Kirchliche Zeitgeschichte_evangelisch. Группа авторов

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Kirchliche Zeitgeschichte_evangelisch - Группа авторов Christentum und Zeitgeschichte (CuZ)

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und viele evangelische Pfarrer 1925 beherzt Partei. Die DNVP hatte den ›Kriegshelden‹ im zweiten Wahlgang gegen den von der SPD unterstützten Zentrumspolitiker Wilhelm Marx aufgestellt, woraufhin der Evangelische Bund zur Wahrung der deutsch-protestantischen Interessen die Wahl zu einem Kampf der Konfessionen erklärte. Demokratische Protestanten wie Otto Baumgarten oder Adolf von Harnack, die sich für Marx aussprachen, wurden entsprechend hart attackiert.

       4. Der Protestantismus und die politischen Parteien

      Circa zwei Drittel der evangelischen Pfarrer und die überwiegende Mehrheit der kirchennahen Protestanten in der Weimarer Republik lassen sich dem nationalkonservativen politischen Spektrum zurechnen. In diesem konservativen Protestantismus setzte sich bereits 1919 der Eindruck fest, die Republik werde von den Widersachern der evangelischen Kirche – dem Katholizismus, der ›gottlosen‹ Sozialdemokratie und den ›jüdischen‹ Linksliberalen – beherrscht und man selbst habe nach dem Ende des Bündnisses von Thron und Altar keinen direkten politischen Einfluss mehr.

      Der Hauptwidersacher war und blieb die Sozialdemokratie, obgleich sich diese religionspolitisch zumeist durchaus pragmatisch verhielt. Zum ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert (SPD) wurde kirchenoffiziell keinerlei Kontakt gesucht; bei seinem Tod im Februar 1925 schwieg die evangelische Kirche. Im Juni 1926 lehnte der Deutsche Evangelische Kirchenausschuss öffentlich den von der KPD angeregten und von der SPD befürworteten Volksentscheid zur entschädigungslosen Fürstenenteignung ab und verwies auf das biblische Gebot »Du sollst nicht stehlen«. Das Privateigentum wurde damit christlich legitimiert und angesichts des ›bolschewistischen‹ Angriffs auf die politische Ordnung eine anhaltende Loyalität gegenüber den ehemaligen Monarchen demonstriert. Pfarrer, die öffentlich für den Volksentscheid votierten, erfuhren amtskirchliche Disziplinarmaßnahmen. Kirchenleitungen riefen die evangelischen Christen dazu auf, sich der Wahl zu enthalten, damit das erforderliche Quorum nicht erreicht werde, was dann auch der Fall war. In der Auseinandersetzung um die Aufwertungsgesetzgebung und ihre Folgen für Kleinsparer und Kleinrentner ließ der Protestantismus hingegen einen ähnlich starken Einsatz zugunsten des ökonomisch unter Druck geratenen Mittelstands vermissen.

      Die eher kirchenferne evangelische Arbeiter- und Arbeitnehmerschaft verhalf der SPD zu hohen Wahlergebnissen. Die Sozialdemokratie war zumeist auch die politische Heimat der wenigen, aber agilen Religiösen Sozialisten, die sich um eine Öffnung konservativer Kirchenkreise für soziale Gegenwartsfragen bemühten. Bereits 1919 forderte der Theologe Paul Tillich zu einem gemeinsamen Kampf von Kirche und Sozialdemokratie gegen den ökonomischen und nationalen Egoismus auf. Die evangelische Kirche äußerte sich zunächst kaum öffentlich zu wirtschafts- und sozialethischen Fragen. 1924 aber verabschiedete der Kirchentag in Bethel eine Soziale Kundgebung »An das deutsche Volk!«. In ihr wurde eine besorgniserregende Verschärfung der sozialen Spannungen und ein ›materialistischer Geist‹ beklagt sowie an die christlich-soziale ›Gesinnung‹ appelliert [Soziale Kundgebung, 217f.]. Die Arbeitgeber wurden auf ihre soziale Verantwortung hingewiesen und den Arbeitern das Recht zur gewerkschaftlichen Selbstorganisation bestätigt. Als Volkskirche bemühte man sich um ein ausgewogenes Verhältnis zu beiden gesellschaftlichen Gruppen. Konkrete Lösungsvorschläge für aktuelle soziale Konflikte unterblieben. Vertreter des Religiösen Sozialismus wie Emil Fuchs kritisierten daher die wirtschafts- und sozialpolitische Zurückhaltung der Kundgebung.

      Der Katholizismus besaß seit dem Kaiserreich mit der Deutschen Zentrumspartei eine effektive Interessensvertretung, wie sie dem Protestantismus fehlte. Von 1919 bis zum Sturz von Reichskanzler Heinrich Brüning war das Zentrum dann an allen Regierungen beteiligt. Zwar teilte der konservative Protestantismus mit dem Zentrum viele kirchenpolitische Standpunkte, dennoch war für ihn eine Unterstützung der de facto katholischen Partei undenkbar. Der tiefe Gegensatz der Konfessionen blieb in Weimar erhalten und prägte auch das politische Leben.

      Die kleine Minorität der liberalen Protestanten votierte zumeist auch politisch liberal. Ihre Vertreter wollten die Demokratie mitgestalten, die sozialen Gegensätze versöhnen und im Rahmen des Völkerbundes für den Frieden arbeiten. In den Anfangsjahren der Republik hielten sie sich zur linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei, in der einige Theologen eine wichtige Rolle spielten. Den nationalkonservativen Protestanten galt die Partei hingegen als zu prodemokratisch, ›jüdisch‹ und großkapitalistisch. Später wurden die politischen Präferenzen der liberalen Theologen uneinheitlicher. Mehrere entschieden sich für die nationalliberale Deutsche Volkspartei, wenige für die SPD und einige Jüngere wanderten zur NSDAP ab.

      Trotz Anti-Parteien-Affekt waren auch Protestanten in Parteien aktiv und gingen evangelische Christen zur Wahl. Während kirchenferne Protestanten zu großen Teilen linke Parteien wählten, war die politische Heimat jener kirchengebundenen Protestanten, die der Demokratie und der Republik skeptisch bis ablehnend gegenüberstanden, bis Mitte der zwanziger Jahre die rechtskonservative, monarchistische Deutschnationale Volkspartei, in der sich die unterschiedlichsten Republikgegner sammelten. In der Parteiprogrammatik der DNVP gingen Nationalismus und Christentum eine innige Bindung ein. Ihre Abgeordneten auf Reichs- oder Länderebene gehörten mehrheitlich der evangelischen Kirche an, darunter allein 24 evangelische Pfarrer. Die Partei hatte im gesamten Verbandsprotestantismus zahlreiche Anhänger. Auch die Kirchenleitungen unterstützten trotz vermeintlicher Überparteilichkeit faktisch die DNVP, was auch in dem zeitgenössischen Bonmot zum Ausdruck kam: ›Die Kirche ist politisch neutral, aber sie wählt deutschnational‹. Dennoch entwickelte sich die DNVP nie zum politischen Arm des deutschen Protestantismus. Vor allem unter dem Vorsitz des Medienunternehmers Alfred Hugenberg kam es zu einer Entfremdung konservativer Protestanten von der Partei, die nun offen republikfeindlich sowie einseitig zugunsten von Schwerindustrie und Großagrariern auftrat.

      Evangelische Parteigründungen waren wenig erfolgreich, zumal eine solche Parteibildung »als parteipolitische Verzerrung des aufs Gemeinwohl gerichteten evangelischen Ethos« [Nowak, Geschichte, 226] erschien. Auf Initiative von pietistisch geprägten Gemeinschaften und Freikirchen bildete sich 1924 der »Reichsverband der christlich-sozialen Gesinnungsgemeinschaften«, aus dem 1927 in Nürnberg der »Christliche Volksdienst« hervorging. 1928 spaltete sich die »Christlich-Soziale Reichsvereinigung« von der DNVP ab und schloss sich Ende des Jahres mit dem »Christlichen Volksdienst« zum »Christlich-Sozialen Volksdienst« zusammen. Diese Splitterpartei fand vor allem Zulauf von evangelischen Frauen. Bei der Reichstagswahl von 1930 gewann die Partei überproportional Stimmen in Regionen, welche durch eine starke pietistische oder freikirchliche Tradition geprägt waren, u. a. in Ostpreußen, Ostwestfalen, Württemberg, Baden, Hessen-Nassau, dem Siegerland und der Grafschaft Bentheim. Bei den Wahlen im Juli und November 1932 wechselten dann viele ihrer bisherigen Wähler und Wählerinnen zur NSDAP.

      Die alten nationalprotestantischen Kreise mit den jungen nationalistischen Kräften zu verbinden, war Ziel der 1930 gegründeten Christlich-deutschen Bewegung (CdB) unter Vorsitz des pommerschen Großgrundbesitzers Ewald von Kleist-Schmenzin. Sie unterstützte die monarchistische und nationalistische Opposition gegen die Republik und erhoffte sich eine antimodernistische Kulturpolitik und eine antidemokratische Staatsführung auf christlicher Grundlage. Ihre theologische und politische Ausrichtung war jedoch uneinheitlich. Vor allem die jüngeren Mitglieder wollten die CdB an die Nationalsozialisten heranführen.

      Die 1920 gegründete NSDAP hatte in Punkt 24 ihres Parteiprogramms religionspolitisch eine völkisch-antisemitische Position bezogen. Danach sollten im Staat alle religiösen Bekenntnisse frei sein, sofern sie nicht dessen Bestand gefährdeten oder ›gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse‹ verstießen. Im Hinblick auf das Christentum waren die Aussagen interpretationsoffen. Die NSDAP stellte sich auf ›den Standpunkt eines positiven Christentums‹, erklärte aber zugleich, ›den jüdisch-materialistischen Geist in und außer uns‹ zu bekämpfen, was auch auf die ›jüdischen‹ Anteile im Christentum zielte. Das fand Widerhall bei solchen Geistlichen, die verschiedenen Strömungen völkischer Religiosität anhingen. Führende Nationalsozialisten wiederum förderten deutsch-christliche Gruppierungen in der evangelischen

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