Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola страница 166
Thatsächlich hatte der Crédit Viticole bedeutende Verlegenheiten zu überwinden gehabt, welche sorgfältig geheim gehalten wurden. Ein Minister, der eine besonders zärtliche Zuneigung für dieses Finanzinstitut hegte, welches die Stadt an der Kehle gefaßt hielt, hatte ein Hausse-Manöver ersonnen, welches Toutin-Larochi vortrefflich auszunützen verstanden. Nichts war ihm schmeichelhafter, als wenn man ihm Komplimente über das Gedeihen des Crédit-Viticole machte; ja er forderte solche mitunter ganz direkt heraus. Er dankte Herrn von Mareuil mit einem Blick und sich zu dem Baron Gouraud wendend, fragte er ihn, wahrend er sich vertraulich auf den Fauteuil desselben stützte:
»Fühlen Sie sich behaglich? Ist Ihnen nicht zu warm?«
Der Baron ließ ein leises Grunzen vernehmen.
»Er verfällt mit jedem Tage mehr,« fügte Herr Tontin-Laroche halblaut hinzu, während er sich wieder zu den übrigen Herren wandte.
Herr Michelin lächelte und drückte von Zeit zu Zeit sanft die Augen zu, um sein rothes Bändchen zu sehen, während die Herren Mignon und Charrier, die breitspurig, auf ihren großen Füßen standen, sich bedeutend behaglicher zu fühlen schienen, seitdem sie Diamanten trugen. Mitternacht war aber nicht mehr fern, die Gesellschaft begann unruhig zu werden; doch erlaubte sie sich nicht zu murren, nur die Fächer wurden hastiger bewegt und das Geräusch der Unterhaltung nahm zu.
Endlich kam Herr Hupel de la Noue wieder zum Vorschein. Er hatte eine Schulter durch die enge Oeffnung geschoben, als er Frau von Espanet erblickte, die endlich die Estrade bestieg, wo die für das erste Bild bereits versammelten Damen nur mehr auf sie warteten. Der Präfekt wendete sich zurück, wodurch er den Zuschauern den Rücken zukehrte und man konnte ihn im Gespräch mit der Marquise sehen, die durch die Vorhänge verdeckt wurde. Er dämpfte seine Stimme, während er mit der Hand winkend, sagte:
»Mein Kompliment, Marquise. Ihr Kostüm ist entzückend.«
»Ich habe darunter noch ein viel hübscheres!« erwiderte die junge Frau keck und lachte ihm hell ins Gesicht, da er ihr von den Draperien halb verdeckt, zu drollig däuchte.
Die Kühnheit dieses Scherzes machte den galanten Hupel de la Noue einen Moment sprachlos; doch faßte er sich alsbald und immer größeres Gefallen an der Bemerkung findend, je länger er über dieselbe nachdachte, murmelte er entzückt:
»Köstlich! Hinreißend!«
Damit ließ er den Zipfel des Vorhanges fallen und schloß sich der Gruppe ernster Männer an, um sich an seinem Werk zu ergötzen. Er war nicht mehr der trostlose Mann, der nach dem Laubgürtel der Nymphe Echo suchte; er strahlte, pustete und trocknete sich die Stirne. Noch immer waren die weißen Fingerabdrücke auf seinem Rockärmel zu sehen, außerdem war der Daumen seines rechten Handschuhes roth gefärbt; offenbar hatte er diesen Finger in den Schminktopf einer der Damen getaucht. Er lächelte, warf sich in die Brust und flüsterte:
»Sie ist himmlisch, göttlich, anbetungswürdig!«
»Wer denn?« fragte Saccard.
»Die Marquise. Denken Sie nur, soeben sagte sie mir ...«
Und er wiederholte das Scherzwort, welches allgemein belacht wurde. Die Herren wiederholten es unter einander und selbst der würdige Herr Haffner, der näher getreten war, konnte sich eines beifälligen Lächelns nicht enthalten. Inzwischen begann Jemand auf einem Klavier zu spielen, welches nur wenig Personen gesehen hatten und eine allgemeine Stille trat ein, um dem Walzer zu lauschen. Derselbe hatte endlose, kapriziöse Schnörkel, zwischen welchen sich ein sehr melodischer Satz siegreich geltend machte, der sich in einem Nachtigallentriller verlor, worauf das Thema von tieferen Stimmen fortgeführt ward. Dies hörte sich völlig wollüstig an und die Damen neigten die Köpfe ein wenig vor und lächelten. Dagegen hatten die Töne des Piano der Heiterkeit des Herrn Hupel de la Noue mit einem Male ein Ende gemacht. Er blickte die rothen Sammtvorhänge mit ängstlicher Miene an; offenbar machte er sich Vorwürfe darüber, daß er Frau von Espanet nicht gleich den Anderen ihren Platz angewiesen habe.
Langsam gingen die Vorhänge auseinander und gedämpft begann das Piano von Neuem den sinnlichen Walzer zu spielen. Ein Murmeln ward in dem Salon vernehmbar, die Damen neigten sich vor, die Herren reckten die Hälse, während sich die Bewunderung hier und dort durch ein zu laut gerathenes Wort, einen unbewußten Seufzer, durch ein ersticktes Lachen Bahn brach. Dies währte gute fünf Minuten, während die drei Kronleuchter ein blendendes Licht verbreiteten. Beruhigt lächelte Herr Hupel de la Noue behaglich über sein Werk. Er vermochte der Versuchung nicht zu widerstehen, den ihn umgebenden Personen zu wiederholen, was er seit einem Monate sagte:
»Ich wollte Dies ursprünglich in Verse bringen ... Doch, nicht wahr, so nimmt es sich vornehmer aus?«
Und während der Walzer seine endlosen, wiegenden Rythmen vernehmen ließ, lieferte der Autor die erforderlichen Erklärungen. Die Herren Mignon und Charrier waren dicht herangekommen und hörten ihm aufmerksam zu.
»Sie kennen doch die den Bildern zu Grunde liegende Handlung, nicht wahr? Der schöne Narziß, Sohn des Flusses Céphisos und der Nymphe Liriope, verachtet die Liebe der Nymphe Echo ... Echo gehörte zum Gefolge der Juno, die sie mit ihren Erzählungen unterhält, während sich Jupiter in der Welt herumtreibt ... Echo, die wie Sie wissen, die Tochter der Luft und der Erde war ...«
Und er that sich nicht wenig zugute auf seine Kenntniß der Fabel. Darauf fuhr er vertraulicheren Tones fort:
»Ich glaubte meiner Phantasie freien Lauf lassen zu sollen ... Die Nymphe Echo führt den schönen Narziß zu Venus in eine unterirdische Grotte, damit ihn die Göttin durch ihr Feuer entflamme. Doch die Macht der Göttin erweist sich als wirkungslos und der junge Mann bezeugt durch seine Haltung, daß er nicht gerührt ist.«
Die Erklärung war nicht überflüssig, denn nur wenige der in dem Salon anwesenden Personen verstanden den genauen Sinn der verschiedenen Bilder. Als der Präfekt halblaut die Personen beim Namen genannt hatte, bewunderte man aufrichtiger. Die beiden Herren Mignon und Charrier aber machten nach wie vor große Augen; sie hatten eben gar nichts verstanden.
Auf der Estrade, zwischen den rothen Sammtvorhängen war eine Höhle dargestellt. Dieselbe bestand aus gespannter Seide, welche in große, gebrochene Falten gelegt war, die die Risse und Krümmungen des Felsens darstellten und mit Muscheln, Fischen und großen Wasserpflanzen bemalt waren. Der unebene Boden wölbte sich zu einem Hügel, der mit derselben Seide und einem feinen Sande bedeckt war, welchen der Dekorateur mit Perlen und Silberfäden bestreut hatte. Dies bildete den Aufenthaltsort der Göttin. Auf der Spitze des Hügels stand Frau von Lauwerens aufrecht als Venus; sie war ein wenig stark und trug ihr fleischfarbenes Tricot mit der Würde einer Fürstin des Olymp, die sich mit ihren strengen, verzehrenden Augen in den Dienst der Liebe stellt. Hinter ihr wurden der schelmisch lächelnde Kopf, Flügel und Köcher des liebenswürdigen Knaben Cupido sichtbar, den die kleine Frau Daste trefflich repräsentirte. An der Seite des Hügels sah man die drei Grazien, Frau von Guende, Teissiere und von Meinhold, die in weiße Mousseline gehüllt sich lächelnd umschlungen hielten, wie es in dem Bildwerke von Pradier zu sehen ist, während auf der anderen Seite die Marquise von Espanet und Frau Haffner, die von einer Wolke von Spitzen umgeben, sich an einander schmiegten, während ihr Haar wirr herabhing, eine gewagte Anspielung, eine Erinnerung an Lesbos bildeten, welche Herr Hupel de la Noue mit gedämpfter Stimme und nur den Herren erklärte, hinzufügend, daß er damit nur die Macht der Venus habe dokumentiren wollen. Am Fuße des Hügels stellte die Gräfin Vanska die Wollust dar; wie in höchster Verzückung lag sie da mit halbgeschlossenen Augen und erschlaffenden Gliedern. Sehr brünett, hatte sie ihr schwarzes Haar aufgelöst