Schöpfung ohne Schöpfer?. Группа авторов
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Schöpfung ohne Schöpfer? - Группа авторов страница 4
Kann die moderne Biologie als erfolgreiche Wissenschaft vom Leben überleben, wenn Evolution als Tatsache in Frage gestellt wird und sich nicht als „realhistorischer Prozess“ bestätigen lässt? Die Beantwortung dieser Frage ist – aus wissenschaftspsychologischen bzw. -soziologischen Gründen – mit Schwierigkeiten behaftet. Denn es ist zum eingeschliffenen Ritual eines Abwehrkampfes geworden, jede Infragestellung von Evolution und jede Kritik an evolutionstheoretischen Entwürfen pauschal als Angriff auf die gesamte Biologie und die Wissenschaft insgesamt zu verurteilen. Die Ergebnisse des in diesem Beitrag skizzierten Ganges durch die wissenschaftstheoretischen Grundlagen der Biologie und die Analyse evolutionär-ateleologischer* Ursprungsmodelle widersprechen diesen Pauschalverurteilungen nachdrücklich.
Die Leiden der Debatte um Evolution, Schöpfung und Intelligent Design
Die Debatte um Evolution, Schöpfung und Intelligent Design (ID) leidet häufig unter dem Mangel, dass die Vertreter der jeweiligen Positionen die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen der eigenen Wirklichkeitssicht sowie die Grenzen und Reichweite der von ihnen formulierten wissenschaftlichen Modelle nicht benennen. Dadurch besteht die Gefahr, dass stillschweigend gesetzte Denkvoraussetzungen unhinterfragt in die Argumentation und die Methodik einfließen und dadurch das scheinbar wissenschaftliche Ergebnis entscheidend prägen. Die in der Öffentlichkeit vorgetragene Auseinandersetzung konzentriert sich auf medienwirksame Aspekte und verrennt sich in eine Art inhaltlich verarmter (und in der Regel höchst einseitiger) Kriegsberichterstattung. Man verzichtet dabei fast vollständig auf konkrete Inhalte der wissenschaftlichen Diskussion und gelangt nicht auf ein der Sache angemessenes Reflexionsniveau. So ist z. B. die Rede von einem „Kreuzzug gegen die Evolution“, von der „Wissenschaft als Werkzeug des Teufels“, von „Darwin gegen Gott“, von „Gotteskriegern“ und „Wissenschaftsfeinden“, einem „Kulturkampf in den Klassenzimmern“ oder man warnt vor der Gefahr eines „Rückfalls in das Mittelalter“ (SCHMIDT 2006; KUTSCHERA 2007; vgl. Abb. 1).
Abb. 1: Typische „Kriegsberichterstattung“ der Medien.
Selten kommt man dabei auf die eigentlichen sachlichen Kernfragen zu sprechen, die hinter der spannenden Thematik von Evolution, Schöpfung und ID und den häufig so emotional geführten Debatten stehen: Existiert Gott? Hat er Einfluss auf die uns zugängliche Welt? Was ist der Mensch? Was kann der Mensch wissen? Was darf er hoffen? Was soll er tun? Ist der Einzelne moralisch verantwortlich und wird er einmal vor Gott zur Rechenschaft gezogen? Dabei wird schnell klar, dass diese Fragen mit den Methoden der (Natur-)Wissenschaft nicht oder zumindest nicht allein geklärt werden können.
Ein weiteres Manko offenbart sich im inflationären und beliebigen, ja nicht selten manipulativen Gebrauch der Begriffe „Evolution“, „Evolutionsbiologie“, „Evolutionstheorie“. Aber auch das Verständnis von Schöpfung und Intelligent Design sowie die Definition von Religion, Wissenschaft und Pseudowissenschaft sind oft unklar. Die versteckte Vermischung von Themen (z. B. wissenschaftlicher, wissenschaftstheoretischer, weltanschaulich-philosophischer Art) oder deren Inanspruchnahme zur Formulierung von Scheinwidersprüchen (z. B. zwischen Naturwissenschaft und religiösen bzw. metaphysischen Aussagen) bleibt dem Laien häufig verborgen. Zwei Beispiele sollen diese Einschätzung anschaulich belegen:
„Die Erkenntnisse der Biologie in den letzten Jahrzehnten machen immer deutlicher, dass nicht nur Evolutionstheorie und Schöpfungsglaube, sondern grundsätzlich Biologie und Religion unvereinbar sind. Tatsächlich finden sich unter den Biologen immer weniger Anhänger traditioneller Glaubenssysteme. Der Biologe erkennt, dass es keine Absichten und keinen Sinn in der Natur gibt und dass der Glaube an Gott bloß einem elementaren menschlichen Bedürfnis nach Sinn entsprungen ist“ (WUKETITS 2000).
„Das ‚Dass‘ der Evolution steht nicht mehr infrage, sofern man der menschlichen Vernunft überhaupt zutraut, rationale Erklärungen für Naturvorgänge zu finden. […] Die Frage ist auch nicht, ob es eine Evolution der Lebewesen gibt. Diese Frage ist empirisch beantwortet, denn die verfügbaren Beobachtungsdaten lassen sich nur mit Hilfe der Evolutionstheorie deuten“ (HEMMINGER 2007, 14, 22).
Beiden Aussagen mangelt es unter anderem an einer Reflexion über die erkenntnistheoretischen Grundlagen und Grenzen biologischer und evolutionstheoretischer Modellierungen. Explizit im Rahmen der naturwissenschaftlichen Methodik erlangte Aussagen können nicht oder nicht ohne Weiteres auf metaphysische Fragestellungen bezogen werden, die explizit den Rahmen des naturwissenschaftlich Fassbaren überschreiten. Zudem ist es auch problematisch, von einer wirklich naturwissenschaftlichen Evolutionslehre zu reden (siehe Beitrag „Gibt es eine naturwissenschaftliche Evolutionstheorie?“ in diesem Band). Die Akzeptanz und Berücksichtigung verschiedener Themenfelder ist Grundvoraussetzung für einen rationalen, nach Wahrheit ringenden Disput.
Die von Seiten der Evolutionsbefürworter häufig behauptete Überlegenheit der „Evolutionstheorie“ gegenüber teleologischen* Ursprungsmodellen bleibt eine bloße Parole, wenn die eigenen weltanschaulichen Rahmenvorgaben nicht offengelegt und rational gerechtfertigt werden oder man deren Einfluss auf die Deutung vorliegender Tatsachenbefunde bestreitet. Selbstverständlich müssen dieses Offenlegen und die Rechtfertigung ihrer weltanschaulichen Grundlagen auch von denen eingebracht werden, die Schöpfungs- oder ID-Thesen als alternative Erklärung anbieten.
1 | Grundvoraussetzungen der Naturwissenschaft
Naturwissenschaft wird gegenwärtig unter zumeist stillschweigend akzeptierten metaphysischen Zugeständnissen betrieben. Zuerst ist die erkenntnistheoretische Vorgabe zu nennen, die Natur als etwas tatsächlich Gegebenes und vom betrachtenden Subjekt unabhängig Existierendes anzunehmen. Diese Gegenüberstellung von Erkenntnissubjekt und Erkenntnisgegenstand macht die Natur einer wissenschaftlichen Beschreibung und Analyse methodisch zugänglich. (Eine andere Position nimmt dazu der Berkeley‘sche Idealismus ein, der an dieser Stelle nicht diskutiert werden soll.) Die Erwartung und die Intuition des Menschen, dass es regelmäßige und kausale Zusammenhänge zwischen den Entitäten* der natürlichen Vielfalt gibt, die durch das menschliche Erkenntnisvermögen und mittels der Vernunft angemessen erfasst werden können, sind als weitere philosophische Grundvoraussetzungen zu benennen. Diese Grundpositionen werden vom christlichen Schöpfungsglauben ebenso wie vom ontologischen Naturalismus* a priori in Anspruch genommen, weshalb unter beiden Weltsichten Naturwissenschaft möglich war und ist. Allerdings ist für den Naturalisten im Gegensatz zum christlichen Theisten Ordnung etwas unerklärbar Gegebenes, über dessen Ursprung er nicht wirklich Rechenschaft ablegen kann. Von realen Menschen praktizierte „Naturwissenschaft“ ist auch in ihrer modernen Erscheinung keine von subjektiven Einflüssen gänzlich unabhängige objektive Erkenntnismethode. Die Inhalte, Fragestellungen oder Leitideen trugen und tragen immer den Stempel des soziokulturellen, politischen und weltanschaulichen Gesamtgefüges der jeweiligen zeitgeschichtlichen Epoche. Im historischen Werdegang der Wissenschaften sind selbstredend viele solche Spuren dokumentiert. Die Geschichte der Biologie, insbesondere das wissenschaftliche Denken über Evolution und Schöpfung, liefert dafür beeindruckende