Spieglein, Spieglein in der Hand,wer lügt am meisten im ganzen Land?. Thomas Röper

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Spieglein, Spieglein in der Hand,wer lügt am meisten im ganzen Land? - Thomas Röper

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      Da ist es unvermeidbar, dass die russischen Diplomaten ganz andere Erfolge vorweisen können als ihre Kollegen. Ich war Ende 2019 auf einer Konferenz, und da haben mir mexikanische Politologen sehr viele Beispiele genannt, wie russische Diplomaten in lateinamerikanischen Ländern als Vermittler bei internen Problemen gerufen werden, weil sie sich dort auskennen und neutral zwischen Konfliktparteien vermitteln können – und zwar direkt und ohne Dolmetscher. Es ist kein Zufall, das westliche Botschafter in solchen Fällen nicht gerufen werden: Ihnen fehlen die Kompetenz, das Wissen um die Situation im Land und die Sprachkenntnisse. Ganz abgesehen davon, dass sie dafür bekannt sind, parteiisch zu sein und daher als neutrale Vermittler von vorneherein ausfallen.

      Dann kommt Frau Bota auf den russischen Außenminister zu sprechen, und man beachte, mit welchen Formulierungen sie beginnt:

      „Kaum jemand ist abgebrühter, unverfrorener und umtriebiger: Lawrow redet mit Irakern, Türken, Ägyptern, Amerikanern, Libyern, Chinesen, Israelis, Iranern. In einem Monat kann er mit den drei größten Feinden verhandeln: Anfang Dezember traf Lawrow den israelischen Außenminister, Mitte Dezember den saudischen, zum Jahresende dann den iranischen. Man vermeidet es, sich auf eine Seite in der Region zu schlagen.“

      Mit diesen einleitenden Formulierungen prägt sie dem Leser ein negatives Bild ein, dabei ist das, was sie anschließend schreibt, durchweg positiv. Darüber möchte sie mit der Einleitung hinwegtäuschen.

      Der russische Chef-Diplomat redet also mit allen, auch mit jenen, die untereinander verfeindet sind. Das ist der Job eines Diplomaten! Wie soll er denn Frieden, Aussöhnung und Verständigung erreichen, wenn er nicht mit den Konfliktparteien redet? Und wie soll es zu einer Verständigung kommen, wenn man sich auf eine Seite schlägt? Dann ist man kein Vermittler mehr, sondern Konfliktpartei!

      Wenn ein deutscher Außenminister mit Konfliktparteien redet, ist in der Presse von „Vermittlungen“ die Rede. Wenn Lawrow es tut, nennt Frau Bota das „abgebrüht, unverfroren und umtriebig“. Propaganda eben.

      Russland redet also – ganz im Gegensatz zum Westen, der zum Beispiel mit Syrien oder dem Iran gar nicht reden will – im Nahen Osten mit allen. Dazu schreibt Frau Bota:

      „Die Autokraten im Nahen Osten sind dankbar für diese verlässliche Macht, die ihnen das Teuerste garantiert: den Status quo und damit ihre Despotenherrschaft.“

      Das kann man kritisieren, aber dann muss man auch kritisieren, dass der Westen mit den „Despoten“ auf der arabischen Halbinsel nicht nur redet, sondern sie hofiert und massiv unterstützt, damit sie ihre „Despotenherrschaft“ aufrechterhalten können. Ich habe das Wort „Despotenherrschaft“ in deutschen Medien noch nie im Zusammenhang mit dem „Partner“ Saudi-Arabien gehört, dabei ist das die größte „Despotenherrschaft“ in der Region.

      Im Iran und in Syrien gibt es Wahlen (die man sicherlich auch kritisieren kann, aber es gibt sie wenigstens), in Saudi-Arabien gibt es nicht einmal ein Parlament. Dafür liefert der Westen fleißig Waffen, mit denen die „Despoten“ in Saudi-Arabien ihr Nachbarland Jemen in Schutt und Asche legen und die Zivilbevölkerung abschlachten.

      Aber Russland ist in Frau Botas Augen böse, weil es mit allen redet. Wenn es das Wort „Doppelmoral“ nicht schon gäbe, müsste man es für Frau Bota und ihre Kolumne extra erfinden.

      Der letzte Absatz war die Krönung des Ganzen. Daher wollen wir jeden einzelnen Satz anschauen und überprüfen. Der Absatz beginnt so:

      „Wer mit allen im Gespräch ist und mit allen Deals aushandelt, wer Verpflichtungen und Verantwortung umschifft, der lebt auf Dauer gefährlich.“

      Frau Bota spricht sich also indirekt dagegen aus, mit allen Vereinbarungen auszuhandeln. Was ist die Alternative? Neue Kriege? Die westliche Diplomatie hat im Nahen Osten in den letzten 70 Jahren jämmerlich versagt, nur Frau Bota scheint das nicht bemerkt zu haben.

      Und ihre Unterstellung, Russland würde dabei „Verpflichtungen und Verantwortung umschiffen“, ist Blödsinn. Frau Bota, sollten Sie dies lesen, nennen Sie mir bitte auch nur ein Beispiel dafür, dass Russland das getan hat. Vor allem im Nahen Osten, um den es in Ihrer Kolumne ja vorrangig ging. Ich warte gespannt auf Antwort!

      Der nächste Satz war folgender:

      „Möglich, wahrscheinlich sogar, dass keiner der russischen Erfolge im Mittleren und Nahen Osten halten wird, dafür ist das ausgehandelte Gleichgewicht allzu fragil und Diplomatie des 21. Jahrhundert eben doch mehr als reine Interessenpolitik.“

      Und was meint Frau Bota, wenn sie behauptet, die Diplomatie im 21. Jahrhundert sei „eben doch mehr als reine Interessenpolitik“? Hat Deutschland keine Interessen? Nein, zumindest unter der aktuellen Regierung nicht, aber Deutschland unterstützt immer die Interessen der USA. Und wer will mir erzählen, die USA hätten aus Nächstenliebe den Irak überfallen, hunderttausende Menschen getötet und das Land zerstört? Betreibt der Westen unter der Regie der USA etwa keine Interessenpolitik?

      Der Unterschied ist, dass der Westen seine Interessen mit Kriegen, Sanktionen, Drohungen und Putschen durchsetzt. Russland hingegen mit Gesprächen und Verhandlungen auf Augenhöhe. Jeder kann für sich selbst entscheiden, was er besser findet. Frau Bota hat ihre Entscheidung offensichtlich schon getroffen, und Diplomatie scheint nicht ihr Favorit zu sein. Es ist (verdeckte) Kriegspropaganda, wenn Frau Bota diplomatische Erfolge der Russen doof findet, denn sie sagt nicht offen, was denn die Alternative wäre, nämlich Krieg, wie wir in den 70 Jahren, in denen der Westen in der Region die Vorherrschaft hatte, zur Genüge sehen konnten. Vielleicht sollten wir die Russen einmal zehn Jahre lang machen lassen und dann beurteilen, was besser funktioniert hat?

      Frau Botas Artikel endete mit den Sätzen:

      „Doch derzeit gibt sich Putin grausam verlässlich. Und das ist weit mehr, als manch anderer vorweisen kann.“

      Wir fassen zusammen: Putin schafft es tatsächlich, die Parteien im Nahen Osten an einen Tisch zu bringen, und seine Erfolge kann nicht einmal Frau Bota bestreiten. Das hat er durch seine Verlässlichkeit geschafft, einfach weil er ein gegebenes Wort hält und nicht die Parteien gegeneinander ausspielt. Für Frau Bota ist das „grausam“. Das lässt einen tiefen Einblick in ihr Verständnis von Moral zu.

      Aber sie kann im letzten Satz eben trotzdem nicht umhin, Putins Erfolge zu würdigen, denn er hat mehr erreicht – nicht als „manch anderer“ – sondern als alle anderen in den letzten 70 Jahren.

      1 https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-01/russland-wladimir-putin-kreml-diplomatie-erfolge-5vor8/komplettansicht

      2 https://www.anti-spiegel.ru/2019/russland-will-angeblich-das-internet-kontrollieren-desinformation-bei-reporter-ohne-grenzen-und-spiegel/

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