Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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der Tunika der Wollust, war eine glückliche, so daß ein gedämpfter rosenfarbener Ton, die Farbe lebenden Fleisches vorherrschte. Und unter den Strahlen des durch ein Fenster des Gartens sehr gewandt auf die Bühne geleiteten elektrischen Lichtes verschwammen Spitzen, Gaze, all' diese leichten, durchsichtigen Stoffe so innig mit den Schultern und Tricots, daß die rosig-weißen Formen Leben zu gewinnen schienen und man sich unwillkürlich die Frage vorlegte, ob die Damen die plastische Wahrheit nicht so weit getrieben hatten, um sich völlig nackt zu zeigen. Dies galt indessen nur für die Apotheose; das Drama selbst trug sich im Vordergrunde zu. Links streckte Renée, die Nymphe Echo, die Arme der großen Göttin entgegen, den Kopf halb Narziß zugewendet, mit bittendem, flehendem Ausdruck, als wollte sie ihn auffordern, Venus anzuschauen, deren bloßer Anblick das Feuer der Leidenschaft entflammt; Narziß aber macht rechts stehend eine abwehrende Bewegung und die Augen mit der Hand verdeckend, bleibt er kalt und unempfindlich. Die Kostüme dieser zwei Personen hatten die Phantasie des Herrn Hupel de la Noue in nicht geringem Maße in Anspruch genommen. Narziß, als herumstreichender Halbgott der Wälder trug ein ideales Jägerkostüm: grünliches Tricot, eine kurze Weste und Eichenlaub in den Haaren. Die Verkleidung der Nymphe Echo stellte für sich allein eine ganze Allegorie dar; sie repräsentirte die großen Bäume und großen Berge, die widerhallenden Orte, allwo die Stimmen der Erde und der Luft einander antworten. Der weiße Satin des Rockes stellte den Felsen, der Blätterschmuck der Hüften das Dickicht und die blaue Gaze des Leibchens den reinen Himmel dar. Die einzelnen Gruppen verharrten in der regungslosen Stellung der Statuen, der Fleischton des Olymps schimmerte in der blendenden Beleuchtung und dazwischen klangen die Liebesklagen des Flügels, welche von tiefen Seufzern unterbrochen wurden.

      Allgemein wurde gefunden, daß Maxime sich vorzüglich gehalten habe. In seiner abwehrenden Geberde entwickelte er seine linke Hüfte, welche vielfach bemerkt wurde. Rückhaltsloses Lob wurde aber dem Gesichtsausdrucke Renée's gespendet. Nach der Meinung des Herrn Hupel de la Noue drückte sie »den Schmerz des unbefriedigten Verlangens« aus. Sie hatte ein scharfes Lächeln um den Mund, welches demüthig sein sollte; sie lauerte ihrer Beute mit der Gier der hungrigen Wölfin auf, die ihre Zähne nur halb verbirgt. Das erste Bild ging ohne Störung von statten, abgesehen von der tollen Adeline, die sich nicht ruhig hielt und nur mit großer Mühe einen unbezwingbaren Drang zu lachen unterdrückte. Endlich schlossen sich die Vorhänge und das Piano verstummte.

      Man applaudirte discret und die Gespräche kamen wieder in Fluß. Ein Hauch der Liebe, der verhaltenen Wünsche war von den nackten Gestalten der Estrade ausgegangen und zog jetzt durch den Salon, wo die Frauen sich lässiger in die Arme ihrer Fauteuils schmiegten und die Männer lächelnd mit einander flüsterten. Es war wie ein Liebesflüstern im Alkoven, das gedämpfte Gespräch einer guten Gesellschaft, ein Begehren nach Wonne, blos durch das leise Zittern der Lippen verrathen; und in den stummen Blicken, die einander inmitten dieses vom guten Ton zulässigen Entzückens begegneten, lag die brutale Kühnheit der gebotenen und angenommenen Liebe ausgedrückt.

      Die Reize der Damen bildeten ein unerschöpfliches Gesprächsthema und ihre Kostüme nahmen fast dieselbe Aufmerksamkeit in Anspruch wie ihre Schultern. Als die Dioskuren Mignon und Charrier Herrn Hupel de la Noue befragen wollten, fanden sie ihn zu ihrem Staunen nicht mehr neben sich. Er war bereits hinter der Estrade verschwunden.

      »Ich sagte Ihnen also, mein Herz,« nahm Frau Sidonie den Faden eines durch das erste Bild unterbrochenen Gespräches wieder auf; »daß ich aus London einen Brief in Bezug auf die bewußten drei Milliarden erhielt ... Die Person, die ich mit den Nachforschungen betraut habe, schreibt mir, sie glaube die Bestätigung des Bankiers gefunden zu haben. England soll gezahlt haben. Ich bin infolgedessen ganz krank seit heute Morgens.«

      Thatsächlich sah sie in ihrem mit Sternen besäeten Magierkleide gelber noch als sonst aus. Und da ihr Frau Michelin nicht zuhörte, so fuhr sie mit leiserer Stimme fort, indem sie sagte, daß England nicht gezahlt haben könne und sie entschieden selbst nach London gehen werde.

      »Das Kostüm des Narziß war sehr hübsch, nicht wahr?« fragte Luise zu Frau Michelin gewendet.

      Diese lächelte und blickte dabei den Baron Gouraud an, der jetzt viel munterer in seinem Fauteuil saß. Frau Sidonie sah, welche Richtung ihr Blick hatte und indem sie sich zu ihr neigte, flüsterte sie ihr ins Ohr, damit es das Kind nicht hören könne:

      »Hat er sich endlich gefügt?«

      »Ja,« erwiderte die junge Frau, die ihre Rolle als Geliebte entzückend spielte, schmachtenden Tones. »Ich habe das Häuschen in Louveciennes gewählt und auch die Besitzurkunde durch seinen Bevollmächtigten erhalten ... Im Uebrigen haben wir mit einander gebrochen und ich empfange ihn nicht mehr.«

      Luise besaß ein besonderes Talent solche Dinge zu hören und zu sehen, die vor ihr geheim bleiben sollten. Sie blickte den Baron Gouraud mit echt pagenhafter Kühnheit an und fragte dann Frau Michelin:

      »Sie finden nicht, daß der Baron abscheulich ist?«

      Und lachend fügte sie hinzu:

      »Wahrhaftig! Man hätte die Rolle des Narziß ihm übergeben sollen. Er hätte sich in den apfelgrünen Tricots prächtig ausgenommen.«

      Der Anblick der Venus und dieses wollüstigen Stück Olymps schien den alten Senator zu neuem Leben erweckt zu haben. Er machte ganz verzückte Augen und wendete sich halb zu Saccard, um diesem ein Kompliment zu machen. Inmitten des allgemeinen Stimmengewirrs, welches den Salon erfüllte, fuhren die ernsten Männer fort, über Geschäfte und Politik zu plaudern. Herr Haffner erwähnte, er sei soeben zum Präsidenten einer Jury ernannt worden, die in Sachen der Entschädigungen zu urtheilen haben werde. Nun glitt die Unterhaltung auf die öffentlichen Arbeiten von Paris hinüber und man sprach über den Boulevard du Prince-Eugéne, von welchem auch das große Publikum Kenntniß zu erhalten begann. Saccard erfaßte die Gelegenheit, um von einer ihm bekannten Person, einem Grundbesitzer zu sprechen, der ohne Zweifel expropriirt werden würde. Und dabei blickte er die Herren forschend an. Der Baron schüttelte langsam den Kopf, während Herr Toutin-Laroche die Kühnheit so weit trieb, zu sagen, daß es nichts Unangenehmeres gebe, als expropriirt zu werden, Herr Michelin stimmte ihm bei und blickte verliebten Auges sein rothes Bändchen an.

      »Die Entschädigungen können niemals zu hoch gegriffen sein,« schloß Herr von Mareuil belehrend, da er Saccard angenehm sein wollte.

      Sie hatten einander verstanden. Die Genossen Mignon und Charrier begannen über ihre eigenen Geschäfte zu sprechen. Sie gedachten sich demnächst zurückzuziehen und in Langres niederzulassen; in Paris würden sie blos ein Absteigequartier haben. Sie entlockten den Herren ein vielsagendes Lächeln, als sie erwähnten, daß sie, als der Bau ihres herrlichen Hôtels auf dem Boulevard Malesherbes vollendet war, dasselbe so schön fanden, daß sie der Lust, es zu verkaufen, nicht zu widerstehen vermochten. Ihre Diamanten bildeten offenbar den Trost, den sie sich vergönnt hatten. Saccard lachte gezwungen; seine ehemaligen Verbündeten hatten aus einem Geschäfte, in welchem er der Geprellte gewesen, ungeheuren Gewinn gezogen. Und da die Zwischenpause noch immer nicht zu Ende ging, wurde das Gespräch der ernsten Männer durch begeisterte Bemerkungen über den Busen der Venus und über das Kostüm der Nymphe Echo unterbrochen.

      Endlich, nach einer guten halben Stunde kam Herr Hupel de la Noue wieder zum Vorschein. Er schwelgte in Siegestrunkenheit und die Unordnung seiner Toilette hatte weitere Fortschritte gemacht. Als er seinem Platze zusteuerte, begegnete er Herrn von Mussy. Er drückte ihm im Vorbeigehen die Hand, kehrte dann aber zurück, um ihn zu fragen:

      »Sie haben das Scherzwort der Marquise nicht gehört?«

      Und ohne seine Antwort abzuwarten, wiederholte er es ihm. Er würdigte die reizende Bemerkung immer mehr, er kommentirte dieselbe und sah in derselben den Ausdruck köstlicher Naivität. »Ich habe darunter noch ein viel hübscheres!« Es war das ein aus

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