Christentum und Europa. Группа авторов

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Christentum und Europa - Группа авторов Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie (VWGTh)

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      Die Situation in ARM 26 371 ist deswegen interessant, weil dieser Text nicht nur über Zustände in der Fremde berichtet, sondern weil der Brief selber aus der Fremde geschrieben ist. Nach dem Fall Ekallatums hatte Išme-Dagan, der König Ekallatums, in Babylon bei Hammu-rapi Asyl gefunden (oder war, je nach Betrachtungsweise, in Kriegsgefangenschaft). Weder Marduk noch seine Priesterschaft hatten vergessen, dass Išme-Dagan, als er noch König Ekallatums war, geplant hatte, den Tempelschatz Marduks an die Elamiter auszuliefern. Es ist in dieser Lage, dass ein āpilum-Prophet des Marduk zwei öffentliche Auftritte hat, einen vor dem Palasttor und einen vor der Tür von Išme-Dagans Residenz:

      Zeilen 9-17 »Ein Prophet Marduks stand am Palasttor und verkündigte ständig: ›Išme-Dagan wird der Hand Marduks nicht entkommen. Sie bindet eine Garbe und er wird darin gefangen sein.‹ Dies hat er am Palasttor verkündigt. [Niema]nd sagte etwas zu ihm.

      Zeilen 18-33 Genau wie vorher stand er auch am Tor von Išme-Dagans (Residenz) und verkündigte ständig inmitten der Menge: ›Du bist zum König von Elam gegangen, um gute Beziehungen zu knüpfen. Aber sobald es Frieden gab, hast Du den Schatz Marduks und Babylons [a]n den König von Elam ausgeliefert. Du hast meine [Ma]gazine geleert. Und jetzt willst Du nach Ekallatum gehen? [W]er meinen Schatz [ze]rstreut, darf m[ich] nicht um noch mehr bitten.‹ [Wie vorh]er, sagte [niemand] etwas, während er dieses inmitten der Me[nge verkünd]igte.«

      Yarim-Addu, ein Abgesandter Zimri-Lims in Babylon, war zu Ohren gekommen, dass Gerüchte im Umlauf waren, dass Išme-Dagan wieder in seine Heimat zurückgekehrt war. Die beiden prophetischen Orakel zitiert er nun deswegen, weil sie seinen König beruhigen sollen: Išme-Dagan ist noch immer in Babylon und wird es wohl auch bleiben. Die Darstellung von Propheten in Aktion erscheint dabei spannend: Yarim-Addu sagt zwar zweimal, dass der Prophet in aller Öffentlichkeit agiert, aber der Darstellung nach ist das nicht ungewöhnlich; ein guter Hinweis darauf ist, dass auch in altbabylonischer Zeit Propheten nicht nur im stillen Kämmerlein auftraten, sondern in aller Öffentlichkeit agieren konnten.23 Marduk, bzw. seine Priesterschaft, wollten wohl sichergehen, dass der politische Preis, Išme-Dagan gehen zu lassen, zu hoch wäre. Yarim-Addu kommt das gelegen, und er berichtet es zur Beruhigung seines Königs an diesen. Marduks Prophet stellt den Aufenthalt Išme-Dagans in Babylon als Strafe für dessen pietätlosen Umgang mit dem Schatz Babylons dar. So wie im Alten Testament Amos die transjordanischen Völker mit einer in sich gespiegelten Spiegelstrafe bestrafen24 kann, bestraft Marduk Išme-Dagans Freizügigkeit und Pietätlosigkeit mit permanentem Aufenthalt in seiner Heiligen Stadt: eine Art in sich verdrehter Spiegelstrafe.

      Diesen ersten Teil zusammenfassend lässt sich zweierlei feststellen: in den Briefen, die ursprünglich aus Aleppo kamen (FM 7 38 und 39), geht es vor allem darum, dass Mari in die theopolitische Sphäre Yamads einbezogen wird. Die Spende oder Rückgabe des Guts ist dabei aus religionsgeschichtlicher Perspektive quasi nebensächlich, auch wenn es für die Priesterschaft und den Tempel Adads von Kallassu einen hohen praktischen Stellenwert gehabt haben mag.

      In vielen Briefen aus Mari und der mariotischen Provinz wird deutlich, dass andere Völker, wenn überhaupt dann als eine potenzielle Bedrohung wahrgenommen werden, die die Götter, allen voran Dagan, beseitigen würden. Außer in der Botschaft Marduks aus Babylon (ARM 26 371) wird dabei kein Vergehen des anderen Volkes vorausgesetzt. Aus der Sicht Maris ist Ešnunna zwar nicht zu trauen, aber es ist kein Kriegsverbrecher. Babylon selber war wohl zur Zeit von ARM 26 209 aus der Perspektive Maris schon zum Kriegsverbrecher geworden, da vieles darauf hinweist, dass dieses Orakel aus der Zeit zwischen der ersten und der endgültigen Niederlage Maris stammt, aber der Text nimmt nicht explizit Bezug darauf. Höchstens die Verwendung des Netzes, das traditionell als Waffe gegen Vertragsbrecher verwendet wird, mag ein Hinweis darauf sein. Da das Netz aber sehr breit belegt ist, ist dies nicht mit Sicherheit zu sagen.

      Nur in ARM 26 371 finden wir das fremde Volk, oder zumindest dessen König Išme-Dagan als Kriegsverbrecher dargestellt. Die mariotische Sicht auf Ešnunna ist deswegen bemerkenswert, weil sie eben nicht in Carly Crouchs Erklärungsmuster25 passt, es sei denn der potentielle zukünftige Vertrauensbruch stellt das Vergehen Ešnunnas dar – ein wenig wie Donald Rumsfelds Beweggründe für die Doktrin der »preemptive defence«. Dies erscheint mir allerdings als wenig wahrscheinlich.

       2. Fremde Völker in der neuassyrischen Prophetie

      Es gibt zwar Hinweise darauf, dass Propheten auch in dem Jahrtausend zwischen der altbabylonischen Zeit und dem neuassyrischen Reich aktiv waren, aber diese Hinweise sind spärlich.26 Überlieferte prophetische Orakel gibt es keine. Die finden sich erst in neuassyrischer Zeit wieder, dafür umso zahlreicher.27 Im Großen und Ganzen ähneln sich die beiden Korpora im Hinblick auf fremde Völker sehr. Andere Völker werden literarisch als Reflexionsflächen gebraucht, um die Stärke der eigenen Götter aufzuzeigen, sind aber nur sehr selten erwähnt. Dass die genannten Staaten im 1. Jahrtausend andere sind, liegt an der unterschiedlichen politischen Situation. Ägypten war in altbabylonischer Zeit weder Bedrohung noch Verheißung. Für Asarhaddon und Assurbanipal hingegenwaren Feldzüge gegen Ägypten von großer Bedeutung. Wie Stefan Maul für das neuassyrische Herrscherhaus herausgearbeitet hat, war der neuassyrische König quasi Agent Assurs auf Erden, der das Chaos bekämpft und es durch eine pax oder ordo Assyriaca ersetzt.28

      Die meisten prophetischen Sprüche aus neuassyrischer Zeit, die fremde Völker überhaupt erwähnen, tun dies im Zuge dynastischer Versprechen. SAA 9 2.3 spricht von fremden Ländern nur insofern, als dass sie Asarhaddon und seinen Nachkommen in einem klassischen dynastischen Versprechen als Eigentum zugesagt werden:

      Zeilen ii 11‘–16‘ »Ich werde dich in deinem Palast beschützen. Furcht und Zittern werde ich dich überkommen lassen. Dein Sohn und Enkel werden vor Ninurta die Königsherrschaft ausüben. Ich werde die Grenzen der Länder hinwegfegen und sie (= die Länder) dir geben.«

      In diesem Text sind die anderen Länder eigentlich nicht weiter wichtig. Es geht lediglich darum, dass Ištar von Arbela dem Königshaus ihren generationsübergreifenden Beistand zusagt. Weitere Beispiele hierfür lassen sich in SAA 9 2.5 und SAA 9 3.2 leicht finden.

      Die Zusage in 9 2.4, in der Ištar von Arbela die Botschafter der Länder im Osten, Nordosten und Norden Assyriens zu bestimmen verspricht, erscheint ähnlich:

      Zeilen 11‘–15‘ »Bleib hier, Asarhaddon. Ich werde die Abgesandten des elamitischen und mannäischen Königs aussuchen. Ich werde die Tafeln des urartäischen Königs versiegeln. Ich werde die Hacken vom (melidischen König) Mugallu beschneiden. Zeilen 16‘–17‘ Wer ist (jetzt) einsam und verlassen? Fürchte Dich nicht! Du, Asarhaddon, König von Assur bist unter meinem Schutz.«

      Die Göttin lässt Asarhaddon wissen, dass sie ihn innen- wie außenpolitisch unterstützen wird. Wie im Falle der altbabylonischen Prophetien ist auch hier keinerlei Anzeichen dafür, dass diese Nationen das Chaos vertreten, das der neuassyrische König als Stellvertreter Assurs, Ninurtas und Ištars zu bekämpfen hatte. Die ausländischen Mächte sind nicht autonom, sondern werden, ebenso wie Assyrien selber, von Ištar kontrolliert. Das heißt, dass Ištar (und das neuassyrische Pantheon) hier den theologischen Herrschaftsanspruchnicht nur über Assyrien selber, sondern auch den Rest der bekannten Welt erhebt in einer Weise, die sonst eher unüblich ist.

      Zeilen 8–11 in dem längeren Text SAA 9 7, der an Asarhaddons Sohn Assurbanipal gerichtet ist, gehen in eine ähnliche Richtung:

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