Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola

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Er erstickte schier unter diesem endlosen Laubwerk; der Schatten nahm daselbst eine dumpfe Ofenhitze, eine Feuchtigkeit an, war von übelriechendem Schweiß, von den scharfen Gerüchen duftender Bäume und übelriechender Pflanzen gesättigt. Als er endlich nach viertelstündigem Marsche den Himmel wiedersah, befand er sich vor breiten Flüssen, die ihm den Weg versperrten. Er ging längs des Ufers weiter, achtete auf die grauen Rücken der Kaimauer, suchte mit den Blicken Fußspuren im Grase und schwamm hinüber, als er zu einer Stelle kam, wo ihm das Wasser sicher schien. Am jenseitigen Ufer standen abermals Wälder. Weiterhin kam er zu langgestreckten fetten Ebenen, die mit einem üppigen Pflanzenwuchs bedeckt waren, und wo stellenweise der klare Spiegel eines kleinen Sees blaute. Da machte der Mann einen weiten Umweg, schritt nur mehr nach vorsichtiger Prüfung des Bodens vorwärts, entging nur mit knapper Not dem Tode, der Gefahr, unter einer dieser lachenden Wiesen begraben zu werden, deren Boden er unter jedem seiner Schritte krachen hörte. Das von dem angeschwemmten Humus genährte riesige Gras bedeckte giftige Sümpfe, bodenlose Tiefen von flüssigem Schlamm. In jenen Ebenen, die in meergrüner Unermeßlichkeit sich ausdehnen, gibt es nur schmale Streifen festen Bodens, die man kennen muß, wenn man nicht spurlos verschwinden will. Eines Abends sank der Mann bis zum Gürtel ein. Bei jedem Ruck, den er versuchte, um sich freizumachen, drohte der Sumpf ihm bis an den Mund zu reichen. Nahezu zwei Stunden verhielt er sich ganz ruhig. Als der Mond aufging, konnte er glücklicherweise einen Baumzweig erhaschen, der über seinem Kopfe hing. An dem Tage, da er eine menschliche Wohnung erreichte, bluteten seine Hände und Füße, zerrissen und angeschwollen infolge der Stiche giftiger Insekten. Er war dermaßen elend, dermaßen herabgekommen, daß man Furcht vor ihm hatte. Man warf ihm auf fünfzig Schritte Nahrung zu, während der Besitzer des Hauses mit der Flinte in der Hand seine Tür bewachte.

      Florent schwieg; die Stimme versagte ihm und die Blicke schienen in die Ferne zu schweifen. Er schien nur mehr für sich selbst zu reden. Die kleine Pauline ließ, vom Schlafe übermannt, das Köpfchen sinken und strengte sich an, die erstaunten Augen offen zu halten. Quenu aber geriet jetzt in Zorn.

      Dummer Kerl! schrie er Léon an, kannst du einen Darm nicht mehr halten? ... Nicht auf mich mußt du schauen, sondern auf den Darm. So! Nicht rühren, jetzt! ...

      Léon hielt mit der Rechten ein langes Stück leeren Darm, in dem ein sehr breiter Trichter saß. Mit der linken Hand rollte er die Wurst um ein rundes Becken von Weißblech, je nachdem der Wurstmacher große Löffel voll aus dem Inhalte des Kessels in den Trichter goß. Schwarz und dampfend floß die Suppe hindurch und blähte allmählich den Darm, der gefüllt, in weichen Krümmungen hinabfiel. Nachdem Quenu den Kessel vom Feuer abgehoben hatte, erschienen sie beide – der Bursche Léon mit seinem schmalen Profil und er mit seinem breiten Gesichte – in der flammenden Helle des Ofens, die ihre blanken Gesichter und ihre weißen Gewänder mit einer lebhaften Röte überzog.

      Lisa und Augustine interessierten sich für diese Beschäftigung, besonders Lisa, die jetzt ihrerseits Léon ausschalt, weil er mit den Fingern zu stark den Darm einkniff, wodurch Knoten entstünden, wie sie sagte. Als die Wurst zugebunden war, ließ er sie langsam in einen Kessel voll siedenden Wassers gleiten. Er atmete jetzt froh auf; er hatte jetzt nichts mehr zu tun, als die Wurst ruhig kochen zu lassen.

      Und der Mann, der Mann? murmelte die kleine Pauline, die schläfrigen Augen öffnend und erstaunt, den Vetter nicht mehr sprechen zu hören.

      Florent wiegte sie auf seinem Knie, verlangsamte noch seine Erzählung, flüsterte sie wie ein Ammenlied.

      Der Mann, sagte er, kam in eine große Stadt. Man hielt ihn anfänglich für einen flüchtigen Sträfling; er wurde mehrere Monate im Gefängnis behalten ... Dann ließ man ihn wieder frei. Er warf sich nun auf verschiedene Beschäftigungen, auf die Buchführung, auf den Unterricht von Kindern; eines Tages verdang er sich sogar als Tagelöhner bei Erdarbeiten ... Der Mann träumte immer davon, in sein Vaterland zurückzukehren. Er hatte das hiezu nötige Geld erspart, als er das gelbe Fieber bekam. Man hielt ihn für tot und teilte sich in seine Kleidungsstücke; als er endlich genas, fand er nicht ein Hemd mehr. Es galt von vorne zu beginnen. Der Mann war sehr krank. Er fürchtete, in fremden Landen zugrunde zu gehen. Endlich konnte er fort; der Mann kam zurück.

      Die Stimme hatte sich immer mehr gedämpft und erstarb schließlich in einem letzten Zittern der Lippen. Die kleine Pauline schlief, durch den Schluß der Geschichte eingeschläfert, das Köpfchen auf die Schulter des Vetters geneigt. Er stützte sie mit dem Arme und wiegte sie sanft, kaum wahrnehmbar mit dem Knie. Und da man nicht weiter auf ihn achtete, blieb er regungslos mit dem schlafenden Kinde.

      Jetzt kam der Meisterschuß, wie Quenu sich ausdrückte. Er zog die Wurst aus dem Kessel. Um die einzelnen Stücke nicht zu verwickeln und nicht platzen zu lassen, faßte er sie mit einem Stabe an, rollte sie auf, trug sie in den Hof hinaus, wo sie rasch trocknen mußten. Léon half ihm dabei, hielt die allzu langen Stücke. Diese Wurstkränze, die dampfend durch die Küche zogen, ließen starken Rauchqualm zurück, der die Luft vollends verdichtete. August warf einen letzten Blick auf das schmelzende Fett; er hatte die Deckel von den zwei Kesseln abgehoben, in denen das Schmalz brodelte und aus jeder platzenden Blase einen scharf riechenden Dampf entsandte. Seit dem Beginn der Abendarbeit war der fette Dampf emporgestiegen; jetzt hüllte er das Gas ein, erfüllte den Raum, drang überall ein, tauchte die rötlich weißen Gestalten Quenus und der zwei Gehilfen in einen Nebel. Lisa und Augustine hatten sich erhoben. Alle schnauften, als ob sie zuviel gegessen hätten.

      Augustine trug auf ihren Armen die schlafende Pauline hinauf. Quenu, der am liebsten selbst die Küche sperrte, schickte August und Léon schlafen, indem er ihnen sagte, er werde allein die Wurst hereinschaffen. Der Lehrling war sehr rot, als er hinaufging; er hatte ein Stück Wurst, das fast einen Meter lang war, unter dem Hemde verborgen, und die heiße Wurst röstete ihm schier die Haut. Das Ehepaar Quenu und Florent, die jetzt allein waren, beobachteten Stillschweigen. Lisa stand aufrecht und aß ein Endchen heißer Wurst; sie machte ganz kleine Bissen und zog die Lippen weg, um sie nicht zu verbrennen; so verschwand das schwarze Stückchen Wurst allmählich in ihrem roten Munde.

      Jetzt klopfte man draußen an die Haustüre und Gavard trat ein. Jeden Abend blieb er bis Mitternacht bei Herrn Lebigre. Er kam, um wegen der Aufseherstelle eine endgültige Antwort zu bekommen.

      Sie begreifen, erklärte er, Herr Verlaque kann nicht länger warten, er ist wahrhaftig zu krank ... Florent muß sich entscheiden. Ich habe versprochen, morgen eine Antwort zu bringen.

      Florent nimmt an, erwiderte Lisa ruhig, indem sie neuerlich in die Wurst biß.

       Florent, der in seltsamer Niedergeschlagenheit auf seinem Sessel sitzen geblieben war, versuchte vergebens aufzustehen und Einsprache zu erheben.

      Nein, nein, sagte die Metzgerin, die Sache ist abgemacht. Sie haben genug gelitten, mein lieber Florent. Was Sie soeben erzählten, ist entsetzlich. Es ist an der Zeit, daß Sie in ordentliche Verhältnisse kommen. Sie gehören einer ehrenwerten Familie an, Sie haben eine Erziehung genossen, und es schickt sich wahrhaftig nicht, als Bettler sich auf den Landstraßen herumzutreiben ... In Ihrem Alter sind Kindereien nicht mehr erlaubt ... Sie haben Torheiten begangen ... man vergißt und verzeiht sie Ihnen. Sie kehren in Ihre Gesellschaftsklasse, in die Klasse der anständigen Leute zurück und führen endlich eine Lebensweise, wie alle Welt sie führt.

      Florent hörte ihr erstaunt zu und wußte kein Wort zu sagen. Sie hatte ohne Zweifel recht. Sie war so gesund, so ruhig, daß sie unmöglich das Schlechte wollen konnte. Er, der Magere mit dem schwarzen, verdächtigen Gesichte, mußte der Schlechte sein und an Dinge denken, die er nicht eingestehen konnte. Er begriff nicht, weshalb er bisher Widerstand geleistet hatte.

      Doch sie fuhr mit einem reichlichen Aufwande von Worten fort, schalt ihn aus wie einen schlimmen Jungen, der einen bösen Streich gemacht hat und dem man mit den Gendarmen droht. Dabei schlug sie einen sehr mütterlichen Ton an und fand sehr überzeugende Gründe. Zum Schlusse sagte sie:

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