Zwei Jahre Ferien. Jules Verne
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So eilig es Briant und Doniphan indes mit ihrem Ausflug hatten, zwang sie ein Umschlag der Witterung doch, diesen zu vertagen. Am nächsten Morgen fiel nämlich mit einzelnen Unterbrechungen ein recht kalter Regen herab. Das fortwährende Fallen des Barometers stellte eine Periode unsteter Witterung in Aussicht, von der niemand vorher wissen konnte, was sie mit sich bringen würde. Unter solchen ungünstigen Bedingungen wäre es mehr als tollkühn gewesen, sich weiter hinaus zu wagen.
Übrigens war das gewiss nicht besonders zu beklagen. Es versteht sich zwar von selbst, dass es alle — von den Kleinsten kann hierbei nicht die Rede sein — verlangte zu wissen, ob das Meer sie von allen Seiten umschloss. Doch wenn sie auch die Gewissheit erlangten, auf einem Festland zu sein, hätten sie wohl daran denken können, quer durch ein ihnen völlig unbekanntes Land zu wandern, und noch obendrein, wenn der Eintritt schlechterer Jahreszeit allen Anzeichen nach so nahe bevorstand? Konnten sie die Anstrengung eines Marsches aushalten, der sich möglicherweise über Hunderte von Meilen hin erstreckte?
Hätte der Kräftigste von ihnen Ausdauer genug besessen, ein so fernes Ziel zu erreichen? Nein! Um ein solches Unternehmen voraussichtlich glücklich durchzuführen, musste dasselbe bis zurzeit der langen Tage verschoben werden, wo keine Unbill der Witterung, wie sie der Winter mit sich bringt, zu befürchten war. Die kleine Gesellschaft musste sich wohl oder übel entschließen, die kalte Jahreszeit auf dem »Sloughi« auszuhalten.
Gordon hatte sich inzwischen die Mühe nicht verdrießen lassen, festzustellen, in welchem Teil des Ozeans der Schiffbruch wohl stattgefunden hätte. Der Stieler’sche Atlas, der zur Bibliothek der Yacht gehörte, enthielt auch eine Reihe von Karten des Stillen Ozeans. Verfolgte man nun die Wegstrecke von Auckland bis zur Westküste Amerikas, so lag nördlich derselben und jenseits der Pomotu-Inseln nichts als die Osterinsel und die Insel Juan Fernandez, auf der Selkirk — ein wirklicher Robinson — einen Teil seines Lebens zugebracht hatte. Nach Süden zu fand sich kein Land bis nach den unbegrenzten Flächen des antarktischen Ozeans. Weiter östlich stieß man dann auf die längs der Küste Chiles verstreuten Chiloë- oder Madre-de-Dios-Inseln, und tiefer unten auf die Magellan-Straße1 und das Feuerland, um welche am Kap Hoorn das Meer stets mit furchtbarem Wüten brandete.
War der Schoner gar auf eine dieser öden Inseln verschlagen worden, welche nur die Pampas zu Nachbarn haben, so würden die Knaben Hunderte von Meilen zurückzulegen haben, um nach den bewohnten Gebieten Chiles, La Platas oder der argentinischen Republik zu gelangen. Welche Hilfsmittel boten ihnen aber diese ungeheuren Einöden, wo Gefahren aller Art den Reisenden bedrohen?
Solchen Aussichten gegenüber empfahl es sich, mit größter Vorsicht zu Werke zu gehen und sich nicht einem elenden Untergang auf dem Wege durch unbekannte Gebiete auszusetzen.
Das war nicht nur Gordons Ansicht, sondern Briant und Baxter teilten dieselbe gleichmäßig, und Doniphan und sein Anhang mussten sich ihr am Ende gezwungen auch anschließen.
Der Plan einer nach Osten weiter zu verfolgenden Nachforschung, um die Land- und Wasserverhältnisse daselbst genau kennenzulernen, blieb natürlich bestehen, konnte jedoch während der folgenden vierzehn Tage nicht zur Ausführung gebracht werden. Das Wetter wurde geradezu abscheulich; es regnete oft vom Morgen bis zum Abend und fast unausgesetzt heulte ein mächtiger Sturm. Der Ausflug musste also wohl oder übel verschoben werden, sosehr es sie auch verlangte, die so wichtige Frage über die Natur des Landes, auf dem sie weilten, endgültig gelöst zu sehen.
Während dieser langen stürmischen Tage sahen sich Gordon und seine Kameraden auf das Schiff beschränkt, ohne dass sie deshalb untätig blieben. Einesteils erforderten alle Geräte usw. eine fortwährende Aufmerksamkeit, und dann hatten sie auch stets Beschädigungen der Yacht auszubessern, welche von dem Ungestüm des Wetters recht ernstlich zu leiden hatte. Die Planken begannen allmählich sich weiter zu öffnen, und das Deck war nicht mehr wasserdicht. An einigen Stellen drang der Regen schon durch die Fugen, deren Werg sich allmählich ausfaserte, sodass sich deren frische Kalfaterung unverzüglich nötig machte.
Sehr dringend erschien es nun auch, ein minder unzuverlässiges Obdach zu suchen. An eine »Auswanderung« nach dem fernen Osten war unter fünf bis sechs Monaten doch nicht zu denken, und so lange hielt der »Sloughi« sicherlich nicht mehr zusammen. Mussten sie diesen aber während der rauen Jahreszeit verlassen, wo hätten sie Unterkunft finden sollen, da der Westabhang des Steilufers nicht einmal eine Aushöhlung darbot, welche benutzt werden konnte? Jedenfalls mussten also an der anderen Seite desselben neue Nachforschungen angestellt werden, um dort, geschützt vor den Seewinden, wenn es nicht anders anging, eine für alle ausreichende Wohnung zu erbauen.
Die jetzt dringendsten Ausbesserungen bezweckten übrigens weniger, dem eindringenden Wasser als der Luft die Wege in den Schiffsrumpf zu verschließen und die innere Wegerung,2 welche sich schon abzulösen begann, noch einmal zu befestigen. Gordon hätte gerne die Reservesegel zur Umhüllung des ganzen Rumpfes der Yacht verwendet; er schrak aber doch davor zurück, diese dichten Gewebe zu opfern, welche vortrefflich zur Errichtung eines Zeltes dienen konnten, wenn sie zufällig in die Lage kamen, vorübergehend vielleicht gar unter freiem Himmel zu nächtigen.
Inzwischen war die gesamte Ladung in einzelne Ballen verteilt und in Gordons Notizbuch diejenigen derselben mit Nummern bezeichnet worden, welche im Notfall schleunigst ans Land geschafft werden sollten.
Klärte sich das Wetter einmal für wenige Stunden auf, so zogen Doniphan, Webb und Wilcox sogleich zur Jagd auf Felstauben hinaus, welche Moko mit mehr oder weniger Erfolg in verschiedener Weise zuzubereiten sich bemühte. Andererseits beschäftigten sich Garnett, Service und Cross, denen sich auch die Kleinen anschlossen und die selbst Jacques zuweilen begleitete,