Kirchliche Zeitgeschichte_evangelisch. Группа авторов

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Kirchliche Zeitgeschichte_evangelisch - Группа авторов Christentum und Zeitgeschichte (CuZ)

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hingen einer völkischen Religiosität an, wie sie sich bereits 1921 im »Bund für Deutsche Kirche« und 1925 im »Tannenbergbund« organisatorisch verfestigt hatte. Auch Hitlers Denken schöpfte aus dieser diffusen völkischen Religiosität, in der die Vorsehung und der Erwählungsgedanke eine wichtige Rolle spielten. Um jedoch nicht in Konflikt mit den Kirchen zu kommen, wies er die Vertreter der neuheidnischen völkischen Religiosität innerhalb der NSDAP in ihre Schranken. Von 1930 an demonstrierte Hitler eine kirchenfreundliche Haltung, um Stimmen im nationalprotestantischen Lager zu gewinnen.

      Theologiestudenten, Vikare und jüngere Pfarrer neigten seit 1930 zunehmend zur NSDAP. Auch in den evangelischen Vereinen waren Nationalsozialisten aktiv. Vertreter des Evangelischen Bundes wie der Vorsitzende des Rheinischen Hauptvereins, Hermann Kremers, sympathisierten mit der ›Bewegung‹. Bei Wahlen erhielt die NSDAP vor allem im vormals konservativen, ländlichen Protestantismus viel Zuspruch. Evangelische Bauern waren eine frühe und treue Wählerbastion der NSDAP. Später kamen evangelische Wähler der Mittelschichten und des städtischen Kleinbürgertums dazu. Im September 1930, als die Partei unerwartet 18,3% der Stimmen erhielt, war ihr Wähleranteil in protestantischen Gebieten überproportional hoch. Auch im Juli 1932 erreichte die NSDAP in den vorwiegend protestantischen Gebieten wie Ostpreußen, Hannover, Schleswig, Sachsen, Thüringen und Teilen Württembergs überproportional gute Ergebnisse. Hierfür waren zuvörderst ein übersteigerter Nationalismus verbunden mit dem Glauben an einen in der Geschichte handelnden Gott ausschlaggebend. Die nationalprotestantische Mentalität war tief verankert und der Protestantismus hatte mit seinem Kampf gegen die ›Versklavung von Versailles‹ großen Anteil an der Radikalisierung des deutschen Nationalismus nach dem Ersten Weltkrieg. In der Endphase der Weimarer Republik nahmen Nationalismus und auch Militarismus dann noch einmal zu. Die Sehnsucht auf eine ›nationale Wiedergeburt‹ war groß. Die nationale Idee erschien vielen Protestanten in Zeiten gesellschaftlicher Unsicherheiten als Schutzdamm gegen Bolschewismus und Internationalismus – vertreten durch Jesuiten, Sozialisten und Juden. Die antisemitische NS-Propaganda mit den populären Stereotypen des ›jüdischen kapitalistischen Ausbeuters‹ und des ›jüdischen Materialismus‹ verfingen im protestantischen Milieu – vor allem auf dem Lande. Die ›Judenfrage‹ war in evangelischen Sonntagsblättern ein viel diskutiertes, zumeist mit antijüdischen Ressentiments behandeltes Thema. Hoffnungen in die Nationalsozialisten setzten viele evangelische Kirchenchristen auch im Hinblick auf eine Rückgewinnung der zunehmend kirchenfernen Teile der protestantischen Arbeiterschaft für die Kirche. Die nationalsozialistische Kampfansage an den politischen Katholizismus kam im evangelischen Milieu ebenfalls gut an. Die NSDAP präsentierte sich aller konfessionellen Neutralität zum Trotz in manchen Gegenden wie z. B. in der Pfalz als evangelische Partei. Eine erhebliche Rolle spielte auch der weitverbreitete politische Messianismus. Die seit 1918 gehegte Hoffnung, ein von Gott gesandter ›starker Mann‹ werde Deutschland wieder zu alter Größe führen, verband sich mit dem insbesondere in der Jugendbewegung verbreiteten antidemokratischen Führerideal und spielte Hitler und den Nationalsozialisten in die Hände.

      1932 übte der Herausgeber des Kirchlichen Jahrbuches, der Lutheraner Hermann Sasse, scharfe theologische Kritik am »messianische[n] Führerkult« [Sasse, 5]. Theologische Kritik zielte auch auf den NS-Rassengedanken und das Vorhaben einer ›Entjudaisierung‹ des christlichen Glaubens. Vertreter der Dialektischen Theologie erteilten dem Nationalsozialismus mit ihrem eschatologischen Radikalismus und christologischen Zentrismus jeder religiösen Verklärung historischer Gegebenheiten und natürlicher Ordnungen eine radikale theologische Absage. Ein Hauptansatzpunkt evangelischer Kritik war Alfred Rosenberg, der führende Ideologe der NSDAP, und sein 1930 veröffentlichtes, gegen das Christentum gerichtetes Buch »Der Mythus des 20. Jahrhunderts«, in dem er Geschichtsphilosophie und rassistische Mystik vermischte.

      Insgesamt zielte protestantische Kritik am Nationalsozialismus vornehmlich auf einzelne Teile von dessen ›Weltanschauung‹ und kaum auf dessen politisches Programm. Letzteres fand mit den Forderungen nach Beseitigung des ›Versailler Schanddiktats‹, nach Bekämpfung von Kommunismus und ›jüdischem Bolschewismus‹, nach einem starken Staat und nach Überwindung des westlichen Individualismus und des politischen Streits in der ›Volksgemeinschaft‹ viel Widerhall im protestantischen Milieu. Andere Programmpunkte wurden ebenso wie der ›Radauantisemitismus‹ oft als ideologische ›Auswüchse‹ banalisiert.

      Der Deutsche Evangelische Kirchenausschuss unter Hermann Kapler unterschätzte Anfang der dreißiger Jahre zunächst die Sog- und Schlagkraft der NS-Bewegung. In zwei geheimen Gesprächen mit NSDAP-Politikern versuchte Kapler genaueres über die kirchenpolitische Haltung und das politische Programm der Partei herauszufinden. Anschließend stufte er die NSDAP als politikunfähig und gefährlich ein. Eine öffentliche Stellungnahme gegen die Partei vermied er jedoch, da er glaubte, damit die Befugnisse der Kirche zu überschreiten, und er zugleich wusste, dass die NSDAP in kirchlichen Kreisen viele Sympathien genoss. Schätzungen gehen davon aus, dass bei den Reichspräsidentenwahlen 1932 etwa 60% der kirchennahen evangelischen Wähler für Hitler stimmten. Im Gegensatz zur katholischen Kirche hielten sich die evangelischen Kirchenleitungen insgesamt mit Stellungnahmen zur politischen Entwicklung zurück. Auch in den politischen Wirren der Endphase der Weimarer Republik glaubte man, weiterhin ›über den Parteien‹ stehen zu müssen und zu können. Damit aber überließen die Kirchenführer die erste deutsche Demokratie den Angriffen ihrer rechten und linken Gegner. Mit verschiedenen Erlassen versuchten die Kirchenleitungen, zumindest der wachsenden Politisierung gerade der jüngeren Pfarrer Einhalt zu gebieten. Doch selbst stark engagierten nationalsozialistischen Pfarrern drohten selten Sanktionen. Die Kirchenleitungen mahnten ganz allgemein zu politischer Zurückhaltung, ohne explizit auf den Nationalsozialismus einzugehen. Man wollte, so eine gängige kirchliche Argumentation, gegenüber der NS-Bewegung nicht denselben Fehler machen wie gegenüber der Arbeiterbewegung, deren Glieder der Kirche letztendlich verloren gegangen waren. Auf der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchenausschusses im November 1932 erklärte zwar einer der Teilnehmer, dass sich in der Beurteilung des Christentums durch die NSDAP eine für kirchliche Erkenntnis und kirchliches Wesen grundstürzende Verkehrung des Urteils zeige. Eine kirchliche Verlautbarung gegen das rassistische und völkisch-heidnische Ideenkonglomerat der Nationalsozialisten kam aufgrund der uneinheitlichen Meinungen unter den Kirchenführern jedoch nicht zustande.

      Am 17. Juli 1932 starben nach einem provokanten Werbemarsch der SA durch das ›rote Altona‹ 18 Menschen, zwei vermutlich durch kommunistische Schützen, 16 durch Polizeikugeln. Dieser ›Altonaer Blutsonntag‹ wurde zum Auslöser für den Versuch einer kirchlichen Identitätsklärung. 21 Altonaer Pastoren um Hans Asmussen verfassten das ›Altonaer Bekenntnis‹, das am 11. Januar 1933 verkündet wurde und auf viel Zustimmung stieß. Die Pastoren sahen den Auftrag der Kirche angesichts der gewalttätigen politischen Auseinandersetzung darin, auf Gottes Ordnung im Staatswesen und auf ein Leben nach Gottes Geboten zu verweisen. Auf diese Weise sollte den pseudoreligiösen politischen Utopien von rechts und links begegnet werden.

      Am frühesten und entschiedensten nahmen jedoch liberale Theologen und Religiöse Sozialisten gegen die NSDAP, deren Ideologie und politischen Ziele Stellung. Sie warnten vor Antisemitismus, Militarismus und dem Ende der Meinungsfreiheit. Gerade die Argumentation der Religiösen Sozialisten aber empfanden viele Protestanten als politisch-ideologisch und verwiesen auf die Situation der Kirchen in der Sowjetunion. Insgesamt machten die erklärten Gegner der Nationalsozialisten in der Weimarer Republik nur eine kleine Minderheit im deutschen Protestantismus aus.

      Bormuth, Daniel: Die Deutschen Evangelischen Kirchentage in der Weimarer Republik (KoGe 41). Stuttgart 2007.

      Büttner, Ursula: Weimar. Die überforderte Republik 1918–1933. Leistung und Versagen in Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur. Stuttgart 2008.

      Inacker, Michael J.: Zwischen Transzendenz, Totalitarismus und Demokratie. Die Entwicklung des kirchlichen Demokratieverständnisses von der Weimarer Republik bis zu den Anfängen der Bundesrepublik 1918–1959 (HTSt 8). Neukirchen-Vluyn 1994.

      Nowak, Kurt: Geschichte des Christentums in Deutschland. Religion, Politik

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