Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola страница 159
»Hah! welch' eine Niedertracht!« sprudelte er endlich hervor, »Haben Sie die falschen Blicke des Burschen gesehen? ... Diese Hallunken haben das Aussehen einer Taube und bringen für zwanzig Francs einen Menschen um,
Saccard aber fiel ihm ohne Weiteres ins Wort, indem er sagte:
»Bah, der Mann ist nicht so schrecklich und man wird sich noch mit ihm verständigen können ... Ich bin einer viel bedenklicheren Angelegenheit wegen gekommen ... Sie hatten ganz Recht, als Sie sagten, ich möge meiner Frau nicht trauen. Stellen Sie sich nur vor, sie verkauft ihren Besitzantheil an Herrn Haffner, denn sie braucht Geld, wie sie sagt. Sicherlich hat ihre Freundin Susanne ihr diesen Rath gegeben.«
Larsonneau legte seine Verzweiflungsmiene sofort ab und seinen steifen Kragen, den er in seinem Grimm ein wenig verschoben hatte, zurechtrückend, hörte er ein wenig erbleichend zu.
»Dieser Verkauf kommt dem Ruin unserer Hoffnungen gleich. Wenn Haffner Ihr Mitbetheiligter wird, ist nicht nur unser ganzer Profit in Frage gestellt, sondern ich befürchte sogar, daß wir diesem kleinlichen Menschen gegenüber, der die Rechnungen wird prüfen wollen, in eine unangenehme Lage gerathen.«
Der Agent begann erregt in dem Gemach auf- und niederzuschreiten, wobei seine lackierten Schuhe auf dem Teppich knarrten.
»Sehen Sie, in welche Lage man geräth, wenn man den Leuten gefällig sein will!« sagte er dabei. »Ich an Ihrer Stelle, mein lieber Freund, würde meine Frau um jeden Preis verhindern, eine solche Thorheit zu begehen. Lieber möchte ich sie prügeln.«
»Ach, mein Guter,« erwiderte der Andere mit einem feinen Lächeln; »ich kann meiner Frau so wenig Vorschriften machen, wie Sie dem Anscheine nach diesem nichtswürdigen Baptistin.«
Larsonneau blieb dicht vor Saccard stehen, der noch immer lächelte und blickte ihn nachdenklich an. Dann nahm er seinen Gang durch das Zimmer von Neuem auf, doch war sein Schritt nunmehr langsam und regelmäßig. Er näherte sich einem Spiegel, zog die Schleife seiner Halsbinde zurecht und nachdem er seine ganze Eleganz wiedergewonnen, machte er neuerdings einige Schritte. Darauf rief er mit einem Male lauten Tones:
»Baptistin!«
Der kleine, schieläugige junge Mann trat wieder ein, doch durch eine andere Thür. Er hatte nicht mehr seinen Hut in der Hand, sondern eine Feder zwischen den Fingern.
»Hole das Register,« befahl ihm Larsonneau.
Und nachdem Jener gegangen, begann er über die Summe zu feilschen, die man ihm geben sollte.
»Thun Sie es mir zu Liebe,« platzte er endlich heraus.
Und nun sicherte ihm Saccard einen Antheil von dreißigtausend Francs von dem künftigen Gewinn an dem Charonner Unternehmen zu. Er hoffte noch mit einem blauen Auge von dem feinbehandschuhten Wucherer loszukommen. Letzterer ließ sich dieses Versprechen auf seinen Namen ausstellen und um die Komödie bis zu Ende durchzuführen, sagte er, daß er dem jungen Manne die dreißigtausend Francs verrechnen werde. Mit einem Lachen der Erleichterung verbrannte Saccard das Register Blatt für Blatt in dem Kaminfeuer und nachdem er diese Operation beendet, schüttelte er Larsonneau kräftig die Hand. Als er ihn verließ, sagte er noch:
»Sie gehen doch heute Abend zu Laura, nicht wahr? ... Erwarten Sie mich dort. Ich werde inzwischen Alles mit meiner Frau ordnen und dann unsere letzten Verfügungen treffen.«
Laura d'Aurigny, die ihre Wohnung häufig wechselte, hatte dazumal eine Wohnung am Boulevard Haußmann, der Bußkapelle gegenüber inne. Sie hatte ihren Empfangstag gleich den Damen aus den besten Kreisen. Auf diese Weise versammelte sie die Männer, die sie im Laufe der Woche einzeln bei sich empfing, auch auf einmal um sich. Die Dienstagsabende waren für Aristide Saccard stets ein Triumph. Er war der offizielle Liebhaber und er wendete sich mit einem ausdruckslosen Lächeln ab, wenn die Hausfrau ihn zwischen zwei Thüren hinterging, indem sie mit einem der Herren eine Zusammenkunft noch für denselben Abend vereinbarte. Wenn sich dann Alle entfernt hatten, zündete er noch eine Zigarre an, plauderte über Geschäfte, scherzte einen Augenblick über den Herrn, der auf der Straße vor Ungeduld vergehend, wartete, bis er das Haus verlassen; dann, nachdem er Laura sein »liebes Kind« genannt und ihr einen kleinen Klaps auf die Wange gegeben, entfernte er sich ruhig durch eine Thür, während der Herr durch eine andere hereinkam. Das geheime Einvernehmen, welches Saccard's Kredit gefestigt und der Aurigny in einem Monat zwei Wohnungseinrichtungen eingetragen hatte, bereitete ihnen großes Vergnügen. Laura aber wollte für die Komödie einen Abschluß finden. Dieser im Vorhinein vereinbarte Abschluß sollte in einem öffentlichen Bruch bestehen, zu Gunsten irgend eines Einfaltspinsels, der das Vorrecht, der offizielle und von ganz Paris gekannte Liebhaber Laura's zu sein, theuer bezahlen sollte. Dieser Einfaltspinsel war gefunden worden. Der Herzog von Rozan, der es satt hatte, die Frauen aus seinen Kreisen zwecklos zu Tode zu langweilen, wollte Alles aufbieten, um sich einen Ruf als Lebemann zu erwerben, der seiner abgeschmackten Figur ein gewisses Ansehen verleihen sollte. Er war ein ständiger Gast an den Dienstagen Laura's, die er durch seine absolute Naivität erobert hatte. Leider war er im Alter von fünfunddreißig Jahren noch immer von seiner Mutter abhängig, so daß er nie über mehr als zehn Louisd'ors zu verfügen vermochte. An den Abenden, da sich Laura klagend herbeiließ, seine zehn Louis anzunehmen und dabei seufzend der hunderttausend Francs gedachte, deren sie bedurfte, versprach er ihr diese Summe für den Tag, da er der alleinige Herr hier sein würde. Dies regte in ihr den Gedanken an, ihn mit Larsonneau, einem Freunde des Hauses bekannt zu machen. Die beiden Männer nahmen bei Tortoni ein Dejeuner ein und beim Dessert erwähnte Larsonneau, der sich seiner Liebschaft mit einer köstlichen Spanierin rühmte, daß er Leute kenne, welche Darlehen bewilligen; doch rathe er Rozan eindringlich, sich niemals mit denselben einzulassen. Diese vertraulichen Mittheilungen eiferten den Herzog derart an, daß er nicht eher abließ, als bis ihm sein guter Freund das Versprechen gegeben, sich mit »seiner kleinen Angelegenheit« zu beschäftigen. Und er beschäftigte sich so eingehend mit derselben, daß er ihm das Geld an demselben Abend übergeben sollte, da Saccard ein Rendezvous bei Laura mit ihm verabredet hatte.
Als Larsonneau anlangte, waren in dem in Weiß und Gold gehaltenen großen Salon der Aurigny erst fünf oder sechs Frauen anwesend, die sich seiner Hände bemächtigten, ihm um den Hals fielen, – Alles mit einer närrischen Zärtlichkeit. Sie nannten ihn »den großen Lar«, – ein Kosename im Diminutiv, welchen Laura erfunden. Und er wehrte mit süßlicher Stimme ab:
»Langsam, langsam, meine Kätzchen! Ihr werdet meinen Hut zerdrücken!«
Sie beruhigten sich und setzten sich dicht neben ihn auf einem runden Sopha, während er ihnen erzählte, daß Sylvia, mit der er gestern soupirte, heute an einer Indigestion leide. Sodann zog er eine Bonbonsdüte aus der Tasche seines Rockes und bot ihnen vom Inhalte derselben an. Jetzt kam aber Laura aus ihrem Schlafzimmer und als einige Herren anlangten, zog sie Larsonneau in ein Boudoir, welches am Ende des Salons lag und von diesem durch eine doppelte Portière getrennt war.
»Hast Du das Geld?« fragte sie, als sie mit ihm allein war.
Sie duzte ihn bei besonderen Anlässen. Larsonneau verbeugte sich ohne zu antworten, mit feierlicher Miene und pochte auf die Brusttasche seines Rockes.
»Oh! der große Lar!« murmelte die junge Frau entzückt und damit umschlang sie ihn mit beiden Armen und küßte ihn. »Warte,« sprach sie dann; »ich will die Bilderchen gleich haben ... Rozan ist in meinem Zimmer, ich werde ihn holen.«
Er aber hielt sie noch zurück und sie auf die Schulter küssend, fragte er:
»Du