Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola страница 162
Darauf begann er von Luise zu sprechen. Er schritt dabei langsamer, um, wie er sagte, die Sache zu erledigen, da man schon von derselben spreche. Die Angelegenheit war bereits vollkommen geordnet. Er theilte ihm auch mit, daß er mit Herrn von Mareuil die Unterzeichnung des Kontraktes für den auf Mittfastendonnerstag folgenden ersten Sonntag festgesetzt habe. Am Donnerstag sollte im Hôtel am Monceau-Parke eine große Festlichkeit abgehalten werden und hiebei würde er die Verlobung öffentlich bekannt machen. Maxime war mit Allem einverstanden. Er hatte sich Renée's entledigt, Hindernisse waren nicht mehr vorhanden und er würde sich durch seinen Vater leiten lassen, wie er sich durch seine Stiefmutter hatte leiten lassen.
»Einverstanden,« sagte er; »nur erwähne Renée gegenüber nichts von der Sache. Ihre Freundinen würden mich necken, mich verspotten und es wäre mir lieb, wenn sie die Sache gleichzeitig mit den Anderen erfahren würden.«
Saccard versprach ihm zu schweigen. In der Nähe des Boulevard Malesherbes angelangt, ertheilte er ihm neuerdings eine Menge der vortrefflichsten Rathschläge; er unterwies ihn vor Allem, auf welche Weise er sich zu benehmen habe, um aus seinem ehelichen Leben ein Paradies zu gestalten.
»Vor Allem darfst Du niemals mit Deiner Frau brechen. Dies ist eine große Thorheit. Eine Frau, mit welcher man nicht mehr verkehrt, verursacht die ungeheuerlichsten Geldausgaben ... Man muß eine Person aushalten, nicht wahr? Die Ausgaben im Haushalte sind auch bedeutend größere: die Toiletten, die Vergnügungen der Frau Gemahlin, dann die guten Freundinen und sofort, was drum und dran hängt.«
Er befand sich in einer ungeheuer tugendhaften Stimmmung. Der Erfolg, den er mit seiner Charonner Spekulation erzielt hatte, stimmte ihn idyllisch zärtlich.
»Ich,« fuhr er fort; »ich bin geboren, um mit meiner Familie glücklich und sorglos in irgend einem Provinzstädtchen dahinzuleben ... Man kennt mich eben nicht, mein Kleiner ... Und man hält mich für Einen, der in der Welt herumlaufen will ... Nun denn, man täuscht sich eben; denn am liebsten möchte ich nur für meine Frau leben, den Geschäften den Rücken wenden und mich mit einer bescheidenen Rente nach Plassans zurückziehen ... Du wirst reich sein, gründe Dir mit Luisen ein Heim, in welchem Ihr wie die Turteltauben leben werdet. Das ist ja so gut! Ich werde Euch besuchen und das wird mir so wohl thun.«
Seine Stimme klang wie von Thränen verschleiert. Sie waren vor dem Hôtel angelangt und plauderten am Rande des Trottoirs stehend. Hier blies ein ziemlich scharfer Wind, doch sonst war kein Laut inmitten der eisigen Nacht zu vernehmen. Ueberrascht durch die ungewohnte rührselige Stimmung seines Vaters vermochte Maxime eine Frage nicht zu unterdrücken, die ihm seit einer Weile auf den Lippen lag.
»Aber Du selbst? Es scheint mir doch ...«
»Was denn?«
»Mit Deiner Frau ...«
Saccard zuckte die Achseln, als er zur Antwort gab:
»Ja, allerdings ... Ich war eben thöricht und darum kann ich aus eigener Erfahrung sprechen ... Doch haben wir uns mit einander ausgesöhnt; vollkommen sogar. Es mögen an sechs Wochen her sein. Wenn ich des Abends nicht zu spät nach Hause komme, so gehe ich zu ihr. Heute freilich wird sich der arme Schelm ohne mich bescheiden müssen, denn ich habe während der ganzen Nacht zu arbeiten. Sie ist allerliebst geformt ...« Maxime reichte ihm die Hand. Saccard behielt dieselbe in der seinigen und fügte leiser, vertraulichen Tones hinzu:
»Du kennst doch die Taille der Blanche Müller? Nun, die ihrige ist zehnmal schöner. Und die Hüften erst! die sind von einer Zartheit, einer Rundung ...«
Und als sich der junge Mann bereits entfernte, schloß er etwas lauter:
»Du bist wie ich, Du hast ein Herz ... Deine Frau wird glücklich sein ... Auf Wiedersehen, mein Kleiner!«
Als sich Maxime endlich seines Vaters entledigt hatte, schritt er rasch durch den Park. Was er da vernommen, überraschte ihn in solchem Maße, daß er das unwiderstehliche Bedürfniß empfand, Renée zu sehen. Er wollte sie für seine Brutalität um Verzeihung bitten, in Erfahrung bringen, weshalb sie gelogen, als sie ihm Herrn von Saffré genannt, die der Zärtlichkeit ihres Gatten zu Grunde liegenden Motive kennen lernen. All' Dies wirbelte aber toll durch seinen Kopf und er war sich nur des einen Wunsches klar bewußt, daß er bei ihr eine Zigarre rauchen und ihre frühere Kameradschaft erneuern wollte. Wenn sie sich in der richtigen Stimmung befand, so wollte er ihr sogar seine bevorstehende Vermählung ankündigen, um ihr begreiflich zu machen, daß ihre Liebesbeziehungen todt und begraben bleiben müßten. Als er die kleine Thür öffnete, deren Schlüssel er glücklicherweise behalten hatte, sagte er sich, daß nach den Mittheilungen seines Vaters sein Besuch ebenso nothwendig als schicklich sei.
Im Treibhause pfiff er wie Abends bevor, brauchte aber nicht zu warten. Renée öffnete sofort die Glasthür des kleinen Salons und stieg ihm die Treppe voran hinauf, ohne ein Wort zu sprechen. Sie war soeben von einem Balle heimgekehrt, der im Stadthause abgehalten worden und trug noch ihre Robe aus weißem wallendem Tüll, über welchen seidene Schleifen ausgestreut waren, während die Einfassung des Leibchens eine breite Spitze aus weißen Schmelzperlen bildete, welche in dem Lichte der Kandelaber ins Blaue und Rosafarbene spielten. Als Maxime sie anblickte, ward er gerührt durch ihre Blässe, durch die tiefe Bewegung, die ihre Stimme erstickte. Sie konnte ihn nicht erwartet haben und bebte am ganzen Leibe, als sie ihn wie sonst anlangen sah, ruhig, mit seiner schmeichelnden Miene. Céleste kehrte aus der Garderobe zurück, von wo sie ein Nachthemd geholt hatte, und die Liebenden schwiegen noch immer, da sie darauf warteten, daß sich die Dienerin entferne. Gewöhnlich thaten sie sich vor ihr keinen Zwang an; die Dinge aber, die sie einander zu sagen hatten, erweckten ihr Schamgefühl. Renée wollte sich von Céleste im Schlafzimmer entkleiden lassen, da dort ein helles Feuer brannte. Die Zofe entfernte die Nadeln, nestelte die Röcke los, einen nach dem andern, ohne sich zu beeilen und Maxime griff gelangweilt, scheinbar unbewußt nach dem Hemde, welches neben ihm auf einem Stuhl lag und begann es mit ausgebreiteten Armen, vornübergebeugt am Feuer zu wärmen. Diese kleinen Dienstleistungen hatte er Renée schon früher, in ihren glücklichen Tagen erwiesen. Sie ward von Rührung erfaßt, als sie ihn das Hemd behutsam an's Feuer halten sah. Und da Céleste noch immer nicht fertig werden wollte, fragte er:
»Hast Du Dich auf dem Ball gut unterhalten?«
»Ach nein; Du weißt ja, es ist immer dieselbe Geschichte,« gab sie ihm zur Antwort. »Es waren viel zu viel Leute da; eine förmliche Völkerwanderung.«
Er wendete jetzt das Hemd, welches auf einer Seite bereits erwärmt war.
»Was für Toilette hatte Adeline?«
»Eine herzlich geschmacklose malvenfarbene Robe ... Sie ist klein und hat eine sinnlose Vorliebe für breite Volants.«
Dann sprachen sie über andere Frauen und Maxime verbrannte sich fast die Finger mit dem Hemd. »Du wirst es noch versengen,« sagte Renée mit mütterlich kosender Stimme.
Céleste nahm das Hemd aus den Händen des jungen Mannes. Dieser richtete sich empor, betrachtete das große, grau-rosafarbene Bett und vertiefte sich in die Besichtigung des Tapetenmusters, um den Kopf abgewendet zu halten, damit er die nackten Brüste Renée's nicht sehe. Er that dies ganz instinktiv, denn da er sich nicht mehr für ihren Geliebten hielt, so hatte er auch kein Recht mehr, zu sehen. Darauf nahm er eine Zigarre hervor und zündete sie an; Renée hatte ihm die Erlaubniß gegeben, bei ihr zu rauchen. Endlich zog sich Céleste zurück, nachdem sich die junge Frau in ihrem schneeweißen Nachtgewande vor dem Feuer niedergelassen hatte.
Schweigend