erforderlichen Spenden wurde auch eine hohe gesellschaftliche Aufmerksamkeit in den traditionellen Medien (Fernsehen, Print-Medien) erreicht. Damit gehört die ALS zu den bekanntesten unter den seltenen Erkrankungen.
III Fragen zur Diagnosestellung
18 Wie sicher ist die Diagnose einer ALS?
Die Diagnose einer ALS ist bei der Mehrheit der Betroffenen mit hoher Sicherheit zu stellen. Die Diagnose beruht auf der Anamnese (Arzt-Patienten-Gespräch zur Ermittlung der Krankengeschichte, aus der die genaue Abfolge der Symptome und Beschwerden hervorgeht), dem neurologischen Untersuchungsbefund (körperliche Untersuchung durch einen Facharzt für Neurologie) und der elektrophysiologischen Diagnostik (Elektroneurografie, Frage 29 sowie Elektromyografie, Frage 24). Zusätzlich werden zur Sicherung der Diagnose noch eine Magnetresonanztomografie (MRT) des Kopfes und/oder Rückenmarks durchgeführt. Meist ist auch eine Untersuchung des Nervenwassers (Liquor cerebrospinalis; kurz »Liquor«) erforderlich. Nicht bei jedem Patienten sind alle Untersuchungen erforderlich, um die Diagnose einer ALS sicherzustellen. Zumeist ist die Diagnosestellung einer ALS für einen erfahrenen Facharzt für Neurologie keine diagnostische Herausforderung. Nur im Ausnahmefall (weniger als 10 % der Betroffenen) kann die Diagnosestellung komplex und schwierig sein. In der Mehrheit der Krankheitsfälle ist die Diagnose als sicher einzuschätzen. Nur im Ausnahmefall (weniger als 5 %) sind invasive Diagnosemaßnahmen (z. B. eine Muskel- oder Nervenbiopsie, Frage 36, Frage 37) erforderlich. Eine Labordiagnostik zum Nachweis von ALS steht nicht zur Verfügung. Allerdings kann durch die Identifizierung von Molekülen (Biomarker, Frage 357) in Blut, in Nervenwasser (Liquor, Frage 31) oder anderen Körperflüssigkeiten die Diagnose- und Prognosestellung einer ALS weiter erhärtet und ergänzt werden. Der Biomarker »Neurofilament light chain« (NF-L) wird seit 2017 bei bestimmten Situationen zur Diagnosesicherung und in verschiedenen Forschungsprojekten eingesetzt (Frage 33). Genetische Tests können ebenfalls zur Diagnosestellung beitragen (Frage 34). Sie stehen überwiegend Patienten mit einer »familiären ALS« (FALS, Frage 130) zur Verfügung. Eine FALS liegt vor, wenn mehrere Familienmitglieder an einer ALS erkrankt sind und eine erbliche Ursache zugrunde liegt. In diesem Fall sind genetische Tests verfügbar, der aus einer Blutprobe durchgeführt wird. Bei der Mehrheit der Betroffenen mit einer familiären ALS lässt sich das ursächliche Gen durch die molekulargenetische Analyse nachweisen. Insgesamt lässt sich in der Kombination einer körperlichen Untersuchung und einer elektrophysiologischen Diagnostik (Elektroneurografie, EMG) die Diagnose einer ALS sehr sicherstellen.
19 Wie häufig ist die Fehldiagnose einer ALS?
Bei einem sehr kleinen Teil der Patienten ist die Diagnosestellung schwierig. Diagnostische Schwierigkeiten entstehen vor allem, wenn die Überlappung von mehreren Krankheiten vorliegt, die Geschwindigkeit der Erkrankung ungewöhnlich ist oder die ALS sich mit ungewöhnlichen Symptomen darstellt. Umgekehrt können in sehr seltenen Fällen andere neurologische Erkrankungen den Eindruck einer ALS erwecken und sich erst im weiteren Verlauf als eine andere Diagnose herausstellen (englisch: »ALS Mimic-Syndrom«). Das Risiko einer Fehldiagnose ist besonders hoch, wenn zwei oder mehrere neurologische Erkrankungen zusammentreffen und anfänglich unklar ist, welche der Erkrankungen für die vorliegenden Symptome verantwortlich ist (z. B. ALS in Kombination mit Bandscheibenerkrankung, die in der Bevölkerung häufig ist). Darüber hinaus gibt es seltene Krankheitskombinationen, die bisher unverstanden sind (z. B. ALS in Kombination mit MS, Rückenmarkveränderungen, Parkinson-Symptomen, Hörminderung, Muskelerkrankungen und anderen komplexen Störungen). Insgesamt ist die Fehldiagnose einer ALS bei einem typischen Erscheinungsbild der Erkrankung sehr selten.
20 Ist die ALS schwer zu diagnostizieren?
Die ALS ist eine schwere Erkrankung, die jedoch relativ leicht zu diagnostizieren ist. Für einen Facharzt für Neurologie sind die Symptome und diagnostischen Kriterien sehr geläufig. Bereits durch die äußeren Symptome (Muskelschwund, Schwäche, Reflexveränderungen, veränderte Muskelspannung bis hin zur Spastik, Faszikulationen, verminderte Beweglichkeit der Zunge, Gewichtsabnahme etc.) entstehen Verdachtsmomente einer ALS. Die einzelnen Symptome für sich genommen sind nicht beweisend. Erst eine typische Kombination der klinischen Merkmale (z. B. die Kombination von Muskelschwund mit einer Schwäche und Reflexsteigerung) sind charakteristisch für die ALS-Diagnose. Bereits durch die »einfache« körperliche Untersuchung lässt sich die Verdachtsdiagnose einer ALS formulieren. In einem zweiten Schritt folgen medizintechnische, laborchemische und radiologische Untersuchungen, mit denen andere neurologische Erkrankungen (die im Einzelfall ähnliche Krankheitssymptome verursachen können) ausgeschlossen werden. In einer neurologischen Schwerpunktpraxis oder während eines Krankenhausaufenthaltes werden die technischen Untersuchungen durchgeführt (Elektromyografie, Frage 24; Elektroneurografie, Frage 29), Untersuchung des Nervenwassers, Frage 31; Magnetresonanztomografie des Kopfes oder der Wirbelsäule). Nach Abschluss der technischen Zusatzuntersuchungen lässt sich in der Mehrheit der Betroffenen die ALS-Diagnose ohne Zweifel feststellen. Lediglich bei einer Minderheit der ALS-Patientin ist die Diagnosestellung kompliziert und mit weiteren Untersuchungsschritten verbunden (z. B. Nerven- und Muskelbiopsie, Frage 36, Frage 37). Bei der Mehrheit der ALS-Patienten lässt sich bereits mit wenigen Untersuchungsschritten (körperlich-neurologische Untersuchung und Elektromyografie) die Diagnose einer ALS formulieren. Einen Teil der Betroffenen reagiert mit Skepsis und Zweifeln, dass eine so schwerwiegende Diagnose mit »einfachsten« Mitteln (»nur mit körperlichen Übungen und Reflexhammer«, ohne »richtige« Diagnoseverfahren) zu diagnostizieren ist. Insgesamt liegt die Herausforderung in der Diagnosestellung der ALS nicht in den apparativ-technischen Aufwendungen, sondern vielmehr in den Erläuterungen und der Verarbeitung der mitgeteilten Diagnose.