Schöpfung ohne Schöpfer?. Группа авторов

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style="font-size:15px;">      Manche Autoren sind der Auffassung, dass es überhaupt keine spezifisch biologischen Gesetze gebe. So ist BEATTY (1995) der Auffassung, Gesetzmäßigkeiten gebe es nur in der Biochemie. Biologische Vorgänge seien nur insofern gesetzhaft, als sie auf chemischen oder physikalischen Gesetzmäßigkeiten beruhen. Der Grund für diesen Umstand sei die Tatsache, dass die Biologie es mit Phänomenen zu tun habe, die kontingente* Ergebnisse der Evolution seien, dass sie also letztlich zufällige und unableitbare Ergebnisse evolutiver Vorgänge seien. In diesem Sinne vertritt er eine „evolutionary contingency thesis“.23 Als Beispiele nennt BEATTY (1995, 57): Warum gibt es den achtschrittigen Krebs-Zyklus unter aerobischen Organismen? Warum hat die Evolution zu den Mendel‘schen Regeln geführt? „Evolutionäre Kontingenz untergräbt die Möglichkeit biologischer Gesetze“ (BRAILLARD & MALATERRE 2015, 10).24 Die Abwesenheit von Gesetzen in der Biologie habe ihren Grund darin, dass es sich um Produkte einer langen Geschichte, z. T. angetrieben durch natürliche Selektion und abhängig von historischen Einmaligkeiten (contingencies) handle. Dass biologische Verallgemeinerungen ausgesprochen kontingent seien, rühre daher, dass die Evolution vom gleichen Ausgangspunkt aus zu unterschiedlichen Ergebnissen führen könne, selbst wenn der gleiche Selektionsdruck herrscht (BEATTY 1995, 75).25

      „Evolutionäre Kontingenz untergräbt die Möglichkeit biologischer Gesetze.“

      Das heißt aber nichts anderes, als dass es für innovative Evolution, d. h. Makroevolution, keine naturwissenschaftliche Erklärung gibt. Das wird auch beispielhaft sehr deutlich, wenn etwa der genetische Code, der hochgradig erklärungsbedürftig ist, einfach als „frozen accident“ bezeichnet wird (z. B. BRANDON 1997, S456). Es ist heute bekannt, dass der Code – also die Zuordnung von DNA-Tripletts zu Aminosäuren – in Bezug auf Robustheit und Materialersparnis optimal gestaltet ist (Überblick bei JUNKER & SCHERER 2013, Kap. IV.8). Das ist erklärungsbedürftig. Hier den Zufall zu bemühen heißt auf eine Erklärung zu verzichten, und zwar genau dort, wo sie dringend erforderlich erscheint.

      Kann eine EES die Einwände gegen die Naturwissenschaftlichkeit der Evolutionstheorie entkräften?

      Wir haben festgestellt, dass es zwar manche Veränderungen von Lebewesen gibt, die gesetzhaft beschrieben werden können, diese aber nicht das evolutionär Neue betreffen. Kann eine Erweiterte evolutionäre Synthese („EES“) diesem Mangel abhelfen und bietet sie Testmöglichkeiten für die Entstehung evolutionärer Neuheiten?

      Die EES beinhaltet gegenüber dem bisherigen Standard der sog. „Modernen Synthese“ (MS)26 vor allem eine zentrale und aktivere Sicht der Organismen im Evolutionsprozess. Die „Last der Kreativität in der Evolution“ ruhe nicht alleine auf der Selektion (LALAND et al. 2015, 6). LALAND et al. (2015) sprechen von „konstruktiven Prozessen“ in der Entwicklung und Evolution und von „reziproker Verursachung“. Als „konstruktive Entwicklung“ bezeichnen sie die Fähigkeit der Organismen, Einfluss auf ihre eigene (individuelle) Entwicklung zu nehmen, indem sie auf interne und externe Zustände reagieren und diese verändern können, statt einem starren Entwicklungsprogramm zu folgen;27 mit „reziproker Verursachung“ meinen sie die Rückwirkung der Lebewesen auf die äußere Umwelt und auch auf die eigene „innere“ Umwelt.28 Befürworter einer EES nennen dazu vier Bereiche (vgl. LALAND et al. 2014; vgl. den Beitrag „Brauchen wir eine neue Evolutionstheorie?“ in diesem Band):

      • Entwicklungszwänge: Wechselwirkungen der ontogenetischen Entwicklung mit äußeren und inneren Einflüssen führen u. a. zu Einschränkungen der Entwicklungsrichtungen und begrenzen mögliche Änderungen von Merkmalsausprägungen, noch bevor die Umweltselektion wirkt.

      • Nischenkonstruktion: Die Lebewesen sind gegenüber den Umweltbedingungen als Selektionsfaktoren nicht nur passiv, vielmehr werde die Umwelt (ihre ökologische Nische) durch die Lebewesen aktiv mitgestaltet, 29 wodurch die Lebewesen auch ihre eigene Evolution beeinflussen.

      • Plastizität*: Änderungen der Lebewesen infolge von Umweltreizen (ohne Genänderungen!) ermöglichen schnelle Anpassungen und sogar Ausprägungen bisher verborgener Merkmale, die nachfolgend durch Genvariationen (Mutationen) dauerhaft fixiert werden können.

      • Epigenetik: Extragenetische Veränderungen in der Gen-Regulation können wie die Gene selber vererbt werden und Einfluss auf Evolution nehmen.

      Der Grundgedanke ist demnach, dass Evolution nicht nur durch ungerichtete Mutation und (aus der Sicht der Organismen) passive Selektion erfolgt, sondern auch durch die Tätigkeiten der Organismen selber und durch das Potenzial während ihrer ontogenetischen Entwicklung. „Konstruktive Entwicklung“ erfolge aufgrund der Fähigkeit eines Organismus, seine eigenen Entwicklungspfade zu bestimmen, indem er beständig auf interne und extene Zustände reagiere und diese verändere; die Ursachenkette verlaufe also auch von höheren Ebenen der Organismen zu den Genen hin und nicht nur umgekehrt.30

      LALAND et al. (2015, 8) fassen zusammen:

      „The EES is thus characterized by the central role of the organism in the evolutionary process, and by the view that the direction of evolution does not depend on selection alone, and need not start with mutation. The causal description of an evolutionary change may, for instance, begin with developmental plasticity or niche construction, with genetic change following. The resulting network of processes provides a considerably more complex account of evolutionary mechanisms than traditionally recognized.“

      Welches Potenzial an evolutionär Neuem in diesen Prozessen steckt, wird im Folgenden kurz analysiert, indem der Frage nachgegangen wird, ob die EES der Entwicklung einer naturwissenschaftlichen Evolutionstheorie näher kommt.

      Vorhersagen im Rahmen der EES. Wenn eine Evolutionstheorie naturwissenschaftlich sein soll, ist eine notwendige (jedoch nicht hinreichende) Bedingung die Möglichkeit von Vorhersagen. MÜLLER (2017, 8) listet acht „Vorhersagen“ der EES auf.31 Sie sollen im Folgenden aufgelistet und in Bezug auf die Frage kommentiert werden, ob es sich um Vorhersagen bezüglich evolutiver Neuheiten handelt.

      1. Variation ist kein bloßes Zufallsprodukt, sondern wird durch die Rahmenbedingungen der ontogenetischen Entwicklung systematisch beeinflusst („biased“) und auch erleichtert. – Diese Beeinflussung – sei es eine Erleichterung oder eine Einschränkung – für das Auftreten von Varianten begründet keine Quelle für qualitativ Neues. Woher das Neue durch die „generativen Eigenschaften“ der Entwicklung kommen soll, ist unklar. Gleichzeitig sind die hier verwendeten Begriffe viel zu vage, um in die Nähe einer wissenschaftlichen Erklärung kommen zu können.

      2. Neuheiten entstehen aufgrund emergenter und selbstorganisierender Eigenschaften der Entwicklungssysteme. – Das ist eine bloße Behauptung, die nur scheinbar begründet wird, indem auf „Selbstorganisation“ und „Emergenz“ verwiesen wird. Diese Begriffe suggerieren zwar eine Erklärung, doch eine Beweisführung müsste mit konkreten, empirisch nachvollzogenen Befunden geführt werden. Somit verschleiern die Begriffe „Emergenz“ und „Selbstorganisation“ den Entstehungsprozess, anstatt irgend etwas zu erklären. (Zu einer Analyse des Emergenz-Begriffs siehe WIDENMEYER 2018.)

      3. Phänotypische Veränderungen können zuerst ohne Genänderungen auftreten und nachfolgend durch evolvierende Genverschaltungen stabilisiert werden. – Diese „Kann“-Vorhersage ist ausgesprochen vage. Die Genverschaltungen erfolgen zudem nicht gezielt, so dass das Element des Zufalls auch nicht vermieden wird. Davon abgesehen ist experimentell nicht gezeigt, welche Genverschaltungen welchen konstruktiven Veränderungen entsprechen würden und ob überhaupt nennenswerte (und dabei positive) konstruktive Veränderungen durch Änderungen in Genverschaltungen möglich sind (vgl. JUNKER 2009a). Schließlich wird deutlich, dass ohne (konstruktive) genetische Änderung eine stabile evolutive Veränderung nicht erfolgen würde.

      4.

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