Schöpfung ohne Schöpfer?. Группа авторов

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Instruktiv ist Tabelle 3 in LALAND et al. (2015), in der neue Vorhersagen der EES zusammengestellt sind; zum Beispiel: Neue phänotypische Varianten sind häufig gerichtet und funktional, sind oft umweltinduziert und betreffen viele Individuen gleichzeitig (Anspielung auf Plastizität), es können deutlich veränderte neue Phänotypen aufgrund von Mutationen in Regulationsgenen auftreten, es kann aufgrund von konvergenter Selektion oder Entwicklungszwängen wiederholte, konvergente Evolution vorkommen.34 Die Liste hat einen ähnlichen Inhalt wie die oben besprochene Aufzählung von MÜLLER (2017) und erfordert daher keine weitere Kommentierung. Es handelt sich laut LALAND et al. um kurzfristig zu erwartende Veränderungen („short-term“), was wiederum bedeutet, dass es um das Abrufen von anspruchsvollen anpassungsfähigen Programmen und nicht um Makroevolution geht: „For example, the EES predicts that stress-induced phenotypic variation can initiate adaptive divergence in morphology, physiology and behaviour because of the ability of developmental mechanisms to accommodate new environments“ (LALAND et al. 2015, 9).

      Bewertung der EES in Bezug auf ihre Naturwissenschaftlichkeit

      So wie MÜLLER (2017) und LALAND et al. (2015) die EES beschreiben, beruhen evolutionäre Veränderungen darauf, dass es ein bereits vorhandenes Potenzial an Ausprägungsmöglichkeiten von Merkmalen gibt. LALAND et al. (2015, 7) sprechen von präexistenten Entwicklungsprozessen, die vererbbare phänotypische Varianten aufgrund genetischer, epigenetischer oder umweltinduzierter Inputs erzeugen35, und von der Fähigkeit der Entwicklungsprozesse, sich an neue Inputs anzupassen und funktionell integrierte Antworten auf eine große Bandbreite von Umweltbedingungen zu ermöglichen.36 Solche Entwicklungsprogramme und -prozesse erlauben durchaus Vorhersagen und können als naturwissenschaftlich beschreibbare Gesetzmäßigkeiten hinsichtlich einer bei Organismen potenziell verfügbaren Anpassungsfähigkeit formuliert werden (wenn auch nicht als strenge „Gesetze“, was in der Biologie allgemein aufgrund der Komplexität der Forschungsgegenstände kaum möglich ist; vgl. die Ausführungen im Abschnitt „Erweiterung des Begriffs naturwissenschaftlich-nomologischer Erklärungen“). Doch es wurde nicht gezeigt, dass diese Prozesse zu evolutionären Innovationen führen. Man kann also sagen: Nur insoweit evolutionäre Veränderungen auf präexistenten Variationsprogrammen beruhen, können sie im weiteren Sinne naturwissenschaftlich beschrieben werden (dabei kann wenigstens indirekt Bezug auf Wenn-Dann-Aussagen genommen werden, und hier sind Tests möglich und wurden auch erfolgreich durchgeführt37). Diese Programme erklären aber nicht die Entstehung von Neuheiten und evolutionäre Innovationen; ihre Entstehungsweise ist auch 160 Jahre nach DARWIN trotz intensiver Bemühungen naturwissenschaftlich nicht beschreibbar.

      Nur insoweit evolutionäre Veränderungen auf präexistenten Variationsprogrammen beruhen, können sie im weiteren Sinne naturwissenschaftlich beschrieben werden.

      Gerade die biologischen Aspekte, die im Rahmen einer EES argumentativ besonders wichtig sind, lassen sich gut im Rahmen eines Ansatzes verstehen, wonach es ein präexistentes Potenzial an Variationsmöglichkeiten (s. o.) und anpassbare Variationsprogramme gibt (CROMPTON 2019). Deren Herkunft liegt jedoch aus der Perspektive der Naturwissenschaft, die nach Gesetzmäßigkeiten sucht, im Dunkeln, und es gibt gute Gründe, sie als Indizien für das Handeln eines Schöpfers zu werten (nach welchen Kriterien dies erfolgen könnte, wird im Beitrag „Der Kern des Design-Arguments“ in diesem Band ausführlicher diskutiert).

      Fazit: Gibt es eine naturwissen-schaftliche Evolutionstheorie?

      In diesem Beitrag haben wir dargelegt, dass naturwissenschaftliche Erklärungen zwingend einen Bezug auf Gesetzmäßigkeiten nehmen müssen. Auch wenn in der Biologie aufgrund der Komplexität ihrer Gegenstände DN-Erklärungen manchmal nicht im strengen Sinne durchführbar sind, implizieren häufig angewandte Erklärungsweisen wie die Angabe eines Mechanismus oder kausale Beschreibungen u. a. Bezugnahmen auf Gesetzmäßigkeiten. Andernfalls könnten Ursachen für natürliche Phänomene gar nicht angegeben werden. Das muss auch für Erklärungen für Makroevolution gelten.

      Seit DARWIN besteht der explizit formulierte Anspruch, die Entstehung der Arten durch einen natürlichen Mechanismus und ohne jede teleologische Komponente erklären zu wollen bzw. bereits zu können und Modellierungen des Artenwandels alleine auf (ggf. probabilistische) Gesetzmäßigkeiten und Randbedingungen zu gründen. Insofern es um den Ursprung von evolutionär Neuem geht, können jedoch weder der Darwinismus und die Moderne Synthese mit natürlicher Selektion als zentralem „Mechanismus“ noch die Erweiterte Evolutionäre Synthese (EES) diesen Anspruch einlösen. Das wird auch von manchen Evolutionsbiologen eingeräumt und damit begründet, dass Evolution ein kontingenter, historischer Prozess sei. Das heißt: Es gibt bis heute keine naturwissenschaftliche Evolutionstheorie, die die Entstehung von Innovation (Makroevolution) beschreibt. Auch die Selektionstheorie kann dies nicht leisten, u. a. aufgrund der expliziten oder impliziten Einbeziehung von teleologischen Aspekten.

      Seit DARWIN besteht der Anspruch, die Entstehung der Arten durch einen natürlichen Mechanismus und ohne jede teleologische Komponente erklären zu wollen.

      Dagegen ist es möglich und auch in einzelnen Fällen gelungen, auf der Basis präexistenter Variationsprogramme mikroevolutive Prozesse gesetzhaft zu beschreiben. Die Ergebnisse mikroevolutiver Prozesse können – anders als Resultate hypothetischer makroevolutiver Prozesse – auch vorhergesagt und getestet werden. Ebenso sind die Mechanismen häufig und z. T. im Detail nachvollziehbar.

      Konsequenzen

      Weil wirkliche Wissenschaft ergebnisoffen arbeitet, ist es nicht gerechtfertigt, Evolution als alleinige konzeptionelle Vorgabe und allein akzeptablen Deutungsrahmen für naturhistorische Fragestellungen einzufordern bzw. festzulegen. Dies wird durch die Unmöglichkeit, einen naturgesetzlich fassbaren evolutionären Entwicklungsprozess zu formulieren, noch unterstrichen. Während das Fehlen einer naturwissenschaftlichen Erklärung für natürlich-evolutive Ansätze fatal ist, liegt ein solches Fehlen aber gerade in der Natur von Schöpfungsansätzen. Denn mit Evolutionstheorien ist der explizite Anspruch verbunden, dass sie naturwissenschaftlich formuliert werden können. Diesen Anspruch können Evolutionstheorien in Bezug auf die Entstehung von Neuheiten wie gezeigt bis heute nicht einlösen.

      Die Berechtigung des Ansatzes, das Ausmaß und die Grenzen von Veränderungsprozessen ausgehend von vorhandenen, mit flexiblen Anpassungsmöglichkeiten ausgestatteten Grundtypen zu modellieren, ist damit als Konkurrent eines evolutionären Forschungsprogramms weiter bestätigt. Dieser Ansatz hat sich bereits in vielen konkreten Fällen empirisch bewährt (CROMPTON 2019). Er hat seinen Sinn insbesondere im Rahmen eines Schöpfungsmodells, das als spezifische Ursache hochfunktional-komplexer Neuerungen Kreativität und Intelligenz in Anschlag bringt und deshalb keine durchgängig naturwissenschaftliche Erklärung in Aussicht stellt und, anders als der evolutionäre Ansatz, auch nicht zu stellen braucht.

      Literatur

      BARROS B (2008) Natural selection as a mechanism. Phil. Sci. 75, 306-322.

      BEATTY J (1995) The Evolutionary Contingency Thesis. In: WOLTERS G & LENNOX JG (eds) Concepts, theories, and rationality in the biological sciences. University of Pittsburgh Press, Pittsburgh, pp 45–81.

      BECHTEL W & ABRAHAMSEN A (2005) Explanation: a mechanist alternative. Stud. Hist. Phil. Biol. Biomed. Sci. 36, 421–441.

      BORGER P (2019) Artübergreifende wiederkehrende Mutationen. Oder: Die Illusion der Verwandtschaft. Stud. Integr. J. 26, 77–85.

      BRAILLARD PA & MALATERRE C (2015) Explanation in biology. An introduction. In: BRAILLARD PA & MALATERRE C (2015) Explanation in biology. An enquiry into the diversity of explanatory patterns in the life sciences. Dordrecht: Springer, pp 1–28.

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