Christentum und Europa. Группа авторов

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Christentum und Europa - Группа авторов Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie (VWGTh)

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»Gerichtsklagen« zurück – gebraucht aber andererseits, soweit sich das anhand der schmalen Beleglage sagen lässt, auch eher nicht-jeremianisches Vokabular,51 gerade bei zentralen Begriffen wie »Furcht«, »Flucht« oder »Freude«.

      4. Verglichen mit der oben herausgearbeiteten altorientalischen Standardsituation von Fremdvölker thematisierenden Orakelsprüchen stellt sich das Setting in Jer 49 anders – und komplizierter – dar. Es handelt sich nicht um einen Gegensatz zweier Parteien, deren einer der Sieg über die andere verheißen wird, sondern es liegt eine Dreierkonstellation vor. Der Vertreter einer Gruppe antizipiert oder konstatiert als ein Werk seines Gottes die Niederlage einer zweiten im Konflikt mit einer dritten Partei. Das hat durchaus eine andere Pragmatik als etwa Jes 17,1b.3.

      5. Aus all dem zusammen meine ich schließen zu können, dass die Verfasser von Jer 49,23–27* die Gerichtstexte des ersten Buchteils bereits als Gerichtstexte kannten und – nun aber nicht auf Juda, sondern auf Damaskus bezogen – fortschrieben. Mit Blick auf Damaskus verläuft der gedankliche Weg in Jer 49 somit dem in Jes 17 entgegengesetzt. Er entspricht eher der eben skizzierten ersten forschungsgeschichtlichen Variante: Fremdvölkerorakel werden aus der Gerichtsprophetie heraus entwickelt. Das als göttliche Strafe gedeutete Unheil, das Israel, das Gottesvolk, getroffen hat, wird auch die anderen Völker ereilen. Der Unterschied zu den vorhin angesprochenen neuassyrischen Feindorakeln wie auch zum Kern des Damaskuswortes in Jes 17 liegt im gerichtsprophetischen , »darum«. Dass Damaskus als Feind Judas besiegt werden wird, bedarf in Jes 17 seitens des judäischen Staatsgottes keiner Begründung – im Jeremiabuch, in dem wir über die Beziehung zwischen Juda und Damaskus zu babylonischer Zeit überhaupt nichts erfahren, ist die Kategorie eine andere. Wie Jerusalem wird es der Stadt ergehen – und dieses Wie impliziert auch das Warum: Es handelt sich um ein Strafgericht.

       3.3 Damaskus in Am 1

      Dies ist offenbar auch in Am 1,3–5 der Fall, dem ersten der acht Völkersprüche im Amosbuch.

      »3 So spricht JHWH: Wegen dreier Frevel von Damaskus und wegen vier werde ich es nicht rückgängig machen. Wegen ihres Zertretens von Gilead mit eisernen Dreschschlitten.

      4 Und ich werde schicken ein Feuer in das Haus Hasaels, und es wird fressen die Paläste von Ben Hadad.

      5 Und ich zerbreche den Riegel von Damaskus und schneide heraus den Bewohner / den Thronenden52 vom Sündental und den, der das Szepter hält von Beth Eden, und das Volk Arams wird gefangen fortgeführt werden nach Kir, spricht JHWH.«

      Im Unterschied zu den Korpora der Fremdvölkerorakel in den großen Prophetenbüchern liegt zu Am 1–2 eine Fülle von neueren Untersuchungen vor. Hierbei besteht grundsätzlich weitgehend Einigkeit darüber, dass die beiden Kapitel einerseits und die Visionen in 7–9 andererseits den Kern des Buches rahmen, der in den »Worten des Amos von Tekoa« zu suchen ist. Ebenso hat sich in den Arbeiten der vergangenen zwei Jahrzehnte die bereits von Wellhausen53 begründete Auffassung durchgesetzt, dass man, will man literarkritisch innerhalb von Am 1,3–2,16 differenzieren, hinter einen Kern nicht zurückkommt, der aus den Worten über Damaskus, die Philister, Ammon, Moab und Israel besteht.54 Diese Gruppe aus fünf Zahlensprüchen erweist sich als »literarisch ausgesprochen artifiziell ausgestaltet«55 und auf die fünfte, die Israelstrophe, hin ausgerichtet.56

      Für unsere Fragestellung ergibt sich nun folgendes Bild: Dem Leseablauf nach folgt das Gericht über Israel auf die Heimsuchung der Nachbarnationen und erscheint als Kulminationspunkt der vorangegangenen Strafhandlungen. Das Gericht über Israel ergeht nach dem Gericht an den Völkern – so gesehen scheint hier auf synchroner Ebene eine Parallele zu der gedanklichen Bewegung vorzuliegen, wie sie oben – diachron – für Jes 17 festgestellt werden konnte.

      Andererseits ist jedoch auch deutlich, dass, wie es Jörg Jeremias mit Verweis auf Peter Höffken feststellt, »gerade umgekehrt die Völkersprüche literarisch von der Israelstrophe als ihrer Überbietung her gestaltet worden sind«57 und den auf die unbedingte Gerichtsprophetie zulaufenden Visionenzyklus in Am 7–9 bereits voraussetzen.58

      Dieses gerichtsprophetische Prä wird nicht zuletzt durch die Begründung deutlich, die der Ankündigung des zerstörerischen Handelns JHWHs vorangestellt ist. Es geht hier nicht um den – selbstverständlichen – göttlichen Beistand gegen einen Feind in einer militärischen Bedrohungssituation wie in Jes 17,1–3*, der nicht weiter begründet zu werden braucht. Es geht explizit um Strafe für Vergehen , hier, in Am 1,3b, nicht näher historisch identifizierbare militärische Aktionen der Aramäer in Gilead, die, so Volkmar Fritz, »allenfalls geschichtlicher Erinnerung entspringen«59. Es verhält sich darum nicht nur literarisch, sondern auch theologisch so, wie es Jörg Jeremias formuliert hat: Die gedanklichen Kategorien der Gerichtsprophetie werden hier nicht aus JHWHs Handeln an den Völkern entwickelt, sondern umgekehrt auf diese übertragen.60 In dieser Hinsicht entspricht der Völkerzyklus des Amosbuches eher dem Verhältnis zur Gerichtsprophetie, wie ich es oben für Jer 49 zu begründen versucht habe.

      Das Damaskuswort in Am 1 erhält so, verglichen mit Jes 17 und Jer 49, ein ganz eigenes Gepräge. In Jes 17,1–3* impliziert das Unheil für Damaskus – und Ephraim – Rettung für Juda. In Jer 49 besagt die klagende Feststellung der Zerstörung von Damaskus – mit ihren gerichtstheologischen Zusätzen oder auch ohne diese –, dass JHWH nicht nur der Urheber der Zerstörung Jerusalems ist, sondern auch die Verwüstung der Aramäermetropole herbeigeführt hat. Inwiefern darin eine verhaltene heilstheologische Botschaft für Juda steckt, darüber mag man streiten. Mit Blick auf das herangezogene Damaskuswort fällt es mir mit Huwyler jedoch eher schwer, eine solche zu entdecken: »In den jeremianischen Texten spricht offensichtlich kein Heilsprophet, der das Heil Israels durch das Unheil der Völker verkündigt.«61 Am 1–2 wiederum fasst JHWHs Handeln an den Völkern wie an Israel eindeutig unter die gedankliche Kategorie des Gerichts. Wie an Damaskus, so wird JHWH auch an Israel als Richter aktiv werden: »Jahwe handelt nicht nur an Israel, sondern ist als Herrscher der Geschichte auch der Vollstrecker gerechter Strafe an den Nachbarn.«62 Sein Zuständigkeitsbereich für die Durchsetzung von Recht und Gerechtigkeit wie für die Sanktionierung von Übertretungen ist hier nahezu universal.63

       4. Résumé

      Der Blick auf die Damaskusworte in Jes, Jer und Am hat also zu einem differenzierten Ergebnis geführt. Ohne der Versuchung erliegen zu wollen, aus einem Mikrobeispiel weitreichende generelle Schlüsse zu ziehen, möchte ich abschließend drei Thesen formulieren.

      1. Der oberflächliche Eindruck, in den Prophetenbüchern werde, nicht zuletzt durch die Fremdvölkerorakel, mit kleineren Varianten entsprechend einem dreigliedrigen eschatologischen Schema mehrmals die gleiche Linie gezeichnet, die vom Gericht über das eigene Volk über das Gericht für fremde Völker hin zur Heilswende für Israel verlaufe, trügt eher – und zwar in diachroner wie in synchroner Betrachtung.

      2. Das jeweilige theologische Profil der einzelnen Worte über fremde Völker erhellt sich nicht zuletzt dadurch, wie sich jeweils das Verhältnis zur Gerichtsprophetie beschreiben lässt. In dieser Hinsicht haben beide Grobalternativen seiner Bestimmung ihre Berechtigung.

      3. Vor dem Hintergrund der Diskussion um Prophetie in Israel und Juda, die in den vergangenen gut 20 Jahren geführt worden ist, erscheint es mir lohnend, die Fremdvölkerorakel insbesondere der drei großen Prophetenbücher erneut einer systematischen Untersuchung zu unterziehen.

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