Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola страница 169
»Sage Deinem Sohne, daß ich sein Trauzeuge sein will.«
Herr von Mareuil erröthete vor Freude. Man beglückwünschte Saccard und Toutin-Laroche bot sich als zweiter Zeuge an. Mit einer plötzlichen Wendung kam man dann auf die Ehescheidung zu sprechen. Ein Mitglied der Opposition hatte, wie Herr Haffner sagte: »den traurigen Muth«, diese soziale Schmach in Schutz zu nehmen. Jedermann war empört und es wurden schöne Worte der Keuschheit und Züchtigkeit vernehmbar. Herr Michelin lächelte dem Minister zu, während Mignon und Charrier erstaunt gewahrten, daß der Kragen seines Rockes stark abgenützt sei.
Während dieser ganzen Zeit konnte Herr Hupel de la Noue seiner Befangenheit nicht Herr werden und noch immer lehnte er an dem Fauteuil des Barons Gouraud, der sich begnügt hatte, mit dem Minister schweigend einen Händedruck zu wechseln. Der Poet wagte seinen Platz nicht zu verlassen. Ein unerklärliches Gefühl, die Furcht lächerlich zu erscheinen, die Gunst seines hohen Vorgesetzten zu verlieren, fesselte ihn an seinen Platz trotz des brennenden Verlangens, die Damen für das letzte Bild auf der Estrade zu placiren. Er harrte des Augenblicks, daß ihm ein glücklicher Einfall kommen und ihn wieder in das Wohlwollen des Ministers einsetzen würde. Er vermochte aber nichts zu finden. Immer beengender senkte sich die Verlegenheit über ihn, als er endlich Herrn von Saffré erblickte. Der junge Mann war soeben erst gekommen und darum zum Opfer geeignet.
»Sie kennen das Scherzwort der Marquise nicht?« fragte der Präfekt. Doch war er so verwirrt, daß er die Sache nicht in ergötzlicher Weise vorzutragen vermochte und so fuhr er holperig fort:
»Ich sagte ihr: »Sie haben ein reizendes Kostüm« und da gab sie mir zur Antwort ...«
»»Ich habe darunter noch ein viel hübscheres,«« ergänzte Herr von Saffre ruhig. »Das ist schon alt, mein Verehrtester, schon sehr alt.«
Herr Hupel de la Noue blickte ihn förmlich entsetzt an. Der Scherz war alt und er wollte sich noch immer mehr in die köstliche Naivität dieser von Herzen kommenden Worte vertiefen!
»Alt, so alt wie die Welt,« wiederholte der Sekretär. »Frau von Espanet hat es in den Tuilerien schon zweimal gesagt.«
Dies war der Gnadenstoß und nun kehrte sich der Präfekt weder an den Minister, noch an den ganzen Salon. Er schritt auf die Estrade zu, als das Piano zu präludiren begann; traurige, klagende Töne entquollen den Fingern des Spielenden. Lauter tönte die Klage und der Vorhang glitt auseinander. Herr Hupel de la Noue, der bereits zur Hälfte verschwunden war, trat in den Salon zurück, als er das leise Knirschen der Ringe vernahm. Er war bleich, erbittert und machte eine heftige Anstrengung, um den Damen nicht einige zermalmende Worte zuzurufen, da sie es gewagt, ihre Plätze ohne seine Anweisungen einzunehmen. Die kleine Espanet mußte das Komplot angezettelt haben, den Wechsel der Kostüme zu beschleunigen und sich ohne ihn zu behelfen. Doch das war nicht mehr das Richtige; das Ganze hatte so keinen Werth.
Er kehrte zu den Uebrigen zurück, wobei er einige heftige Worte murmelte. Nachdem er dann einen Blick auf die Estrade geworfen, sprach er halblaut vor sich hin:
»Die Nymphe Echo ist zu sehr am Rand... Und dieses Bein des schönen Narziß ... ach! wie steif und starr, ohne jede Weichheit und Anmuth...«
Die Herren Mignon und Charrier, die sich ihm genähert hatten, um sich die Sache »erklären« zu lassen, richteten die Frage an ihn, was »denn der junge Mann und das junge Mädchen machten, die auf der Erde lagen.« Er aber gab keine Antwort und verweigerte es, sein Poëm weiter zu erläutern; als die Herren aber weiter in ihn drangen, sagte er zornig:
»Ach! das geht mich gar nichts mehr an, sobald die Damen ihre Plätze ohne mich einnehmen!«
Das Klavier schluchzte in weichen Tönen. Auf der Estrade eröffnete eine Waldlichtung, welche das elektrische Licht mit hellem Sonnenschein erfüllte, einen weiten Ausblick auf Waldesgrün. Es war das eine ideale Waldlichtung mit blauen Bäumen und großen gelben und rothen Blumen, die so hoch waren wie Eichenstämme. Hier hatten sich auf einem Rasenhügel Venus und Pluto zusammengefunden; Beide waren von den Nymphen umgeben, die aus dem ganzen Walde herbeigeeilt gekommen, um sich zu einem Gefolge zu schaaren. Es gab hier Baumnymphen, Quellennymphen, Bergnymphen, – all die lachenden, nackten Halbgottheiten der Wälder. Und der Gott und die Göttin triumphirten; sie straften die Kälte des Hochmüthigen, der sie verachtet hatte, während die Gruppe der Nymphen im Vordergrunde neugierig und mit einer gewissen heiligen Scheu der Rache des Olymp beiwohnte. Das Drama schloß hier ab. Am Rande eines Baches liegend betrachtete sich der schöne Narziß in der klaren Wasserfläche und man hatte die Täuschung so weit getrieben, daß man am Grunde des Baches einen wirklichen Spiegel angebracht hatte. Er war aber nicht mehr der junge Halbgott, der frei und unbehindert durch die Wälder strich; der Tod überraschte ihn inmitten seiner entzückten Bewunderung des eigenen Bildes, der Tod beraubte ihn seiner Kräfte und gleich einer Fee der Apotheose beschwor Venus mit dem ausgestreckten Finger sein Verhängniß über ihn herauf. Er wurde zur Blume. Seine Gliedmaßen gingen allmälig in dunkles Grün über; die leicht zurückgebogenen Füße, die den biegsamen Stengel darstellten, versenkten sich in die Erde, um daselbst Wurzel zu fassen, während der Oberkörper, welchen breite, weiße Seidenstreifen zierten, sich in eine herrliche Blumenkrone verwandelte. Die blonden Haare Maxime's vervollständigten die Täuschung und die langen Locken bildeten die gelben Staubfäden inmitten der weißen Kelchblätter. Und die große werdende Blume, die noch menschlich fühlte, neigte den Kopf dem Wasserspiegel zu, während die Augen trunken blickten und das Gesicht in wonnevoller Begeisterung lächelte, als hätte der schöne Narziß im Tode die Befriedigung der Begierden gefunden, die er sich selbst eingeflößt. Wenige Schritte von ihm entfernt lag auch die Nymphe Echo im Sterben; sie starb, weil ihr Verlangen unbefriedigt geblieben. Allmälig ging die Regungslosigkeit des Bodens auf sie selbst über und ihre von heißem Leben erfüllten Glieder wurden kalt und starr. Sie ward nicht zum gewöhnlichen, von Moos bedeckten Felsen, sondern zu weißem Marmor, dank ihren Schultern und ihren Armen, dank ihrem schneeweißen Kostüm, dessen Laubgürtel und blaue Schärpe verschwunden waren. Kraftlos zusammensinkend, während ihr weißes Satinkleid sich in weiten Falten gleich den Umrissen eines Marmorblocks um sie legte, glitt sie zu Boden und ihr zur Statue gewordener Leib hatte nichts Lebendes mehr in sich außer ihren Augen, diesen Augen, die sich sehnsuchtsvoll auf das Spiegelbild des Baches richteten. Und schon schien es, als ob alle Liebeslaute des Waldes, die lang gezogenen Töne des Dickichts, das geheimnißvolle Rauschen der Blätter, die tiefen Seufzer der mächtigen Eichen, sich auf die Marmorfläche der Nymphe Echo niederlassen wollten, deren Herz auch inmitten des Blockes blutend, selbst die leisesten Klagen der Erde und der Luft wiedergab.
»Ach Gott! wie sie den armen Maxime vermummt haben!« sagte Luise halblaut. »Und Frau Saccard sieht aus, als wäre sie todt.«
»Sie ist ganz bedeckt vom Reispuder,« behauptete Frau Michelin.
Andere, ebenso wenig verbindliche Bemerkungen wurden laut. Das dritte Bild konnte sich des rückhaltslosen Beifalls der beiden ersten nicht rühmen. Und dessenungeachtet war es gerade dieser tragische Ausgang, welcher Herrn Hupel de la Noue über sein eigenes Talent in Begeisterung versetzte. Er bewunderte sich in demselben, wie sich sein Narziß im Spiegelbilde der Quelle bewunderte. Er habe – meinte er – eine Menge poetischer und philosophischer Gedanken eingestreut. Als sich der Vorhang zum letzten Male geschlossen und die Zuschauer, wie es sich für wohlerzogene Leute schickt, ihren Beifall gespendet hatten, empfand er bittere Reue darob, daß er seinem Zorne nachgegeben und den letzten Theil seines Poëms