Christentum und Europa. Группа авторов

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Christentum und Europa - Группа авторов Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie (VWGTh)

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ist die Gattung des biblischen Fremdvölkerorakels im altorientalischen Vergleich wirklich?

       2. Fremdvölkerorakel und altorientalische Prophetie 16

      Das Korpus der erhaltenen Prophetentexte aus den Archiven von Mari und Ninive ist nicht zuletzt dank der Editionen Marti Nissinens17 und Manfred Weipperts18 und nun auch online19 leicht zugänglich. Bei der Lektüre zeigt sich schnell, dass Ankündigungen über das Ende der Feinde des Adressaten, des Königs also, in der Tat keine Seltenheit sind. »Feinde« begegnen dabei entweder ganz allgemein (akkadisch: nakru) oder konkret durch den Namen des aktuellen königlichen Gegenspielers: Im Falle von Zimri-Lim von Mari sind dies etwa Išme-Dagan20 oder Hammurapi,21 im Falle der neuassyrischen Tafeln die Könige von Elam, Mannea, Urartu sowie Mugallu von Melid.22 Fremde »Völker« sind hier nicht im Blick. Die Belege, in denen tatsächlich eine Nation angesprochen bzw. genannt wird, sind dagegen übersichtlich. Im Gesamtkorpus der Mari-Briefe und der neuassyrischen Tafeln finden sich, wenn ich recht sehe, nicht mehr als vier. Im erstgenannten Fall betrifft dies allein Babylon:

      »Babylon, what are you constantly doing? I will gather you into a net and […]. The dwellings of the seven accomplices and all their wealth I give in the hand of Zimri-Lim.«23

      Bei den neuassyrischen Dokumenten sind in drei Belegen kollektive Entitäten im Blick, nämlich die Kimmerier und Elam:

      »I will destroy [Meli]d, [… I will de]stroy. I will deliver the Cimmerians into his hands; the land of Ellipi I will set on fire.«24

      »Thus says [the god]: ›I have go[ne, I ha]ve come!‹ Five, six times he s[aid] (this). Then he said: ›I have come from the [m]ace. The snake in it I have hauled out and cut in pieces.‹ And: ›I have crushed the mace.‹ And: ›I Will crush Elam! Its army shall be levelled to the ground.‹ And: ›This is how I will finish off Elam.‹«25

      »Like Elam, I will finish off the land of the Cimmerians! […] I will hew down the thorn; I will pluck the bramble as a tuft of wool; the wasps I will turn into a mash. allalatti enguratti! You ask: What means allalatti enguratti? allalatti I will enter Egypt, enguratti I will go out!«26

      Wesentlich mehr an »Völkerorakeln« ist im erhaltenen und edierten Material aus Mari und Ninive nicht vorhanden. Gleichwohl ist dieses wenige ausgesprochen instruktiv: Es illustriert, was auf welche Weise im altorientalischen Kontext in der prophetischen Rede von als Feinden betrachteten Nachbarnationen tatsächlich »conventional« war – und das ist zunächst einmal die Situation: Zwei Parteien liegen in Fehde, und die Gottheit gibt dem König einer dieser beiden zu erkennen, im anstehenden militärischen Konflikt auf seiner Seite zu stehen. In begrenztem Rahmen kann nun mit Blick auf das Alte Testament auch deutlich werden, was im direkten Vergleich als eher außergewöhnlich erscheint.

       3. Ein Fallbeispiel: Damaskus in Jes 17, Jer 49 und Am 1

       3.1 Damaskus in Jes 8; 17

      Für diesen Vergleich soll nun Damaskus in den Fremdvölkerorakeln des Alten Testaments in den Blick genommen werden, zunächst im Jesajabuch. An erster Stelle steht hier freilich ein Beleg, der sich nicht im Korpus von Jes 13–23 befindet: die Zeichenhandlung mit dem Kind »Raubebald-Eilebeute« aus 8,1–4. In seinem Aufbau ist dieser Abschnitt aus der sogenannten »Denkschrift« dem neuassyrischen Orakel von SAA 9 7 nicht unähnlich: Eine zunächst (und im Fall der akkadischen Tafel bis heute) rätselhafte Äußerung der Gottheit wird in heilvollem Sinne gedeutet: Hier »allalatti enguratti« – dort »mher šalal aš bz«, hier auf den erfolgreichen Ausgang einer Kampagne, nämlich Assurbanipals Ägyptenzug, dort auf die Befreiung von einer militärischen Bedrohung, nämlich der durch Samaria und Damaskus.27

      Dieser Zeichenhandlung von Jes 8 korrespondiert in seinem Kern das direkte Wort über Damaskus in Jes 17,1–3*: Wildberger hat hiervon in seinem Kommentar die Verse 1b.3 plausibel als Grundbestand herausgearbeitet und versteht die eineinhalb Verse ebenfalls vor dem Hintergrund der Situation des Syrisch-Ephraimitischen Krieges:28

      1. »Siehe, Damaskus hört auf, eine Stadt zu sein, und es wird sein [ein Haufen,]29 ein Trümmerhaufen.

      3. Und es wird aufhören die Befestigung von Ephraim und die Königsherrschaft von Damaskus, (und der Rest Arams wird sein wie die Herrlichkeit der Israeliten)30. Spruch JHWH Zebaots.«

      V. 4 – angeschlossen mit der typischen Ergänzungsformel »und an jenem Tag« erklärt im Anschluss, wie es sich mit der »Herrlichkeit der Israeliten« von 3b verhält: Die Herrlichkeit Jakobs wird gering werden. V. 5 und 6 wechseln sodann in metaphorische Sprache und gebrauchen das Bild der Getreideernte. Zweimal wird erntend gegen »Jakob« vorgegangen – nachhaltig und gründlich: Die »Nachlese« von V. 5 zielt darauf ab, dass es einen nennenswerten Rest eigentlich nicht geben wird. Genau einen solchen erwähnt nun freilich V. 6 der, die Erntemetaphorik beibehaltend, das Bild von der »Nachlese« (hier nun ) auf die Olivenernte überträgt. Das Tertium Comparationis ist nun freilich ein anderes: Zwei, drei – vier, fünf Oliven bleiben übrig. Hierauf liegt jetzt der Akzent.

      Wovon ist hier die Rede? Dies zu beurteilen hängt nun maßgeblich davon ab, wer mit »Jakob« gemeint ist. Sieht man in ihm die gleiche Größe, die in V. 3 mit »Ephraim« bezeichnet wird – dann kann das Wort ebenso wie die Verse 1–3* als ein »Fremdvölkerorakel« über den Feind Israel betrachtet werden.31 Verstehtman aber V. 4 zur »Herrlichkeit Jakobs« als Interpretation der »Ehre der Israeliten« von V. 3 und berücksichtigt mit Becker, dass der Name des Patriarchen sonst überall bei den Propheten eben nicht für den nördlichen Nachbarn Judas, sondern »eindeutig Israel als Gottesvolk, als Gemeinde JHWHs«32 meint – dann stellt sich der Sachverhalt anders dar: Die Verse 4–6 – oder auch nur 4–5 – oder zumindest V. 4 interpretieren das heilvolle »Fremdvölkerorakel« aus dem Syrisch-Ephraimitischen Krieg im Sinne einer Unheilsankündigung für »Israel«, nun aber gerichtstheologisch verstanden als gegen das Volk JHWHs gerichtet.33 Vers 6 allerdings scheint mir diese Deutung bereits vorauszusetzen, ist hier doch zu sehen, wie der Gedanke des heilvollen Rests nach dem zweifachen Gericht eingetragen und das Bild von der Nachlese nicht unwesentlich modifiziert wird. Hier lässt sich eine ähnliche Bearbeitungstendenz feststellen, wie sie bei der ungleich berühmteren Stelle in Jes 6,13 offensichtlich ist: Nach dem Gericht wird für einen »Rest« eine erneute Heilsperspektive eröffnet.

      Auch wenn man dieser diachronen Interpretation der Verse 4–6 nicht folgen mag,34 so ist

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