Christentum und Europa. Группа авторов

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Christentum und Europa - Группа авторов Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie (VWGTh)

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Mensch mit dem Ziel Gottes wird am Ewigkeitssonntag bekannt, auf den die Feier und Verkündigung des Evangeliums im Kirchenjahr zuläuft.

      Diese Teilnahme vermittelt den teilnehmenden Einzelnen ihre je individuelle Teilhabe an der praktischen Gewissheit des christlichen Glaubens und setzt sie instand, im Licht dieser Gewissheit die Wege ihres Lebens als das Erfüllen ihrer Bestimmung zu wählen und zu gehen und sie dann zu erinnern als das Erfülltsein ihrer Bestimmung. Sie können erfahren: »Dienst macht frei« in einer nicht an soziohistorische Konstellationen gebundenen Weise, und erbitten, was sie erhoffen: »zur Abendzeit« »erwünschten Lohn« zu empfangen (EG 494,6), nämlich das Urteil: »Ei, du frommer und getreuer Knecht […] geh ein zu deines Herren Freude« (Mt 25,21).

      Der Gottesdienst ist aber auch cultus publicus, öffentlich präsent und für unterschiedliche Weisen teilnehmender Erfahrung zugänglich. Auch in der Gegenwartsgesellschaft artikuliert er also auf deren »agora« und an die Adresse von deren Meinungsführern die biblische Sicht des Menschseins in ihrer christlich präzisierten alteuropäischen Gestalt und bezeugt in der Öffentlichkeit assertorisch,79

      – dass zu unserem gemeinsamen Erwartungswissen über technisch-orientierende, wegewahlleitende Scienceprodukte hinaus auch eine praktisch gewisse zielwahlleitende Sicht der Welt und ihres Eschatons hinzugehört,

      – dass also der Weg das Ziel nicht ist, sondern ein Ziel hat – eines, das nicht in der Welt, sondern von ihr erreicht wird, somit (metaphorisch geredet) nicht »vorne«, sondern »oben« liegt,

      – dass der nachhaltige Umgang mit unserem Zusammenleben, der es nicht unnötig verkürzt, erst durch Orientierung an dieser vorgegebenen Bestimmung von Welt und Leben erreicht wird,80 und

      – dass also auch die Wissensgesellschaft der Gegenwart, wie jede frühere und spätere, Aufklärung nie hinter, sondern stets vor sich hat – Aufklärung über ihre Bestimmung.

      Soweit meine angekündigten Vorschläge. Ob sie akzeptabel sind oder nicht, ist zu prüfen. Die dafür erforderliche Diskussion braucht ihre Zeit und beteiligt alle Fächer der Theologie. Sollte sich ergeben, dass die Dinge anders liegen als skizziert – vielleicht sogar günstiger –, sage ich nur: »Um so besser!«81

II FACHGRUPPEN-VORTRÄGE

       ALTES TESTAMENT

       Fremde Völker in der Prophetie des Alten Orients

       Jonathan Stökl

      Die alttestamentlichen Fremdvölkerorakel sind ein bekanntes Thema innerhalb der alttestamentlichen Forschung. In der altorientalistischen und vergleichenden Forschung allerdings sind »fremde« Völker bisher kein bedeutendes Thema. Dieser Aufsatz nimmt es sich zur Aufgabe, die Position fremder Völker in der altorientalischen Prophetie zu erhellen.1

      Der größte Teil altorientalischer Texte prophetischen Inhalts ist bekanntlich in zwei Korpora zu uns gekommen. Das ältere der beiden ist Teil des königlichen Archivs der altbabylonischen Stadt Mari, aus der Mitte des 18. Jahrhunderts v. Chr. am mittleren Euphrat.2 Das zweite größere Korpus stammt aus den Staatsarchiven des neuassyrischen Reiches aus Ninive im 7. Jahrhundert v. Chr.3 Darüber hinaus gibt es noch eine Handvoll weiterer Texte, sowohl aus altbabylonischer Zeit als auch neuassyrischer Zeit, sowie einige Hinweise auf die Existenz von Propheten, sowohl in mittelassyrischer wie auch neubabylonischer Zeit. Darüber hinaus existieren auch noch einige wenige transjordanische Inschriften aus der ersten Hälfte des ersten Jahrtausends v. Chr. sowie ein althebräischer Brief aus Lachisch.4

      In den folgenden Seiten werde ich einen ersten Überblick über das Material zu fremden Völker liefern, das Material ordnen, sowie einige, wie ich meine, interessante Beobachtungen anführen, die im Kontrast sowohl zu anderen altorientalischen Text- und Bildertraditionen als auch zu Traditionen, die in der Bibel stark vertreten sind, stehen.

      Fremde Völker werden in altorientalischen Texten meist als Bedrohung dargestellt, als Vertreter des Chaos, die es zu besiegen gilt, um den Kosmos zu erhalten, oder aber als schwach und hilflos.5 Vor dem Hintergrund der sehr heterogenen Gesellschaften Mesopotamiens, besonders im ersten Jahrtausend v. Chr. ist dies an sich schon bemerkenswert, da es eben nicht die tägliche Erfahrung der Menschen und Autoren widerspiegelt. Dabei spielen fremde Völker in den altorientalischen Texten prophetischen Inhalts eine nur untergeordnete Rolle. Innenpolitische Themen und praktisch-theologische Fragen dominieren die erhaltenen Texte.6 Es gibt hierzu allerdings einige bemerkenswerte Ausnahmen, mit denen wir uns unten näher beschäftigen wollen. Die Götterkampftradition schwingt dabei an entscheidenden Stellen mit, ist aber auch nicht übermäßig vertreten.

      Bevor wir uns mit den Texten selber befassen, möchte ich noch einige Vorbemerkungen zu den Begriffen »fremdes Volk« und »Fremdvölkerspruch« machen. Der Begriff ist in der alttestamentlichen Wissenschaft aus historischen Gründen – vor allem in der Prophetenforschung – wohlbekannt. Als stehender Ausdruck ist er im Alten Testament eher selten. Aber durch die sogenannten Fremdvölkersprüche – auf Englisch noch genauer: »oracles against the nations« – ist er in der Forschung breit belegt. In einer Zeit, in der nationale und nationalistische Kräfte in der gesamten westlichen Welt, mit zum Teil erschreckenden Konsequenzen, wieder erstarken, sollten wir uns bewusst sein, dass das Wort »Volk« nicht unbelastet ist und zudem keine natürlich gegebene Einheit beschreibt. Zudem ist historisch die Abgrenzung von »fremden« Völkern häufig verwendet worden, um andere Menschen eben nicht als Menschen, sondern als Fremde zu behandeln. Dabei gibt es, wie bei so vielen ethischen Fragen, im Alten Testament eine große Bandbreite an Meinungen: in Büchern wie Ezra-Nehemiah werden Israeliten und Judäer, die die Meinungen der Autorenkreise in vielen Fragen, unter anderem zu sogenannten Mischehen, nicht teilten, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Levitikus 19,34 und Ezechiel 47,22 hingegen gehen eher in eine andere, fürsorglichere Richtung.

      Die wenigsten altorientalischen Texte kennen explizite Volksvorstellungen, die sich unreflektiert mit denen der modernen Welt abgleichen ließen. Familie und Stamm sind wichtige Begriffe, ebenso wie Sprache und sesshafte oder nomadische Lebensweise. Politisch kann z. B. ein Stamm durchaus auf mehrere Königreiche verteilt sein, und in den meisten Königreichen lebten verschiedene Stämme. Im späteren ersten Jahrtausend v. Chr. waren so Mitglieder verschiedener aramäischer Stämme in Babylonien von großer Bedeutung. Das neuassyrische Reich hatte Vorstellungen davon, wer Teil des eigenen Volkes war und wer nicht, und kommt damit einer unreflektierten modernen Lesung vielleicht am nächsten. Der Volksbegriff ist in der Altorientalistik durchaus umstritten und wird wenig benutzt, und wenn meist als Chiffre für »Bürger eines Staates«, sich dabei wohl bewusst seiend, dass Volk und Bürger nicht immer deckungsgleich sind. Ich möchte aber auch nicht den falschen Eindruck erwecken, dass es in altorientalischen Texten kein Bewusstsein für Andersartigkeit gebe. Dies wird eben nur meist nicht mit dem Volksbegriff, sondern entweder mit sprach- oder herkunftsbezogenen Adjektiven getan. Es wäre in der Tat ein spannendes Projekt, den genauen Bezug und moderne Äquivalente altorientalischer Gentilien systematisch zu erforschen, um eine bessere Vorstellung davon zu haben, was genau die Termini beschreiben.

       1. Fremde Völker in der altbabylonischen Prophetie

      Die meisten in Mari gefundenen prophetischen Texte stammen aus der Zeit König Zimri-Lims. Die überwältigende Mehrheit kümmert sich entweder um innenpolitische oder um kultische Angelegenheiten. Einige wenige der in Mari gefundenen Texte beinhalten prophetische Orakel, die nicht aus Mari, sondern aus einer anderen Stadt stammen. Hier fallen vor allem Texte

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