Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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gar nicht mehr. Einzelne unter ihnen änderten dreimal das Kostüm. Endlose Sitzungen wurden abgehalten, bei welchen der Präfekt den Vorsitz führte. Lange konnte man sich über den Darsteller des Narziß nicht einigen. Sollte derselbe durch eine Frau oder einen Mann dargestellt werden? Auf die dringenden Bitten Renée's wurde die Rolle Maxime übertragen; doch sollte er der einzige Mann sein und selbst da sagte Frau von Lauwerens, daß sie dies nicht zugeben würde, wenn »der kleine Maxime nicht wirklich das Aussehen eines jungen Mädchens hätte«. Renée sollte die Nymphe Echo darstellen. Die Frage der Kostüme aber war bedeutend schwieriger zu entscheiden. Maxime stand dem Präfekten tapfer bei, der einen schweren Stand mit den neun Frauen hatte, deren zügellose Phantasie die Reinheit der Linien seines Werkes arg gefährdete. Hätte er ihnen Gehör geschenkt, so würden seine Olympier gepudertes Haar gehabt haben. Frau von Espanet wollte um jeden Preis ein Schleppkleid haben, um ihre etwas großen Füße zu verbergen, während Frau Haffner davon träumte, sich in ein Thierfell einzuhüllen. Nun wurde Herr Hupel de la Noue energisch, einmal sogar etwas grob; er sagte, daß er seine ursprüngliche Idee, in Versen zu schreiben, nur aufgegeben habe, um in seinem Stücke »geistreich kombinirte Stoffe und die schönsten Gestalten zu verwenden«, die er finden könnte.

      »Der Gesammteindruck, meine Damen, ist die Hauptsache,« erwiderte er auf jede neue Forderung, mit welcher man an ihn herantrat; »Sie vergessen den Gesammteindruck. .. Und ich kann mein Werk nicht all' dem Flitter opfern, welchen Sie begehren.«

      Die Berathungen fanden in dem kleinen goldenen Salon statt. Ganze Nachmittage wurden daselbst zugebracht, um den Schnitt eines Röckchens festzustellen. Worms wurde den Berathungen wiederholt zugezogen. Endlich war Alles erledigt, die Kostüme vereinbart und die Stellungen einstudiert, – Herr Hupel de la Noue erklärte sich für zufrieden. Die Wahl des Herrn von Mareuil hatte ihm bedeutend weniger Schwierigkeiten bereitet.

      Der Beginn der lebenden Bilder war für eilf Uhr angesetzt. Um halb eilf Uhr war der große Salon voll und da hernach getanzt werden sollte, so saßen die kostümirten Damen auf den Fauteuils, die im Halbkreise um das improvisirte Theater standen, welches von einer Estrade gebildet wurde, deren rothe Sammtvorhänge mit goldenen Fransen über Stangen liefen. Hinter den Damen befanden sich die Herren, die ab- und zugingen. Um zehn Uhr waren die Dekorateure mit ihrer Arbeit fertig geworden. Die Estrade erhob sich im Hintergrunde des Salons, wo sie ein ganzes Stück desselben in Anspruch nahm. Durch das Rauchzimmer, welches den Darstellern als Foyer diente, gelangte man auf das Theater. Außerdem standen den Damen im ersten Stock mehrere Räume zur Verfügung, in welchen eine Armee von Kammerfrauen die für die verschiedenen Bilder erforderlichen Toiletten vorbereitete.

      Es war halb zwölf Uhr und noch regten sich die rothen Sammtvorhänge nicht. Ein allgemeines Gemurmel ward im Saale vernehmbar. Die Fauteuilreihen wiesen das merkwürdigste Gemisch von Marquisen, Schloßfrauen, Milchmädchen, Spanierinen, Schäferinen, Sultaninen und anderen Kostümen auf, während die kompakte Masse der schwarzen Fräcke sich gleich einem großen schwarzen Fleck neben diesem Meer von hellen, leuchtenden Stoffen und nackten Schultern ausnahm, die im Feuer der Brillanten doppelt verführerisch erschienen. Nur die Damen waren kostümirt. Schon begann es sehr warm zu werden; die drei angezündeten Kronleuchter ließen das blendende Gold des Salons scharf hervortreten.

      Endlich sah man Herrn Hupel de la Noue zu einer kleinen Oeffnung herauskommen, die man zur Linken der Estrade freigelassen. Seit acht Uhr Abends war er den Damen bei der Toilette behilflich. Auf seinem linken Rockärmel waren die weißen Abdrücke dreier Finger sichtbar, die sich dahin verirrt, nachdem sie mit einem Puderwedel zu thun gehabt. Doch der Präfekt kehrte sich nicht an die Mängel seiner Toilette. Seine Augen waren weit geöffnet, sein Gesicht bleich und ein wenig aufgedunsen. Er schien Niemanden zu sehen und auf Saccard zuschreitend, den er inmitten einer Gruppe ernster Männer erblickte, sprach er halblauten Tones:

      »Zum Kuckuck! Ihre Frau hat ihren Laubgürtel verloren ... Was sollen wir jetzt anfangen?«

      Er schimpfte und hätte die Leute am liebsten geprügelt. Ohne eine Antwort abzuwarten, ohne Jemanden eines Blickes zu würdigen, wendete er sich zurück und verschwand wieder hinter den Vorhängen. Die Damen lächelten über die absonderliche Erscheinung dieses Herrn.

      Die Gruppe, von welcher Saccard umgeben war, hatte sich hinter den letzten Fauteuils gebildet. Man hatte sogar einen derselben für den Baron Gouraud, dessen Beine seit einiger Zeit den Dienst zu versagen begannen, aus der Reihe gezogen. Zugegen waren noch Herr Toutin-Laroche, den der Kaiser erst ganz kürzlich in den Senat berufen, Herr von Mareuil, dessen zweite Wahl die Kammer bestätigt hatte, Herr Michelin, der vor ein paar Tagen dekorirt worden und etwas mehr im Hintergrunde die Herren Mignon und Charrier, Ersterer mit einem großen Diamanten in seiner Halsbinde, Letzterer mit einem noch größeren am kleinen Finger. Die Herren plauderten. Saccard verließ sie einen Augenblick, um mit leiser Stimme einige Worte mit seiner Schwester zu wechseln, die soeben eingetreten war und sich zwischen Luise von Mareuil und Frau Michelin niedergelassen hatte. Frau Sidonie war als Magierin gekleidet, Luise trug ein Pagenkostüm, welches ihr knabenhaftes Aussehen noch erhöhte und die kleine Michelin, die als indische Tänzerin erschienen war, lächelte von ihren goldbestickten, wallenden Schleiern umgeben, verliebt vor sich hin.

      »Weißt Du schon etwas?« fragte Saccard seine Schwester leise.

      »Nein, noch nichts,« erwiderte sie. »Der Galan muß aber hier sein ... Sei unbesorgt, ich fasse die Beiden heute Abend ab.«

      Und sich nach rechts und links wendend, sagte Saccard Luisen und Frau Michelin einige schmeichelhafte Worte über ihre Kostüme. Erstere verglich er mit einem Edelknaben unter Heinrich III., Letztere mit einer Huri Mahomed's, wobei seine provençalische Aussprache seiner ganzen Person den Anschein größten Entzückens verlieh. Als er zu der Gruppe ernster Herren zurückkehrte, zog ihn Mareuil zur Seite und sprach mit ihm über die Heirath der beiden Kinder. An der Sache war nichts geändert worden und nach wie vor sollte der Kontrakt am folgenden Sonntag unterfertigt werden.

      »Ganz recht,« sagte Saccard. »Ich gedenke diese Verbindung heute Abend sogar zur Kenntniß unserer Freunde zu bringen, wenn Sie nichts dagegen einzuwenden haben ... Ich werde blos die Ankunft meines Bruders, des Ministers abwarten, da er mir zu kommen versprochen.«

      Der neue Abgeordnete war entzückt. Nun aber ließ Herr Toutin-Laroche seine Stimme vernehmen, als wäre er die Beute einer lebhaften Entrüstung.

      »Ja, meine Herren,« sagte er zu Michelin und den beiden Unternehmern, die nähergetreten waren; »ich besaß die unbegreifliche Gutmüthigkeit, meinen Namen in einer solchen Angelegenheit mißbrauchen zu lassen.«

      Und da sich ihnen auch Saccard und Mareuil anschlossen, fügte er hinzu:

      »Ich erzähle den Herren das beklagenswerthe Ende, welches die marokkanische Hafengesellschaft genommen. Sie wissen ja, Saccard.«

      Dieser zuckte mit keiner Wimper. Die in Rede stehende Gesellschaft war erst ganz kürzlich schmählich zusammengebrochen. Allzu neugierige Aktienbesitzer hatten wissen wollen, wie es denn in Wahrheit um die Handelsstationen an den Küsten des mittelländischen Meeres bestellt sei und eine von der Gerichts-Behörde angeordnete Untersuchung hatte den Nachweis geliefert, daß die marokkanischen Häfen nur auf den sehr schön gearbeiteten Plänen vorhanden seien, die an den Wänden der Bureaux der Gesellschaft hingen. Von da an lärmte Herr Toutin Laroche lauter als die betrogenen Aktionäre selbst; er war im höchsten Grade entrüstet und forderte, man solle ihm seinen fleckenlosen Namen zurückgeben. Und er lärmte so lange und mit solchem Nachdruck, daß ihn die Regierung in den Senat berief, um den nützlichen Mann zu beruhigen und in den Augen der Oeffentlichkeit zu rehabilitiren. So erreichte er denn die längst ersehnte Senatorswürde, – infolge einer Angelegenheit, die ihn eigentlich ins Zuchthaus hätte bringen müssen.

      »Sie sind zu gütig, daß Sie dieser Sache Erwähnung thun,« sagte Saccard.

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