Gesammelte Werke. Heinrich Mann

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Gesammelte Werke - Heinrich Mann

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ich Krebs kriegen kann.“

      Heuteufel blieb streng. „Nun, Sie waren schon immer skrofulös und rachitisch. Sie hätten nur dienen sollen, dann wären Sie nicht so aufgeschwemmt.“

      Schließlich ließ er sich zu einer Untersuchung herbei und nahm eine Pinselung des Kehlkopfes vor. Diederich erstickte, rollte angstvoll die Augen und umklammerte den Arm des Arztes. Heuteufel zog den Pinsel heraus. „So komm’ ich natürlich nicht hin.“ Er feixte durch die Nase. „Sie sind noch wie früher.“

      Sobald Diederich wieder zu Luft gekommen war, machte er sich fort aus dieser Schreckenskammer. Vor dem Hause, noch mit Tränen in den Augen, stieß er auf den Assessor Jadassohn. „Nanu?“ sagte Jadassohn. „Ist Ihnen die Kneiperei nicht bekommen? Und ausgerechnet zu Heuteufel gehen Sie?“

      Diederich versicherte, sein Befinden sei glänzend. „Aber aufgeregt hab’ ich mich über den Menschen! Ich gehe hin, weil ich es als meine Pflicht betrachte, eine befriedigende Erklärung zu verlangen für die gestrigen Äußerungen dieses Herrn Lauer. Mit Lauer selbst zu verhandeln, hat [pg 177]für einen Mann von meiner korrekten Gesinnung natürlich nichts Verlockendes.“

      Jadassohn schlug vor, in Klappsch’ Bierstube einzutreten.

      „Ich gehe also hin,“ fuhr Diederich drinnen fort, „in der Absicht, die ganze Geschichte mit der Besoffenheit des betreffenden Herrn zu entschuldigen, schlimmstenfalls mit seiner zeitweiligen Geistesumnachtung. Was meinen Sie statt dessen? Frech wird der Heuteufel. Markiert Überlegenheit. Übt zynische Kritik an unserer Huldigungsadresse und, Sie werden es nicht glauben, sogar an dem Telegramm Seiner Majestät!“

      „Nun, und?“ fragte Jadassohn, dessen Hand sich mit Fräulein Klappsch beschäftigte.

      „Für mich gibt es kein Und mehr! Ich bin mit dem Herrn fertig fürs Leben!“ rief Diederich, trotz dem schmerzlichen Bewußtsein, daß er am Mittwoch wieder zum Pinseln mußte. Jadassohn versetzte schneidend:

      „Aber ich nicht.“ Und da Diederich ihn ansah: „Es gibt nämlich eine Behörde, die sich die Königliche Staatsanwaltschaft nennt und die für Leute wie diese Herren Lauer und Heuteufel ein nicht zu unterschätzendes Interesse hegt.“ Damit ließ er Fräulein Klappsch los und bedeutete ihr, sie möge verschwinden.

      „Wie meinen Sie das“? fragte Diederich, unheimlich berührt.

      „Ich denke Anklage wegen Majestätsbeleidigung zu erheben.“

      „Sie?“

      „Jawohl, ich. Staatsanwalt Feifer hat Krankheitsurlaub, ich bin dran. Und, wie ich unmittelbar nach dem gestrigen Vorfall vor Zeugen festgestellt habe, war ich [pg 178]bei der Verübung des Deliktes nicht anwesend, bin also keineswegs verhindert, in dem Prozeß die Anklagebehörde zu vertreten.“

      „Aber wenn niemand die Sache anzeigt!“

      Jadassohn lächelte grausam. „Das haben wir, Gott sei Dank, nicht nötig ... Übrigens erinnere ich Sie daran, daß Sie selbst gestern abend sich uns als Zeugen anboten.“

      „Davon weiß ich nichts“, sagte Diederich schnell.

      Jadassohn klopfte ihm auf die Schulter. „Sie werden sich an alles wieder erinnern, hoffe ich, wenn Sie unter Ihrem Eid stehen.“ Da entrüstete Diederich sich. Er ward so laut, daß Klappsch diskret in das Zimmer spähte.

      „Herr Assessor, ich muß mich sehr wundern, daß Sie private Äußerungen meinerseits –. Sie haben offenbar die Absicht, mit Hilfe eines politischen Prozesses schneller Staatsanwalt zu werden. Aber ich möchte wissen, was mich Ihre Karriere angeht.“

      „Na und mich die Ihre?“ fragte Jadassohn.

      „So. Dann sind wir Gegner?“

      „Ich hoffe, es wird sich vermeiden lassen.“ Und Jadassohn setzte ihm auseinander, daß er keinen Grund habe, den Prozeß zu fürchten. Sämtliche Zeugen der Vorgänge im Ratskeller würden dasselbe aussagen müssen wie er selbst: auch Lauers Freunde. Diederich werde sich keineswegs zu weit vorwagen ... Das habe er leider schon getan, erwiderte Diederich, denn schließlich sei er es, der mit Lauer den Krach gehabt habe. Aber Jadassohn beruhigte ihn. „Wer fragt danach. Es handelt sich darum, ob die inkriminierten Worte von seiten des Herrn Lauer gefallen sind. Sie machen, wie die anderen Herren, einfach Ihre Aussage, wenn Sie wollen, mit Vorsicht.“

      „Mit großer Vorsicht!“ versicherte Diederich. Und an[pg 179]gesichts von Jadassohns teuflischer Miene: „Wie komme ich dazu, einen anständigen Menschen wie Lauer ins Gefängnis zu bringen? Jawohl, einen anständigen Menschen! Denn eine politische Gesinnung ist in meinen Augen keine Schande!“

      „Besonders nicht bei dem Schwiegersohn des alten Buck, den Sie vorläufig noch brauchen“, schloß Jadassohn – und Diederich ließ den Kopf sinken. Dieser jüdische Streber beutete ihn schamlos aus, und er konnte nichts machen! Da sollte man noch an Freundschaft glauben. Er sagte sich wieder einmal, daß alle gerissener und brutaler im Leben vorgingen als er selbst. Die große Aufgabe war: wie ward man energisch. Er setzte sich stramm hin und blitzte. Mehr unternahm er lieber nicht; bei einem Herrn von der Staatsanwaltschaft konnte man nie wissen ... Übrigens lenkte Jadassohn zu etwas anderem über.

      „Wissen Sie schon, daß in der Regierung und bei uns im Gericht ganz sonderbare Gerüchte umgehen – über das Telegramm Seiner Majestät an den Regimentskommandeur? Der Oberst soll nämlich behaupten, er habe gar kein Telegramm bekommen.“

      Diederich behielt, trotz innerem Erbeben, eine feste Stimme. „Aber es hat doch in der Zeitung gestanden!“ Jadassohn grinste zweideutig. „Da steht gar zuviel.“ Er ließ sich von Klappsch, der seine Glatze wieder in die Tür schob, die „Netziger Zeitung“ bringen. „Sehen Sie, in der Nummer hier steht überhaupt nichts, was nicht auf Seine Majestät Bezug hat. Der Leitartikel beschäftigt sich mit dem Allerhöchsten Bekenntnis zum geoffenbarten Glauben. Dann kommt das Telegramm an den Obersten, dann das Lokale mit der Heldentat des Postens und das Vermischte mit drei Anekdoten über die kaiserliche Familie.“

      „Es sind recht rührende Geschichten“, bemerkte Klappsch und verdrehte die Augen.

      „Zweifellos!“ beteuerte Jadassohn; und Diederich: „Sogar so ein freisinniges Hetzblatt muß die Bedeutung Seiner Majestät anerkennen!“

      „Aber bei dem löblichen Eifer wäre es schließlich möglich, daß die Redaktion die Allerhöchste Depesche eine Nummer zu früh gebracht hat – noch vor ihrer Absendung.“ „Ausgeschlossen!“ entschied Diederich. „Der Stil Seiner Majestät ist unverkennbar.“ Auch Klappsch wollte ihn erkennen. Jadassohn gab zu: „Nun ja ... Weil man nie wissen kann, darum dementieren wir auch nicht. Wenn der Oberst nichts bekommen hat, die Netziger Zeitung könnte es ja direkt aus Berlin haben. Wulckow hat sich den Redakteur Nothgroschen kommen lassen, aber der Kerl verweigert die Aussage. Der Präsident hat gespuckt, er ist selbst zu uns gekommen wegen des Zeugniszwangverfahrens gegen Nothgroschen. Schließlich haben wir davon abgesehen und warten lieber das Dementi aus Berlin ab – weil man eben nicht wissen kann.“

      Da Klappsch in die Küche gerufen ward, setzte Jadassohn noch hinzu: „Komisch, wie? Allen kommt die Geschichte verdächtig vor, aber niemand will vorgehen, weil in diesem Fall – in diesem ganz besonderen Fall“ – sagte Jadassohn mit perfider Betonung, und seine ganze Miene, sogar die Ohren sahen perfid aus, „gerade das Unwahrscheinliche am meisten Aussicht hat, Ereignis zu werden.“

      Diederich war starr: nie hätte ihm so schwarzer Verrat geträumt. Jadassohn bemerkte sein Entsetzen und

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