Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola страница 152
Ihr erster Gedanke war, dasselbe von ihrem Gatten zu verlangen und nur widerstrebend vermochte sie sich hierzu zu verstehen. Bei den letzten Anlässen, die ihn in ihr Zimmer geführt hatten, um ihr Geld zu bringen, hatte er sie neuerdings auf den Nacken geküßt, ihre Hände ergriffen und von seiner Liebe gesprochen. Die Frauen haben eine feine Witterung und so war sie denn auf eine Forderung, auf einen stillschweigend abgeschlossenen Handel vorbereitet. Thatsächlich zeigte er sich sehr erschrocken, als sie die fünfzigtausend Francs von ihm verlangte; er sagte, daß Larsonneau einen solchen Betrag niemals vorstrecken werde und er selbst denselben auch nicht auftreiben könne. Dann aber schlug er einen anderen Ton an, als wäre er besiegt und von einer plötzlichen Rührung erfaßt worden.
»Man vermag Ihnen nichts zu verweigern,« murmelte er. »Ich will Alles aufbieten, das Unmögliche durchsetzen ... Ich will Sie, geliebte Freundin, zufriedenstellen.«
Und sich zu ihrem Ohre neigend, küßte er ihr Haar und flüsterte mit zitternder Stimme:
»Ich bringe Dir das Geld morgen Abend in Dein Zimmer ... und ohne Wechsel ...«
Sie aber erwiderte lebhaft, daß sie es nicht eilig habe, daß sie ihm diesbezüglich keine Ungelegenheiten bereiten wolle. Und er, der die gefährlichen Worte »ohne Wechsel« mit scheinbarer Inbrunst gesprochen und schier wieder bereute, daß ihm dieselben entschlüpft waren, schien die unangenehme Abweisung gar nicht zu empfinden. Er erhob sich und sagte:
»Nun, wie Sie wollen ... Ich werde Ihnen das Geld beschaffen, sobald es erforderlich sein wird. Larsonneau, wohlverstanden, wird gar nichts damit zu thun haben. Ich will Ihnen damit ein Geschenk machen.«
Dabei lächelte er gutmüthig, sie aber blieb die Beute einer unaussprechlichen Angst. Sie fühlte instinktiv, daß sie das bischen Gleichgewicht, welches ihr geblieben, einbüßen würde, wenn sie sich ihrem Gatten hingeben müßte. Ihr letzter Stolz bestand darin, daß sie den Vater geheirathet habe, doch nur die Gattin des Sohnes sei. Häufig, wenn Maxime kalt schien, versuchte sie ihm diese Situation durch sehr deutliche Anspielungen zu erklären; der junge Mann aber, den sie nach einer derartigen Auseinandersetzung zu ihren Füßen sinken zu sehen hoffte, blieb völlig gleichmüthig, da er sicherlich meinte, sie wolle ihn nur bezüglich der Möglichkeit eines Zusammentreffens mit seinem Vater in dem grauen Zimmer beruhigen.
Als Saccard von ihr gegangen war, kleidete sie sich eilig an und ließ anspannen. Während ihr Wagen sie nach der Insel Saint-Louis brachte, legte sie sich die Art und Weise zurecht, wie sie die fünfzigtausend Francs von ihrem Vater verlangen werde. Sie klammerte sich an diesen Gedanken, ohne denselben näher zu prüfen, denn im Grunde genommen fühlte sie, daß sie sehr feige sei und vor einem derartigen Schritt eine unüberwindliche Furcht habe. Als sie anlangte, ward sie bei dem Anblick des eiskalten Hofes des Hôtels Béraud mit seinen kahlen, düsteren Mauern von einem frostigen Gefühl erfaßt und während sie die breite steinerne Treppe emporstieg, auf welcher die hohen Absätze ihrer kleinen Schuhe ein schreckliches Echo erweckten, wäre sie am liebsten wieder entflohen. In ihrer Eile war sie so unvorsichtig gewesen, ein laubfarbenes Seidenkleid mit langen Spitzenvolants anzulegen; um die Hüften hatte sie eine weiße Spitzenschärpe geschlungen. Die Toilette, welche ein kleines Hütchen mit einem großen weißen Schleier vervollständigte, nahm sich in dem düsteren Treppenhause so merkwürdig aus, daß sie sich selbst bewußt war, welch' absonderliche Gestalt sie daselbst abgab. Sie zitterte, als sie die kahle Flucht der öden Gemächer durchschritt, wo die undeutlich hervortretenden Figuren der Wandbekleidung über diese das Halbdunkel ihrer Einsamkeit unterbrechenden rauschenden Frauenröcke höchlich erstaunt schienen.
Sie fand ihren Vater in einem nach dem Hofe gehenden Salon, wo er sich gewöhnlich aufhielt. Er las in einem großen Buche, welches auf einem an dem Arm seines Fauteuils angebrachten Pulte lag. Vor einem Fenster saß Tante Elisabeth und strickte mit langen, hölzernen Nadeln und außer dem einförmigen trockenen Geklapper dieser Nadeln störte nichts die Ruhe des Raumes.
Befangen ließ sich Renée nieder; sie konnte keine Bewegung machen, ohne durch das Rauschen der eleganten Stoffe die ernste Stille des Gemaches zu stören. Gegen das tiefe Schwarz der Tapeten und alten Möbel nahmen sich ihre Spitzen erschreckend weiß aus. Die Hände auf sein Pult gestützt, blickte Herr Béraud du Châtel sie an, während Tante Elisabeth von der bevorstehenden Vermählung Christinens sprach, die den Sohn eines sehr reichen Notars heirathen sollte und in Begleitung einer alten Magd des Hauses ausgegangen war, um verschiedene Einkäufe zu besorgen. Die gute Tante plauderte ganz allein, mit ihrer ruhigen Stimme, ohne ihre Strickerei für einen Moment zu unterbrechen; sie sprach über hauswirthschaftliche Angelegenheiten und warf über ihre Brille hinweg lächelnde Blicke auf Renée.
Die junge Frau aber gerieth immer mehr in Verlegenheit. Das ganze düstere Schweigen des Hôtels lastete auf ihren Schultern und sie hätte Vieles darum gegeben, wenn die Spitzen ihres Kleides schwarz gewesen waren. Der beharrliche Blick ihres Vaters machte sie so befangen, daß sie Worms für lächerlich erklärte, weil er so mächtige Volants erfunden.
»Wie schön Du bist, mein Kind!« sagte Tante Elisabeth, die die weißen Spitzen ihrer Nichte noch gar nicht wahrgenommen, plötzlich. Sie hielt ihre Nadeln an und rückte ihre Brille zurecht, während Herr Béraud du Châtel leise lächelte.
»Die Toilette scheint etwas zu weiß,« sagte er. »Für eine Frau mag dies auf der Straße recht hinderlich sein.«
»Man geht ja nicht zu Fuße aus, Vater!« rief Renée aus, bereute aber sofort, daß sie dies gesagt.
Der