Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola страница 158
Renée zuckte zusammen wie von einer Schlange gebissen und erwiderte dumpfen Tones:
»Nein, nein, Du weißt ja, daß er nicht mehr kommt. Ich hätte auch gar nicht eingewilligt, da dies schlecht wäre.«
»Wer ist es also?«
Und dabei preßte er ihre Handgelenke noch fester. Die arme Frau versuchte noch einige Sekunden Widerstand zu leisten.
»Oh, Maxime, wenn Du wüßtest! ... Ich kann Dir ja nicht sagen ...
Dann fügte sie gleichsam überwältigt und wie von Sinnen, wobei sie voll Entsetzen auf das beleuchtete Fenster blickte, leisen, gebrochenen Tones hinzu:
»Es ist Herr von Saffré.«
Maxime, der Vergnügen an seinem grausamen Spiel fand, erbleichte tödtlich bei diesem Geständnisse, welches er mit solcher Beharrlichkeit zu erpressen bemüht gewesen. Der unerwartete Schmerz, welchen ihm dieser Name eines Mannes bereitete, machte ihn wüthend. Er schleuderte die Hände Renée's heftig von sich, trat dann ganz dicht zu ihr und sein Gesicht dem ihrigen nähernd, sprach er mit auf einander gepreßten Zähnen:
»Weißt Du, Du bist eine ...«
Er sprach das Wort aus und verließ sie. Sie aber eilte ihm nach, schloß ihn schluchzend in ihre Arme, murmelte die zärtlichsten Worte, flehte ihn um seine Verzeihung an, schwor, daß sie noch immer nur ihn anbete und versprach ihm, am nächsten Tage Alles erklären zu wollen. Er befreite sich aber aus ihren Armen und warf grimmig die Thür des Treibhauses hinter sich ins Schloß, wobei er sagte:
»Alle Wetter, nein! Ich habe die Sache nun völlig satt!«
Wie niedergeschmettert blieb sie zurück und sah ihn durch den Garten davonschreiten. Dabei schien es, als führten die Bäume des Treibhauses einen wilden Tanz um sie her aus. Langsam schleppte sie sich dann mit den nackten Füßen über den Kiessand der Allee und stieg fast starr vor Frost die Stufen empor, ein Bild des Jammers in ihrer nachlässigen Gewandung. Auf die Fragen ihres Gatten erwiderte sie, daß sie sich plötzlich an eine Stelle im Treibhause erinnert habe, wo sich möglicherweise ein kleines Notizbuch befand, welches sie seit dem Morgen vermißte. Und als sie im Bette lag, ward sie mit einem Male von grenzenloser Verzweiflung erfaßt, da sie sich erinnerte, daß sie Maxime hätte sagen können, sein Vater, der mit ihr gleichzeitig nach Hause gekommen, sei ihr in ihr Zimmer gefolgt, um eine Geldangelegenheit mit ihr zu besprechen.
Am nächsten Tage beschloß Saccard, die Entwicklung des Charonner Geschäftsunternehmens zu beschleunigen. Seine Frau gehörte ihm; hatte sie doch erst vergangene Nacht sanft und hingebungsvoll in seinen Armen geruht, als wollte sie sich ihm rückhaltslos zu eigen geben. Andererseits sollte die Richtung des Boulevards des Prinzen Eugen endgiltig entschieden werden und es galt, Renée ihres Eigenthums zu berauben, bevor die bevorstehende Expropriation bekannt wurde. Saccard widmete sich dieser Angelegenheit mit der ganzen Liebe des Künstlers; andächtig sah er es mit an, wie seine Pläne reiften und seine Fallen legte er mit der Schlauheit eines Jägers, der einen Ruhm darein setzt, das Wild mit Eleganz zu fangen. Es war dies bei ihm die bloße Befriedigung des gewandten Spielers, des Mannes, den der geraubte Gewinn mit einer besonderen Wollust erfüllt. Er wollte die Grundstücke für einen Pappenstiel haben und war im Hochgefühle seines Triumphes bereit, seiner Frau für 100 000 Francs Geschenke zu machen. Die einfachsten Operationen wurden komplizirt, verwandelten sich in düstere Dramen, sobald er sich mit denselben beschäftigte; dieselben regten ihn auf und er hätte sich für ein Hundertsousstück an seinem Vater vergriffen, – dann aber streute er das Gold mit königlicher Freigebigkeit aus.
Bevor er aber von Renée die Verzichtleistung auf den ihr zufallenden Besitzantheil erwirkte, gebrauchte er die Vorsicht, bei Larsonneau in Bezug auf die Erpressungsabsichten, die er bei ihm vermuthete, die Fühlhörner auszustrecken. Sein Instinkt sollte ihn bei dieser Gelegenheit retten. Der Expropriationsagent seinerseits war der Ansicht gewesen, daß die Frucht reif sei und er sie pflücken könne; denn als Saccard in das prächtige Arbeitszimmer in der Rue de Rivoli trat, fand er seinen Genossen ganz verstört, eine Beute der größten Verzweiflung.
»Ach, mein Freund!« sprach er kläglichen Tones und erfaßte seine beiden Hände; »wir sind verloren ... Soeben wollte ich zu Ihnen eilen, um mit Ihnen zu berathen, was zu thun sei, um uns aus dieser schrecklichen Lage zu befreien ...«
Während er die Hände rang und zu schluchzen versuchte, bemerkte Saccard, daß Jener bei seinem Kommen gerade mit dem Unterschreiben von Briefen beschäftigt gewesen und daß die Unterschriften von tadelloser Reinheit waren. Er blickte ihn daher ruhig an und fragte:
»Bah! was ist denn geschehen?«
Der Andere aber antwortete nicht sofort. Er hatte sich vor seinem Schreibtisch in einen Fauteuil gleiten lassen und die Ellenbogen auf seine Schreibmappe gestützt, den Kopf zwischen beide Hände gedrückt, raufte er sich das Haar. Mit erstickter Stimme erwiderte er endlich:
»Man hat mir das Register gestohlen ... das bewußte Register ...«
Und nun begann er eine lange Geschichte zu erzählen; einer seiner Angestellten, ein Hallunke, der ins Zuchthaus kommen müßte, habe ihm eine Menge Papiere gestohlen, unter welchen sich auch das famose Register befand. Das Schlimmste an der Sache war aber, daß sich der Dieb des Vortheils bewußt ist, welchen er aus diesem Schriftstück ziehen könne und daß er dasselbe nur gegen eine Entlohnung von hunderttausend Francs herausgeben wolle.
Saccard dachte nach. Das Märchen däuchte ihm zu durchsichtig, doch focht es Larsonneau offenbar nicht an, wenn er auch durchblickt wurde. Ihm war es blos um einen einfachen Vorwand zu thun, um seinen Genossen wissen zu lassen, daß er von dem Charonner Unternehmen hunderttausend Francs haben wolle und gegen diese Summe sogar die kompromittirenden Schriftstücke zurückgeben werde, die er in Händen hatte. Der Preis dünkte Saccard zu hoch gegriffen, trotzdem er seinem ehemaligen Genossen gerne einen kleinen Gewinn hätte zukommen lassen wollen. Dieser Hinterhalt, diese Aussicht, für überrumpelt zu gelten, ärgerten ihn aber. Im Uebrigen war er ziemlich beunruhigt, denn er kannte seinen Mann und wußte, daß er sehr wohl im Stande sei, die Papiere seinem Bruder, dem Minister, zu übergeben, der zweifellos zahlen würde, nur um jeden Skandal zu unterdrücken.
»Wetter!« machte er und setzte sich gleichfalls nieder; »das ist eine vertrackte Geschichte ... Und könnte man mit dem in Rede stehenden Hallunken sprechen?«
»Ich werde ihn holen lassen,« erwiderte Larsonneau. »Er wohnt ganz in der Nähe, in der Rue Jean Lantier.«
Noch waren keine zehn Minuten vergangen, als ein kleiner, schielender junger Mann mit farblosem Haar und sommersproßigem Gesichte sachte eintrat, wobei er sorgfältig darauf achtete, daß die Thür kein Geräusch mache. Er trug einen schlechten schwarzen Rock, der ihm zu groß und schändlich abgetragen war. Er blieb in achtungsvoller Entfernung aufrecht stehen und blickte Saccard ruhig aus einem Augenwinkel an. Larsonneau, der ihn Baptistin nannte, unterzog ihn einem Verhör, welches er stets nur mit einsilbigen Worten beantwortete, ohne daß er dabei irgend welche Unruhe gezeigt hätte; ja er nahm sogar völlig gleichmüthig die verschiedenen schmeichelhaften Beinamen, als Dieb, Schurke, Galgenstrick hin, mit welchen sein Patron jede Frage glaubte begleiten zu müssen.
Saccard bewunderte die Kaltblütigkeit dieses Unglücklichen. Bei einer seiner Fragen schnellte der Expropriationsagent von seinem Fauteil empor, wie um Jenen zu schlagen und Der begnügte sich, einen Schritt zurückzutreten, wobei er noch demüthiger schielte wie bisher.
»Gut, gut, lassen Sie ihn,« sagte der Finanzmann. »Sie verlangen