser. Eulenbrooks Dornröschenschlaf war endgültig vorbei.

      Am nächsten Morgen war der Himmel von Wolken verhangen, die Luft schwül und drückend. Ich duschte und zog meinen Badeanzug an, weil ich fand, dass ich darin nicht ganz so knochig wie im Bikini wirkte. Dann schlüpfte ich in die alte Jeans, die ich an den Knien abgeschnitten hatte, und suchte mein bestes Seidentop aus dem Schrank.

      Meine Mutter stand vor der Badezimmertür. Sie war gerade erst aufgestanden.

      »Fährst du zum Waldsee?«, fragte sie.

      Ich nickte.

      »Und hast du schon gefrühstückt?«

      »Nein«, sagte ich. »Aber ich nehme Obst mit.«

      »Du musst etwas Richtiges essen! Komm, ich mach dir rasch ein kleines Picknick zurecht …«

      Widerstrebend wartete ich, nahm den Korb mit nach unten und schnallte ihn auf dem Gepäckträger fest. Draußen war es heiß wie in einem Brutofen. Schon fünf Minuten später, als ich den Rand unseres Städtchens erreichte, war ich nass geschwitzt.

      Die Stechmücken empfingen mich wie ein Schwarm von Vampiren, noch ehe der See richtig in Sicht kam. Schweißbedeckte Haut rochen oder spürten sie offenbar schon von Weitem.

      Auch ich roch etwas von Weitem: Pferde. Erst jetzt gestand ich mir ein, dass ich gehofft hatte, Arne wieder hier zu begegnen, so wie gestern und vorgestern.

      Ich traf ihn wirklich an der gleichen Stelle, zusammen mit seiner Stute Fee und der Hündin Bonnie. Doch sie waren nicht allein. Ein blondes Mädchen war bei ihnen und neben Fee stand ein zweites Pferd mit kupferroter Mähne.

      Wenn es möglich gewesen wäre, ungesehen wieder zu verschwinden, wäre ich umgekehrt. Doch schon kam mir Bonnie kläffend entgegengerannt und Fee reckte den Kopf und spitzte die Ohren.

      Auch Arne sah in meine Richtung. Das Mädchen saß neben ihm im Gras, die Arme um ihre Knie geschlungen. Sie trug einen Bikini und war sehr schlank, hatte aber die richtigen Rundungen an der richtigen Stelle.

      Jetzt erkannte ich sie wieder. Ich hatte sie schon einmal gesehen: in Eulenbrook, beim Ausladen der Pferde.

      Ich stieg vom Rad und streichelte Bonnie, unschlüssig, wie ich mich verhalten sollte. Arne war aufgestanden und kam langsam auf mich zu.

      »Hi!«, sagte er. »Hoffentlich haben wir uns nicht auf deinem Platz breitgemacht.«

      Beinahe hätte ich geantwortet: Das tut ihr doch ständig! Stattdessen murmelte ich nur: »Hallo.«

      Das Mädchen sah abwartend zu mir herüber. Sie hatte schulterlanges silberblondes Haar und blaugrüne Augen und erinnerte mich an die kleine Seejungfrau in Andersens Märchen.

      »Setz dich doch zu uns«, sagte Arne.

      Das Mädchen schwieg noch immer. Als sie das Gesicht wieder abwandte, sah ich, wie ähnlich ihr Profil dem von Arne war. Sie musste seine Schwester sein.

      Sekundenlang wusste ich nicht, was ich antworten sollte. Dann schob ich mein Fahrrad weiter. »Lasst euch nicht stören«, murmelte ich. »Ich wollte sowieso nur ein paar Runden schwimmen und dann wieder verschwinden. Die Mücken sind abartig lästig.«

      Ich sorgte dafür, dass das halbe Seeufer zwischen mir und den beiden lag. Trotzdem hörte ich Bonnie bellen und sah die Köpfe der Pferde, die zwischen dem Schilf im Wasser standen, während ich auf der anderen Seite des Waldsees badete.

      Plötzlich vermisste ich Ronja wieder so sehr, dass es sich anfühlte, als würde sich mein Herz zusammenkrampfen. Ich sah ihre lachenden Augen mit quälender Deutlichkeit vor mir, das Grübchen in ihrem Kinn, den Schwung ihrer Lippen. Dort drüben saßen die beiden Geschwister mit ihrem

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