Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola страница 164
»Wie? was willst Du damit sagen?« fragte sie.
»Ei, alle Wetter, daß Dich mein Vater auf die niedlichste Art von der Welt am Gängelbands führt ... Du thust mir wirklich leid; Du bist zu ungeschickt!«
Und damit begann er ihr zu erzählen, was er bei Laura gehört; er erzählte es feige, hinterlistig und freute sich insgeheim darüber, daß er in diesen Infamien wühlen konnte. Es schien ihm dabei, als rächte er sich damit für eine geheime Beleidigung, die man ihm angethan. Sein weibisches Temperament erlabte sich in thierischer Wollust an dieser Denunziation, an diesem grausamen Geschwätz, welches er hinter einer Thür erlauscht. Er ersparte Renée nichts, – weder das Geld, welches ihr Gatte ihr auf Wucherzinsen vorgestreckt, noch jenes andere, welches er ihr durch lächerliche Geschichten, die für ein Ammenmärchen zu schlecht waren, entlocken wollte. Leichenblaß hörte ihm die junge Frau zu, ihre Lippen waren dabei fest über einander gepreßt. Vor dem Kamin stehend, blickte sie gesenkten Hauptes in das Feuer; dabei hatte sich ihr Nachtgewand, das Hemd, welches Maxime gewärmt hatte, ein wenig verschoben und ließ die regungslosen Formen einer Marmorstatue sehen.
»Ich sage Dir das Alles,« schloß der junge Mann, »damit Du nicht blindlings in die Falle gehst ... Meinem Vater aber brauchst Du darum nicht zu zürnen, denn er ist so böse nicht. Er hat nur seine Fehler, wie jeder Mensch ... Auf Wiedersehen also!«
Damit schritt er der Thür zu, Renée aber hielt ihn durch eine Geberde zurück.
»Bleibe!« rief sie dabei gebieterischen Tones.
Und ihn an sich ziehend, drückte sie ihn vor dem Feuer beinahe auf ihre Kniee nieder, küßte ihn auf den Mund und sagte:
»Das wäre doch zu lächerlich, wenn wir uns jetzt noch irgendwelchen Zwang anthun wollten ... Du weißt wohl nicht, daß ich seit gestern, seitdem Du mit mir brechen wolltest, nicht mehr recht bei Sinnen war? Ich bin wie verrückt. Heute Abend hatte ich einen Schwindelanfall auf dem Ball. Ich habe Dich nöthig, um leben zu können. Wenn Du von mir gehst, werde ich vernichtet sein ... Lache nicht; ich sage Dir blos, was ich empfinde.«
Sie blickte ihn mit unendlicher Zärtlichkeit an, als hätte sie ihn schon lange nicht gesehen.
»Du hast das richtige Wort gefunden, ich war ungeschickt und Dein Vater hätte mir Alles, was er wollte, weismachen können. Konnte ich denn eine Ahnung haben? Während er mir seine Geschichte vortrug, vernahm ich nur ein dumpfes Brausen in den Ohren und ich war derart jedes freien Willens bar, daß ich seine Papiere selbst auf den Knieen liegend unterschrieben hätte, wenn er es verlangt hätte. Und ich bildete mir ein, daß ich Gewissensbisse hatte! ... Es war doch zu lächerlich ...«
Sie lachte laut auf und der Ausdruck des Wahnsinns erschien in ihren Augen. Sie preßte den Geliebten noch inniger an sich und fuhr fort:
»Verüben wir denn das Schlechte? Wir lieben und amüsiren uns, wie es uns gefällt; und dies thut die ganze Welt, nicht wahr? ... Sieh, Dein Vater thut sich auch keinerlei Zwang an. Er liebt das Geld und nimmt es, wo er es findet. Er hat vollkommen Recht und ich werde mich darnach zu richten wissen ... Vor Allem werde ich nichts unterschreiben und Du wirst Dich wie früher jeden Abend hier einfinden. Ich fürchtete, Du würdest nicht mehr wollen, weil... Du weißt ja, was ich Dir gesagt ... Da Dich Das aber nicht anficht ... Und dann werde ich ihm die Thür verschließen, wie Du begreifen wirst...«
Sie stand auf und zündete die Nachtlampe an. Maxime zögerte; er war völlig verzweifelt. Nun ward er sich über den Fehler klar, den er begangen und machte sich bittere Vorwürfe darüber, daß er gesprochen. Wie sollte er jetzt seine bevorstehende Vermählung ankündigen? Die Schuld konnte er nur sich allein zuschreiben, denn der Bruch hatte stattgefunden und er es nicht nöthig gehabt, sich neuerdings in diesem Zimmer einzufinden, oder der jungen Frau zu beweisen, daß ihr Gatte sie schmählich hintergehe. Er wußte gar nicht mehr, welchen Regungen er nachgegeben, was seinen Zorn gegen sich selbst nur noch vermehrte. Doch wenn er auch einen Augenblick den Gedanken hatte, ein zweites Mal brutal zu sein, sich ohne Weiteres zu entfernen, so erfüllte ihn der Anblick Renée's, die ihre Pantoffel abstreifte, mit einer unbesiegbaren Feigheit. Er ward von Furcht erfaßt und blieb.
Als sich Saccard am nächsten Tage bei seiner Frau einfand, um ihr die Verzichtsurkunde zur Unterschrift vorzulegen, theilte sie ihm ruhig mit, daß sie sich die Sache überlegt habe und nichts zu unterschreiben gedenke. Sie machte nicht die leiseste Anspielung, denn sie hatte sich selbst Schweigen gelobt, um sich keine Unannehmlichkeiten zuzuziehen und ihre wiedergefundene Liebe in Ruhe genießen zu können. Aus dem Charonner Geschäfte mochte werden was da wollte; die Verweigerung ihrer Unterschrift war blos eine Rache und alles Uebrige focht sie nicht an. Saccard war nahe daran, sich von seinem Zorne hinreißen zu lassen. Alle seine Träume gingen in Trümmer, denn was er an sonstigen Unternehmungen hatte, mißglückte ebenfalls. Er war am Ende seiner Hilfsmittel und es mußte ein Wunder genannt werden, daß er sich noch aufrecht erhielt; am Morgen desselben Tages hatte er nicht einmal die Rechnung seines Bäckers bezahlen können. Dies hinderte ihn aber nicht, für Mittfastendonnerstag ein glänzendes Fest vorzubereiten. Angesichts der Weigerung Renée's empfand er den ohnmächtigen Zorn eines kraftstrotzenden Mannes, der durch die Laune eines Kindes in seinem Werke aufgehalten wird. Mit der Verzichtsurkunde in der Tasche hatte er sich Geld beschaffen zu können gehofft, bis ihm die städtische Entschädigung zugefallen wäre. Als er sich ein wenig beruhigt hatte und klar zu denken vermochte, staunte er über die plötzliche Aenderung des Entschlusses seiner Frau; sicherlich war sie von Jemandem berathen worden. Sein Verdacht richtete sich naturgemäß auf einen Liebhaber. Diese Vermuthung gewann derart die Oberhand in ihm, daß er zu seiner Schwester eilte, um sie zu fragen, ob ihr von Renée's Geheimnissen nichts bekannt sei. Sidonie gab sehr scharfe Antworten, denn sie vermochte ihrer Schwägerin nicht zu verzeihen, daß sie sie durch ihre Weigerung, Herrn von Saffré zu sehen, in eine arge Verlegenheit gebracht hatte. Als sie daher aus den Fragen ihres Bruders ersah, daß er seine Frau im Verdacht habe, sie unterhielte geheime Liebesverhältnisse, stimmte sie eifrig bei und sagte, daß sie dessen sicher sei. Sie machte sich anheischig, die »Turteltäubchen« abzufassen. Diese Zierpuppe sollte nicht glauben, daß ihr Alles gestattet sei. Saccard liebte es sonst nicht, unangenehmen Wahrheiten nachzuspüren; hier aber zwang ihn sein Interesse, die Augen zu öffnen, die er klüglich geschlossen gehalten und so nahm er das Anerbieten seiner Schwester an, die mitfühlenden Tones zu ihm sagte:
»Sei unbesorgt, ich werde Alles in Erfahrung bringen. Ach! mein armer Bruder, Angéle hätte Dich gewiß niemals verrathen! Einen so guten, so großmüthigen Gatten! Diese Pariser Puppen haben ja kein Herz ... Und ich habe doch niemals aufgehört, ihr die besten Rathschläge zu ertheilen!«
VI.
Am Mittfastendonnerstag sollte bei Saccard ein großer Kostümeball abgehalten werden. Das große Ereigniß desselben aber würde das Poëm »Die Liebe des schönen Narcisse und der Nymphe Echo« bilden, welches die Damen in drei Bildern darstellen sollten. Der Autor des Poëms, Herr Hupel de la None, reiste seit einem Monate unablässig zwischen seiner Präfektur und dem Hôtel des Monceau-Parkes hin und her, um die Proben zu überwachen und seine Meinung über die Kostüme abzugeben. Er hatte sein Werk zuerst in Versen schreiben wollen, sich aber dann für lebende Bilder