Treacherous Love. Jana Reeds
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Verdammt, ich hatte geglaubt, sie sei hier, um ein paar Tage mit Lou zu verbringen, und selbst diese Aussicht war schon schlimm genug gewesen. Aber als Archäologin für dieses Projekt? Das bedeutete, dass sie etwa ein halbes Jahr bliebe. An Bord. Auf einem Schiff, das sich jetzt, in diesem Augenblick, anfühlte, als hätte es die Maße einer Nussschale. Und selbst wenn das übertrieben war, wusste ich genau, dass ich ihr hier kaum aus dem Weg gehen konnte. Schlimmer noch, ich musste ab sofort auch noch jeden Tauchgang mit ihr besprechen. Mir von ihr vorschreiben lassen, was ich unter Wasser tun durfte und was nicht.
Mit anderen Worten: genau meine Definition der Hölle.
2
Marli
Ich träumte. Ja, genau so musste es sein. Ich steckte in einem obskuren Traum fest, und mein Körper weigerte sich, daraus aufzuwachen. Lou, meine einzige wirkliche Freundin, schipperte nun bereits seit Monaten irgendwo in Europa vor der spanischen Küste herum und ich vermisste sie wahnsinnig. Auch die Videoanrufe änderten daran nicht viel, denn sie konnten nicht einmal im Ansatz ersetzen, was wir seit Jahrzehnten aneinander hatten. Ja, daran lag es. Ganz sicher. Dieser wirre Traum kam daher, dass ich meine Freundin vermisste.
„Marli? Hallo? Erde an Marli, bitte auftauchen.“
Ich zuckte zusammen, als diese Worte zu mir durchdrangen, während ich gleichzeitig ziemlich unsanft in die Seite geknufft wurde. „Geht’s dir gut? Oder ist dir der Heli-Flug nicht bekommen? Dir ist doch nicht etwa übel? Ansonsten – links, die Tür, da geht’s ins Bad.“
Noch immer schweigend schüttelte ich den Kopf, aber so langsam kam ich wieder in der Realität an. Die Realität. So verwirrend es sich auch anfühlte – ich träumte nicht. Langsam drehte ich mich um und schaute Lou an, die mich besorgt musterte.
„Ich … Nein. Alles gut“, versuchte ich, sie zu beruhigen. „Ich bin okay.“
„Wirklich? Süße, ich kenne dich. Du siehst nicht so aus, als wäre alles okay. Du bist reichlich blass um die Nase – falls ich das mal so deutlich sagen darf.“
Ich winkte ab. „Das ist bestimmt nur der Jetlag. Und die letzten Tage waren ein wenig viel, ich fühle mich, als wäre das alles hier nur ein sehr merkwürdiger Traum. Als wäre ich in einem Disneyfilm gefangen.“
Lou lachte. „Keine Sorge, wir stimmen keine schnulzigen Lieder an und unser Mobiliar beginnt auch nicht zu reden oder zu tanzen. Soll ich dich vielleicht mal kneifen, damit du merkst, dass du nicht träumst?“
Bevor ich dieses Angebot ablehnen konnte, spürte ich bereits ihre Finger, die sich unsanft in meinen Unterarm gruben.
„Autsch! Verdammt, Lou, doch nicht so!“ Ich verzog das Gesicht und rieb mir über die schmerzende Stelle, an der ich deutlich die halbmondförmigen Abdrücke ihrer Fingernägel erkennen konnte.
Lou zuckte nur grinsend mit den Schultern. „Immerhin weißt du jetzt, dass du nicht träumst.“
„Ja … Unfassbar … Das hier ist tatsächlich alles real. Ich gebe zu: Ich bin ein wenig überfordert.“
Plötzlich wieder ernst, nickte Lou. „Das kann ich verstehen. Ich weiß genau, wie du dich fühlst. Mir ging es nicht anders, als ich auf die Jacht kam. Es ist, als würde man in eine fremde Welt eintauchen.“ Nachdenklich musterte sie mich, ich konnte deutlich sehen, wie sie ihre nächsten Worte abwog.
„Eigentlich hatte ich gedacht, ich zeige dir gleich das Schiff, aber nun … Vielleicht möchtest du erst einmal in Ruhe ankommen, die ganzen Eindrücke und die letzten Tage sortieren, bevor ich dich noch überfordere.“
„Ankommen ist eine gute Idee.“ Ich seufzte. „Ich glaube, ich brauche wirklich eine Pause – und vielleicht sogar ein Nickerchen gegen den Jetlag.“
„Okay, dann ruh dich erst einmal aus, in zwei Stunden gibt es Abendessen, da lernst du den Rest der Crew kennen. Tylers Mom ist ein Schatz, du wirst sie lieben. Und auch der Rest der Leute ist wirklich super! Aber nun … lasse ich dich allein. Nur damit du schon mal Bescheid weißt – meine Kabine ist zwei Türen weiter. Also wenn irgendwas ist … In den nächsten zwei Stunden findest du mich allerdings im Computerraum. Dylan geht gleich runter, ich möchte seinen Tauchgang über den Monitor verfolgen.“
Ich nickte nur müde. Die Aussicht auf zwei Stunden Ruhe verursachte eine akute Müdigkeit, als würde auf einen Schlag jedes letzte bisschen Kraft aus mir entweichen.
„Ich hole dich dann rechtzeitig zum Essen ab.“ Lou öffnete die Kabinentür und trat hinaus auf den Gang. Dann drehte sie sich noch einmal um und grinste mich breit an. „Ach, Marli … Herzlich willkommen auf der Seawind, deinem neuen Zuhause für die nächsten Monate.“
Lächelnd schloss ich die Tür hinter ihr, dann lehnte ich mich mit dem Rücken dagegen. Ich atmete tief durch, während ich meinen Blick durch die Kabine schweifen ließ. Das breite Bett, das mit seinen vielen weichen Kissen so einladend aussah, dass ich mich direkt hineinwerfen wollte. Die edlen, auf Hochglanz polierten Holzmöbel, die schweren, teuer aussehenden Vorhänge vor den Fenstern, die den Blick auf die Unendlichkeit des Atlantiks freigaben. Der Atlantik. Europa. Spanien. Noch immer konnte ich es nicht fassen und schüttelte den Kopf, während ich langsam durch die Kabine ging, meine Finger über das glänzende Holz streichen ließ, über die weiche Bettdecke. Meine Füße sanken in den dicken Teppich. Diese Kabine würde einer Suite in einem Fünf-Sterne-Hotel gerecht werden, so viel war klar. Nicht, dass ich bereits persönliche Erfahrungen mit Fünf-Sterne-Hotels hätte. So etwas lag nicht in meiner Preisklasse, ich zahlte noch immer mein Studiendarlehen zurück, das einen Großteil meines Lohns auffraß. Doch ich träumte gern und hatte schon so einige Dokumentationen über Nobelhotels, Kreuzfahrten und … Ja, über Schatzsuchen gesehen. Und plötzlich, von einem Tag auf den anderen, befand ich mich selbst mitten in einem solchen Abenteuer.
Ich lächelte, als ich an dem kleinen Schreibtisch stehen blieb. Ein in weiches Leder gebundenes Buch lag dort, daneben ein nagelneuer Füller und ein Zettel. Auf dem Buch waren zwei ineinander verschlungene Buchstaben eingeprägt – M und J. Marli Jones. Die Handschrift auf dem Stück Papier erkannte ich sofort.
„Lou, du bist wirklich unglaublich.“ Ich lächelte, als ich die wenigen Worte las, und mir stiegen vor Rührung ein paar Tränen in die Augen.
Eine besondere Reise verlangt nach einem besonderen Tagebuch.
Lou war die Einzige, die wusste, dass ich bereits seit meiner Kindheit Tagebuch schrieb. Und sie hatte recht – diese Reise erforderte ein ganz besonderes Tagebuch. Es kam mir fast vor, als könnte meine beste Freundin Gedanken lesen. Genau das hatte ich mir auch überlegt – und mir vorgenommen, mir beim ersten Landgang ein Tagebuch zu kaufen. Nun hatte sie das übernommen und mir damit ein wundervolles Willkommensgeschenk gemacht.
Ohne darüber nachzudenken, setzte ich mich an den Schreibtisch, der direkt vor einem der Fenster stand. Den Blick über das Meer gerichtet, überlegte ich nur kurz, dann schlug ich die erste leere Seite auf, griff nach dem Füller, und wie von selbst strömten die Worte aus mir heraus auf das Papier. Ich schrieb wie besessen, meine Müdigkeit war vergessen. Alles, was in den letzten Tagen, in den letzten zwei Wochen geschehen war, drängte nach draußen und ich füllte Seite um Seite.