Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola страница 154

Автор:
Серия:
Издательство:
Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola

Скачать книгу

murmelte sie. »Doch wer konnte ihm gesagt haben ...«

      »Warten Sie ... Er behauptet, Sie erst später erkannt zu haben, als Sie nicht mehr im Salon waren und er erinnerte sich, daß Sie am Arme Maxime's hinausgegangen seien ... Seit jener Zeit ist er rasend verliebt in Sie und er hat sich die Sache ungeheuer zu Herzen genommen. ... Nun hat er mich aufgesucht, um mich zu bitten, Ihnen seine Entschuldigungen vorzubringen ...«

      »Sagen Sie ihm meinethalben, daß ich ihm verzeihe,« fiel ihr Renée nachlässig ins Wort und mit einem Male wieder ängstlich und zaghaft werdend, fügte sie hinzu:

      »Ach, meine gute Sidonie, ich befinde mich in einer so peinlichen Lage! Bis morgen Früh muß ich unbedingt fünfzigtausend Francs haben und ich bin nur gekommen, um hierüber mit Ihnen zu sprechen. Sie kennen Leute, sagten Sie mir, die Geld leihen?«

      Aergerlich über die wenig rücksichtsvolle Weise, in welcher ihre Schwägerin sie in ihrer Erzählung unterbrochen, zögerte die Maklerin eine Weile mit ihrer Antwort.

      »Gewiß kenne ich welche; doch rathe ich Ihnen, es vorerst bei Ihren Freunden zu versuchen ... Ich an Ihrer Stelle wüßte, was ich zu thun hätte ... Ich würde mich ganz einfach an Herrn von Saffré wenden.«

      Renée lächelte gezwungen, als sie zur Antwort gab:

      »Dies wäre nicht sehr schicklich, da er, wie Sie behaupten, in mich so sehr verliebt ist.«

      Die Alte blickte sie fest an, dann verzog sich ihr farbloses Gesicht langsam zu einem mitleidsvollen Lächeln.

      »Armes Kind,« murmelte sie. »Sie haben geweint; leugnen Sie nicht, Ihre Augen verrathen es. Seien Sie also stark, nehmen Sie das Leben so wie es ist ... Ueberlassen Sie es mir, ich werde die Sache in Ordnung bringen.«

      Renée erhob sich, wobei sie ihre Finger so krampfhaft in einander schlang, daß ihre Handschuhe schier platzten. Und sie blieb aufrecht stehen, während sich in ihrem Inneren ein schwerer Kampf vollzog. Schon öffnete sie die Lippen, vielleicht um einzuwilligen, als in dem anstoßenden Gemach der Ton einer Klingel vernehmbar wurde. Frau Sidonie schritt eilig hinaus, wobei sie eine Thür halb offen stehen ließ, durch die eine Doppelreihe von Klavieren sichtbar wurde. Darauf vernahm die junge Frau Männerschritte und das gedämpfte Geräusch einer mit leiser Stimme geführten Unterhaltung. Mechanisch trat sie näher, um den gelblichen Streifen anzusehen, welchen die Matratzen an der Mauer zurückgelassen. Dieser Streifen beunruhigte sie, war ihr lästig. Sie vergaß Alles: Maxime, die fünfzigtausend Francs, Herrn von Saffré, und trat sinnend vor das Bett hin. Dasselbe stand hier unbedingt besser als an der Stelle, wo es sich früher befunden. Es gab in der That Frauen, die keinen Geschmack hatten; wenn man im Bette lag, mußte man sich doch dem Licht gegenüber befinden. Und unbestimmt tauchte in ihrer Erinnerung das Bild des Unbekannten vom Quai Saint-Paul auf, ihr Roman, der aus zwei Begegnungen bestanden, diese Zufalls-Liebe, welche sie dort, an jener anderen Stelle genossen. Nichts als dieser abgefärbte Fleck an der Mauer war von derselben zurückgeblieben. Und nun ward sie von demselben Unbehagen erfaßt, welches sie schon beim Eintritt in dieses Zimmer empfunden und das Gemurmel der Stimmen im anstoßenden Gemach regte sie ungemein auf.

      Als Frau Sidonie zurückkam, wobei sie die Thür vorsichtig öffnete und hinter sich schloß, machte sie eine hastige Bewegung mit dem Zeigefinger, wie um ihr zu bedeuten, sie möge leise sprechen. Sodann neigte sie sich zu ihr und flüsterte ihr ins Ohr:

      »Das trifft sich ja herrlich; Herr von Saffré ist hier.«

      »Sie haben ihm doch nicht gesagt, daß ich hier bin?« fragte die junge Frau unruhig.

      Die Vermittlerin schien ganz überrascht und erwiderte naiven Tones:

      »Oh doch ... Er wartet nur hereingerufen zu werden. Von den fünfzigtausend Francs habe ich ihm natürlich nichts gesagt.«

      Tief erbleichend richtete sich die junge Frau wie von einer Feder geschnellt in die Höhe. Ein unendlicher Stolz regte sich in ihr und der Schall der Männerschritte im anstoßenden Gemach erbitterte sie.

      »Ich gehe,« sprach sie kurzen Tones. »Oeffnen Sie mir die Thür.«

      Frau Sidonie versuchte zu lächeln.

      »Seien Sie nicht kindisch ... Was soll ich denn jetzt mit dem jungen Mann anfangen, nachdem ich ihm gesagt, daß Sie hier seien ... Sie kompromittiren mich wahrhaftig.«

      Die junge Frau aber war die kleine Treppe bereits hinabgeschritten und wiederholte, vor der verschlossenen Thür des Ladens angelangt:

      »Oeffnen Sie! öffnen Sie mir sofort!«

      Wenn die Maklerin den Messingknopf abzog, pflegte sie ihn gewöhnlich in die Tasche zu stecken. Noch wollte sie einen Versuch machen und parlamentiren; schließlich aber gerieth sie selbst in Zorn und indem ihre grauen Augen all' die Bosheit und Habsucht ihrer Natur verriethen, rief sie aus:

      »Was soll ich dem Manne aber eigentlich sagen?«

      »Daß ich nicht käuflich bin!« erwiderte Renée, die mit einem Fuß bereits auf der Straße stand.

      Und während Frau Sidonie die Thür heftig ins Schloß warf, glaubte sie dieselbe murmeln zu hören: »Gehe nur, dumme Gans; Du sollst mir Das noch entgelten.«

      »Meiner Treu!« sprach sie halblaut vor sich hin, als sie bereits im Wagen saß; »da ziehe ich ja noch meinen Gatten vor.«

      Sie kehrte geradewegs nach Hause zurück. Am Abend sagte sie Maxime, er möge nicht kommen, denn sie sei leidend und bedürfe der Ruhe. Und als sie ihm am nächsten Tage die fünfzehntausend Francs für den Juwelier Sylvia's übergab, hatte sie für seine überraschten Fragen blos ein verlegenes Lächeln. Ihr Gatte, sagte sie, habe ein vortheilhaftes Geschäft abgeschlossen. Doch von diesem Tage an war sie launenhaft, änderte sie häufig die Stunden der Rendezvous, welche sie mit dem jungen Manne vereinbarte und häufig erwartete sie ihn sogar im Treibhause, um ihn fortzuschicken. Er beachtete diese wechselnden Stimmungen kaum, denn er gefiel sich darin, ein fügsames Werkzeug in den Händen der Frauen zu sein. Unangenehmer war es ihm, daß ihre Zusammenkünfte, die durch die Liebe herbeigeführt wurden, mitunter eine moralische Wendung nahmen. Renée war ganz traurig geworden und zuweilen hatte sie Thränen in den Augen. Sie sang nicht mehr die übermüthigen Weisen aus der »Schönen Helena«, spielte nur die Gesänge, die sie im Pensionat gelernt und fragte ihren Geliebten, ob er daran glaube, daß das Böse früher oder später bestraft werde.

      »Sie wird alt, daran ist nicht zu zweifeln,« dachte der junge Mann im Stillen. »In ein oder höchstens zwei Jahren wird sie Niemandem mehr ein Vergnügen bereiten können.«

      Die Wahrheit aber bestand darin, daß sie fürchterlich litt. Nun hätte sie Maxime lieber mit Herrn von Saffré betrogen. Bei Frau Sidonie hatte sie ihrer Entrüstung Ausdruck verliehen, hatte sie aus Abscheu über den schmählichen Handel einem instinktiven Stolz Gehör geschenkt. An den folgenden Tagen aber, da sie die Qualen des Ehebruches erduldete, ward sie von düsterem Schrecken erfaßt und sie selbst kam sich so verächtlich vor, daß sie sich dem erstbesten Manne hingeworfen hätte, der die Thür des mit den Klavieren angefüllten Zimmers geöffnet hätte. Wenn bisher der Gedanke an ihren Gatten gleich einem Gegenstand wollüstigen Schreckens in der Blutschande, der sie sich hingab, aufgetaucht war, so trat fortan an Stelle dieses Gedankens der Gatte, der Mann selbst und dies mit einer Brutalität, welche ihre zartesten Empfindungen in unerträgliche Leiden verwandelte. Sie, die sich dem vollen Genusse ihres Fehltrittes hingeben wollte und gerne von einem übermenschlichen Paradies träumte,

Скачать книгу