Schöpfung ohne Schöpfer?. Группа авторов
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„Dieser Grundwiderspruch, der im empirischen Mißverstand der Evolution als eines gegebenen Naturgegenstandes verankert ist, wird auch im weiteren Verlauf den zentralen Ansatz der Rekonstruktionen liefern: er ist die Achillesferse darwinistischer Artkonzepte“ (GUTMANN 1996, 81).
In dem Moment, wo der hypothetische Naturvorgang Evolution selbst nicht mehr als Phänomen gilt, das zur Erklärung ansteht, sondern „Evolution“ zur Tatsache und ihr damit selbst eine nicht hinterfragbare erklärende Funktion zugewiesen wird, wird „Evolution“ zu einem handelnden und real existierenden natürlichen Subjekt oder Agenten. Diese Akzentverschiebung bezeichnete LOCKER, wie bereits oben aufgeführt, als Hypostasierung. Unbewusst wird der hypothetische und zu erklärende Prozess Evolution zur „Evolution“ transformiert, also zu etwas faktisch Vorliegendem (wie ein Vulkanausbruch), und dem erkennenden Subjekt als nicht mehr in Zweifel zu ziehende objektive Realität dogmatisch gegenübergestellt. Den „objektiven“ Mechanismen der „Evolution“ traut man es dann unbedenklich zu, Organismen einschließlich des Menschen entstehen zu lassen. HEMMINGER dokumentiert diesen empirischen Missverstand von Evolution als gegebenen Naturgegenstand mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen offenbar unbemerkt und deshalb eindrucksvoll, wenn er schreibt:
„Das ‚Dass‘ der Evolution steht nicht mehr infrage, sofern man der menschlichen Vernunft überhaupt zutraut, rationale Erklärungen für Naturvorgänge zu finden. […] Die Frage ist auch nicht, ob es eine Evolution der Lebewesen gibt. Diese Frage ist empirisch beantwortet, denn die verfügbaren Beobachtungsdaten lassen sich nur mit Hilfe der Evolutionstheorie deuten“ (HEMMINGER 2007, 14, 22).
2. „Evolution“ als Bezeichnung einer Leitidee oder einer paradigmatischen Vorgabe evolutionsbiologischer Forschung
Evolution steht in diesem zweiten Bedeutungsaspekt als paradigmatische Leitidee oder Leitthema für die Deutung der heute beobachtbaren Merkmalsverteilungen und beschriebenen Ordnungen des Lebendigen. Da es unterschiedliche Vorstellungen vom Verlauf und den Triebkräften des historisch hypothetischen Naturprozesses „Evolution“ gab und gibt, wurden auch vielfältige Evolutionstheorien entwickelt (vgl. Abschnitt „Das sonderbare Aufgehen der ‚Evolutionstheorien’ in die Evolutionsbiologie“). „Evolution“, als Paradigma verwendet, bedeutet, dass man Evolution im Sinne einer Arbeitshypothese als naturhistorisch tatsächlich geschehen voraussetzt. Die Vorgabe einer Arbeitshypothese ist eine gängige Praxis im Wissenschaftsbetrieb, nur muss die Arbeitshypothese auch als solche klar benannt und erkennbar sein. Das jeweilige Bild vom vermuteten Ablauf des Evolutionsvorganges liefert einen vorgegebenen theoretischen Rahmen, in den wissenschaftliche Daten, Hypothesen und Theorienbildungen eingepasst werden. Eine zunächst auch ohne die Voraussetzung von Evolution wahrnehmbare Ordnung (z. B. auf der Basis von morphologischen, genetischen, molekularbiologischen oder embryonalen Ähnlichkeitsvergleichen) wird sekundär im Sinn der Arbeitshypothese „Evolution“ interpretiert und z. B. als phylogenetisch bedingte Verwandtschaft mittels Stammbäumen oder Cladogrammen abgebildet.
Die Möglichkeit, Stammbäume zu erstellen, ist kein Beweis für die Tatsächlichkeit des Prozesses „Evolution“.
Die Möglichkeit, entsprechende Stammbäume zu erstellen, ist aber kein eindeutiger Beweis für die Tatsächlichkeit des Prozesses „Evolution“ (s. o.), sondern ein Argument dafür, dass unter der Vorgabe der spezifischen Leitidee „Evolution“ eine (mehr oder weniger plausible) Deutung biologischer Daten möglich ist (ähnlich wie beim Vergleich der Leitideen der Newton‘schen Physik mit denen der Allgemeinen Relativitätstheorie). Unter dieser Vorgabe kann sich die favorisierte Leitidee „Evolution“ auch als nicht tragfähig erweisen oder es kann sein, dass bestimmte Daten nicht befriedigend gedeutet werden können. Das wiederum fordert ein Nachdenken darüber, ob die gewählte Leitidee „Evolution“ in der jeweils spezifischen Ausformung noch tragfähig ist oder einer Reform oder gar Ablösung bedarf.
In den letzten 160 Jahren wurden vielfältige, zum Teil widersprüchliche evolutionstheoretische Modellierungen oder historische Rekonstruktionen (bzw. historische Berichte nach GUTMANN) in die wissenschaftliche Diskussion eingebracht. Deutliche Differenzen unter den Evolutionsbiologen finden sich zum Beispiel, wenn man danach fragt, ob man spezielle Richtungen oder Tendenzen des evolutionären Prozesses retrospektiv erkennen kann und wer eigentlich Träger des evolutionären Wandels ist (Gene, Organismen, Populationen, Organismus-Umweltsysteme usw.). Aufgrund ihres naturhistorischen Charakters sind die einzelnen Evolutionstheorien nicht falsifizierbar, sie besitzen eine mehr oder weniger große Plausibilität (VOGT 2008, vgl. auch den Beitrag „Methodologie der Naturgeschichtsforschung“ in diesem Band). Denn ohne Wissen über den tatsächlichen Ablauf des naturhistorischen Prozesses „Evolution“ kann eine Entscheidung darüber, welcher phylogenetische Stammbaumentwurf oder welcher Evolutionsmechanismus der richtige ist, aus rein methodischen Gründen nicht getroffen werden. Es ist leider zur Regel geworden, den hier skizzierten Aspekt von „Evolution“ als Leitidee spezifischer Evolutionsmodelle zu verschleiern, zu ignorieren und nicht mehr zu thematisieren. Stattdessen werden die unter Verwendung der Arbeitshypothese ermittelten Ergebnisse, z. B. die Konstruktion von Stammbäumen und Cladogrammen, pauschal als empirischer Beweis für den historischen Prozess „Evolution“ präsentiert. Richtig ist, dass eine erfolgreiche evolutionsbiologische Forschung unter dem gewählten Paradigma „Evolution“ Selbiges stützt. Aber die Möglichkeit, biologische Fakten prinzipiell auch unter einer anderen Leitidee (z. B. Schöpfung, Intelligent Design) zu deuten und zu erklären, bleibt unverändert bestehen und muss offengehalten werden.
Um der Leitidee „Evolution“ eine steigende Plausibilität zur verleihen, ist ein Stehenbleiben auf Ergebnissen des Merkmalsvergleiches nicht ausreichend. Engagiert und aus unterschiedlichsten Blickwinkeln sucht die Evolutionsbiologie nach Ausgangsbedingungen und Mechanismen, die das Entstehen von Neuem (Makroevolution, Innovation, Bauplanwechsel), den Wandel (Mikroevolution) und das Vergehen von Vorhandenem der Organismen erklären. Die aus der funktional-analytisch orientierten Biologie verfügbaren Befunde (z. B. Mutation, horizontaler Gentransfer bei Bakterien, Wechselwirkung zwischen epigenetischen und genetischen Funktions- und Informationsträgern, ontogenetische Regulationskaskaden, Selektion, Populationsdynamik, Zusammenhang von Form und Funktion usw.) wurden und werden dabei retrospektiv in die Vergangenheit extrapoliert mit dem Ziel, sie zur Klärung der Mechanismen der Evolution und zur Erstellung eines Evolutionsverlaufes im Modus der hypothetischen Rekonstruktion zu nutzen (GUTMANN 2005). Hinsichtlich der Mechanismenfrage kann jedoch von einer steigenden Plausibilität der Leitidee „Evolution“ durch die Evolutionsforschung in den letzten 160 Jahren nicht gesprochen werden (vgl. den Beitrag „Gibt es eine naturwissenschaftliche Evolutionstheorie?“ in diesem Band).
Die vielfältigen ungeklärten Fragen und angebotenen Lösungsvorschläge zur Aufklärung der Evolutionsmechanismen sind ein Symptom dieser Situation. Die einzelnen divergierenden Ansätze lassen sich auch nicht einfach unter dem Namen einer Erweiterten Synthetischen Evolutionstheorie (ESET) miteinander verbinden (so versucht es z. B. KUTSCHERA 2007). Ein Blick in die aktuelle Literatur zeigt demgegenüber, dass widersprüchliche und einander ausschließende Ansätze im Rahmen