Kirchliche Zeitgeschichte_evangelisch. Группа авторов

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Kirchliche Zeitgeschichte_evangelisch - Группа авторов Christentum und Zeitgeschichte (CuZ)

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Ordnung ermöglichte die Einbindung nationaler Werte und Ordnungen in das theologische Denken (neben Althaus vor allem Hirsch). Das führte im konservativen Luthertum zu einem überhöhten und moralisierenden Staatsideal, das gewissermaßen den legitimatorischen Übergang vom Abgesang der zerfallenden Weimarer Republik hin zur lautstarken Begrüßung des NS-Staats moderierte.

      Die sich scheinbar unter den Zentrifugalkräften der Weimarer Republik auflösende Welt fand im Rekurs auf die verlässlichen Orientierungsmarken der christlichen Tradition einen neuen sinnstiftenden Zusammenhalt. Das galt auch für die sogenannte Lutherrenaissance, die Karl Holl schon seit 1917 mit einer nachdrücklichen Herausstellung der Rechtfertigungslehre Luthers als das systematische Zentrum seiner Theologie eingeleitet und geprägt hatte.

      Trotz eines üppigen Reichtums an neuen theologischen Programmen gilt: Der Sinn für das, was die parlamentarisch-demokratische Verfassungsrealität erforderlich machte, war nur schwach ausgeprägt, eine »veritable Theologie der Demokratie sucht man in den zwanziger Jahren vergebens« [Nowak, Protestantismus, 229].

      Der gesamte Sektor der Bildung stand nach dem politischen Umbruch von 1918 auf dem Prüfstand. Die strittige Frage nach der Bedeutung der Kirchen im Weimarer Staat betraf auch den konfessionell gebundenen Religionsunterricht (RU). Die christlichen Staatsschulen galten als abgeschafft (WRV §137,1), der nunmehr säkular gefassten staatlichen Schulhoheit waren fortan die ›religiösen Bezüge‹ des schulischen Unterrichts geschuldet. Der zwischen Zentrum und Sozialdemokratie mit Blick auf die WRV erzielte Schulkompromiss sah für alle Bekenntnisse eine gemeinsame Simultanschule vor, wobei die Eltern für ihr Kind zwischen einer konfessionellen oder bekenntnisfreien Schule wählen konnten. Diese Lösung verschaffte dem RU in der Weimarer Republik einen vergleichsweise sicheren Stand.

      Das Feld der Religionspädagogik war positionell geteilt. Zunächst wirkten liberale Traditionen weiter und führten zu Konzeptionen, die sich gegenüber Psychologie und liberaler Theologie aufgeschlossen zeigten und das religiöse Subjekt ins Zentrum stellten. Ansätze mit ordnungstheologischen Inhalten rückten dagegen als Bezugspunkte die Kirche oder die Schöpfungsordnungen in den Mittelpunkt. Im Rahmen dieser reflexiven Bemühungen um den RU vollzog sich – noch mangels eines akademischen Raumes für entsprechende Theoriebildungen – ansatzweise die Zusammenführung unterrichtspraktischer Modelle zu einer konsistenten religionspädagogischen Theorie.

      Der Bereich der Kultur unterlag nach dem Ende des Kaiserreichs in der protestantischen Theologie einem fundmentalen Bedeutungswandel. Die liberale Theologie hatte den Kulturbegriff ins Zentrum gerückt, was durch die Kriegsereignisse radikal in Frage gestellt wurde, sodass der Begriff nunmehr zum Ziel einer pointierten Kultur- und Religionskritik wurde. Die Dialektische Theologie erlebte den Krieg als Epochenbruch und deutete die Zeit nach 1918 als Krise aller Kultur. Selbst die theologischen Erwägungen Paul Tillichs, mit denen er 1919 eine bloße, reduktionistische Kirchentheologie konfrontierte, waren von einer krisentheoretischen Zeitdiagnose bestimmt.

      Das Kulturleben der Weimarer Republik war bestimmt von der »Explosion der Moderne« [Nowak, Geschichte, 205] und zeigte sich – in der Wirkung häufig verstärkt durch die aufkommenden technischen Reproduktionsmedien Rundfunk und Kino – facettenreich und nicht selten innovativ. Die protestantische Wahrnehmung des Kulturangebots fiel auch auf diesem Feld disparat aus. Angetrieben von funktionalen Nützlichkeitserwägungen wurde August Hinderer nach 1918 zur treibenden Kraft einer Neuausrichtung des evangelischen Pressewesens. Konservative protestantische Stimmen waren immer vernehmbar und bedachten die aufkommende Film- und Kinoszenerie aus sittlichen Erwägungen mit harscher Kritik. Die aufblühende Literaturszene bildete bis hin zu ihren herausragenden Protagonisten wie Thomas Mann, Hermann Hesse oder Ricarda Huch den Protestantismus angemessen facettenreich ab. Kunst und Architektur im kirchlichen Bereich nahmen den Pluralismus der Stile und Formen der Weimarer Jahre nur bedingt auf. Otto Bartnings modernes Kirchenbauprogramm markierte eine herausragende Ausnahme. Ganz ähnlich gestaltete sich die Entwicklung der Kirchenmusik, die sich analog zur sonstigen Entwicklung in der evangelischen Kirche eher konventionell gestaltete.

       5. Gestaltungsräume: Ökumene und Diakonie

      Ein entscheidender Anstoß zur Ökumenischen Bewegung des 20. Jahrhunderts erfolgte bereits vor dem Ersten Weltkrieg mit der ersten Weltmissionskonferenz, die 1910 in Edinburgh statt fand. Im Rahmen dieses Zusammentreffens wurden gemeinsame Missionsstrategien für den Gesamtprotestantismus vereinbart. Von hier aus gingen insbesondere durch den gegründeten Internationalen Missionsrat entscheidende Impulse aus, die bis zur späteren Konstituierung des Ökumenischen Rates der Kirchen 1948 fortwirkten.

      Der Weltkrieg hatte auf die Ökumenische Bewegung eine insgesamt förderliche Wirkung: die Kirchen waren in den kriegsbedingten Bedrängnissen insgesamt näher aneinander gerückt. Neben der Mission begannen nun auch theologische Grundfragen und die Ethik eine größere Rolle zu spielen. Allerdings hatte es die deutsche evangelische Kirche wegen der Schuld, die Deutschland am Ausbruch des Krieges zugeschrieben wurde, nicht leicht, ihren Platz in der neuen weltweiten Kirchengemeinschaft zu finden. Die angelsächsischen und skandinavischen Kirchen leisteten nach dem Ersten Weltkrieg einen signifikant größeren Beitrag zur Ökumenischen Bewegung als die deutsche evangelische Kirche.

      Es war der Deutsche Friedrich Siegmund-Schultze, der unmittelbar zu Beginn des Ersten Weltkriegs den Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen mitbegründet hatte. Aus dieser Arbeit entwickelte sich unter Führung des schwedischen Erzbischofs Nathan Söderblom die Ökumenische Bewegung für Praktisches Christentum. Die Bewegung vertrat den Anwendungsaspekt christlicher Ethik und war inhaltlich auf die sozialen Probleme des modernen Lebens ausgerichtet. Der DEKB hatte sich von Anfang an diesem Zweig der Ökumene beteiligt. Zur ersten Weltkonferenz für Praktisches Christentum 1925 in Stockholm waren die deutschen Protestanten durch eine offizielle Delegation vertreten. Auch im Namen des DEKB erging die Botschaft von der Stockholmer Konferenz für die Wertschätzung seelischer Werte, für die Bedeutung internationaler Beziehungen und für eine weltweite Reich-Gottes-Arbeit. An der zwei Jahre später stattfindenden Folgekonferenz in Lausanne nahmen erneut deutsche Vertreter teil.

      Die Ökumenische Bewegung für Glaube und Kirchenverfassung war aus der Weltmissionskonferenz von Edinburgh 1910 hervorgegangen, sie hatte eine bekenntnistheologische Ausrichtung. Das Ziel war eine sorgfältige Analyse der theologischen Bekenntnisse, um zu ermitteln, in welchen Punkten zwischen den einzelnen Konfessionen trennende Gegensätze wirkten und auf welcher Basis eine Wiedervereinigung möglich sein könnte. An dieser Konferenz hatte es keine offizielle Beteiligung des DEKB gegeben, denn er hatte in bekenntnistheologischen Fragen keinen Vertretungsanspruch für die deutsche evangelische Kirche, bei der Bekenntnisfragen und die Kirchenverfassung in der Obhut der einzelnen Landeskirchen lagen.

      Insgesamt galt für diese zwischenkirchlichen Bemühungen, dass sich die Bedingungen für die ökumenische Arbeit in dem Maße erschwerten, in dem die NS-Herrschaft näher rückte.

      In konfessioneller Hinsicht waren in den Weimarer Jahren weiter die lutherischen Kirchen engagiert. In Deutschland war seit 1868 die Allgemeine Evangelisch-Lutherische Kirchenkonferenz auf dem Weg. Entgegen aller kriegsbedingten nationalen Rückzugsbewegungen kam es fünf Jahre nach Kriegsende in Eisenach zum weltweiten Zusammenschluss lutherischer Kirchen im Lutherischen Weltkonvent.

      Die Ökumenische Bewegung vollzog sich ohne Beteiligung der katholischen Kirche. Papst Pius XI. hatte seine Kirche 1928 in der Enzyklika »Mortalium animos« auf einen anderen Kurs der Ökumene verpflichtet: »Rückkehr aller getrennten Brüder zur einen wahren Kirche Christi« [Greschat/Krumwiede, 58–60], die freilich allein im Vatikan ihr Zentrum hatte. Ungeachtet punktueller Annäherungen auf pfarramtsbezogener Ebene zwischen evangelischer und katholischer Kirche kam es zu einer engeren Form ökumenischer Verbundenheit erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als sich beiden Großkirchen in etwa die gleichen kriegsbedingten Aufgaben stellten.

      Die

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