Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola

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      Was haben Sie ihr denn gesagt? fragte die Alte lebhaft, ganz entzückt zu erfahren, daß die beiden Frauen gezankt hatten.

      Ich? nicht das mindeste! Ich war ganz höflich eingetreten, um ihr zu melden, daß ich morgen abend Würste holen wolle, und da überhäufte sie mich mit Beleidigungen. Eine solche Heuchlerin mit ihren biederen Mienen! ... Sie soll das teurer bezahlen, als sie denkt!

      Die drei Frauen merkten, daß die Normännin nicht die Wahrheit spreche; nichtsdestoweniger begleiteten sie ihre Klage mit einer Flut von bösen Worten. Sie ergossen ihre Beschimpfungen über die Rambuteau-Straße, erdichteten Geschichten über den Schmutz in der Küche der Quenus und ersannen wunderbare Beschuldigungen. Hätten die Quenus Menschenfleisch verkauft, die Wutausbrüche dieser Weiber hätten nicht drohender sein können. Die Fischhändlerin mußte ihre Erzählung dreimal von vorne beginnen.

      Und was hat der Vetter gesagt? fragte die Saget boshaft.

      Der Vetter! entgegnete die Normännin mit herber Stimme. Sie glauben an den Vetter? Es wird ein Liebhaber sein, dieser lange Bengel!

      Die drei anderen Klatschbasen widersprachen. Auf die Ehrbarkeit Lisas schwor das ganze Stadtviertel.

      Laßt nur gut sein! Weiß man jemals, woran man ist mit dieser dicken Scheinheiligen? Ich möchte ihre Tugend ohne Hemd sehen! ... Ihr Mann ist zu albern, als daß sie ihn nicht hörnen sollte.

      Fräulein Saget nickte, wie um zu verstehen zu geben, daß sie geneigt sei, diese Ansicht zu teilen. Sie sagte mit sanfter Stimme:

      Um so mehr, als man gar nicht weiß, woher dieser Vetter gekommen und als die von den Quenus in Umlauf gesetzte Geschichte sehr verdächtig klingt.

      Ei, es ist der Liebhaber der Dicken, versicherte von neuem die Fischhändlerin. Irgendein Taugenichts, irgendein Vagabund, den sie auf der Straße aufgelesen hat. Das sieht man ja.

      Magere Menschen rohe Menschen, erklärte die Sarriette im Tone der Überzeugung.

      Sie hat ihn ganz neu gekleidet, bemerkte Frau Lecoeur; er muß ihr ein schönes Stück Geld kosten.

      Ja, ja, Sie können recht haben, murmelte das alte Mädchen; man muß erfahren müssen ...

      Und sie verpflichteten sich, einander auf dem laufenden zu erhalten, was in der Baracke der Quenu-Gradelle vorgehe. Die Butterhändlerin erklärte, sie wolle ihrem Schwager die Augen darüber öffnen, welche Häuser er besuche. Indessen hatte die Normännin sich ein wenig besänftigt; sie ging ihres Weges, und da sie im Grunde nicht schlecht war, fürchtete sie zuviel gesprochen zu haben. Als sie nicht mehr da war, sagte Frau Lecoeur heimtückisch:

      Sicher ist die Normännin unverschämt gewesen; das ist so ihre Gewohnheit ... Sie täte besser, von den Vettern zu schweigen, die vom Himmel fallen; hat sie doch in ihrem Fischladen ein Kind gefunden.

      Die drei schauten sich an und lachten. Als auch Frau Lecoeur fort war, sprach die Sarriette:

      Meine Tante tut unrecht, sich mit diesen Geschichten zu beschäftigen; sie wird mager davon. Sie prügelte mich, wenn die Männer mich anschauten. Die Tante kann lange suchen, sie wird unter ihren Polstern kein Kind finden.

      Fräulein Saget lachte wieder. Als sie allein nach der Pirouette-Straße zurückkehrte, dachte sie, daß die drei Megären den Strick des Henkers nicht wert seien, überdies hat man sie vielleicht gesehen und es wäre unklug, es mit den Quenu-Gradelle zu verderben, die reiche und schließlich doch geachtete Leute waren. Sie machte einen Umweg und ging in die Turbigo-Straße, zur Bäckerei Taboureau, der schönsten des Stadtviertels. Frau Taboureau, eine intime Freundin Lisas, übte in allen Dingen eine unbestrittene Autorität aus. Wenn man sagte: »Madame Taboureau hat dies gesagt, Madame Taboureau hat das gesagt« – mußte man sich beugen. Unter dem Vorwande, daß sie erfahren wolle, wann der Ofen geheizt werde, um eine Schüssel Birnen mitbraten zu lassen, erschien sie und sagte viel Gutes von der Wursthändlerin, erging sich in Lobeserhebungen über die Reinlichkeit und Güte ihrer Würste. Zufrieden über dieses moralische Alibi und entzückt, den nahenden Kampf mit entfacht zu haben, kehrte sie dann endgültig heim mit freierem Sinn und das Bild des Vetters der Frau Lisa in ihrer Erinnerung hundertmal hin und her wendend.

      Am Abend desselben Tages ging nach dem Essen Florent aus und spazierte eine Zeitlang unter den gedeckten Gängen der Hallen. Ein feiner Nebel stieg auf; eine graue Trübseligkeit lagerte auf den leeren Pavillons, nur unterbrochen von den düsteren, gelben Flammen der Gaslaternen. Zum erstenmal hatte Florent das Gefühl seiner Lästigkeit, das Bewußtsein von der unpassenden Art, in der er, der Hungerleider, mitten in diese wohlgenährte Gesellschaft hineingeschneit gekommen war. Er gestand sich ehrlich, daß er eine Störung sei für das ganze Stadtviertel und eine Verlegenheit ward für die Quenus, ein verdächtiger Vetter von höchst kompromittierendem Aussehen. Diese Erwägungen stimmten ihn sehr traurig. Nicht als ob er bei seinem Bruder oder bei Lisa die mindeste Härte wahrgenommen hätte; er litt sogar durch ihre Güte und machte sich jetzt Vorwürfe darüber, daß er zu wenig Zartheit bekunde, indem er in solcher Weise sich bei ihnen einniste. Zweifel stiegen in ihm auf. Die Erinnerung an das Gespräch, das nachmittags in dem Laden stattgefunden, verursachte ihm ein unbestimmtes Mißbehagen. Er fühlte sich gleichsam eingehüllt von dem Geruch all der Fleischspeisen, die auf dem Ladentisch aufgehäuft standen; ihm war, als werde er zu einer weichlichen, gemästeten Feigheit herabsinken. Er hatte vielleicht unrecht, die ihm angebotene Aufseherstelle zurückzuweisen. Dieser Gedanke entfesselte einen schweren Kampf in ihm; er müßte sich aufrütteln, um die Strenge seines Gewissens wiederzufinden. Doch es hatte sich ein feuchter Wind erhoben, der durch den gedeckten Gang strich. Er hatte einige Ruhe und Fassung wiedergewonnen, als er genötigt war, seinen Rock zuzuknöpfen. Der Wind entführte von seinen Kleidern den fetten Fleischgeruch, von dem er sich niedergehalten fühlte.

      Er war im Begriffe heimzukehren, als er Claude Lantier begegnete. Der in seinen grünlichen Überrock gepreßte Maler sprach mit dumpfer, zorniger Stimme. Er lästerte über die Malerei, dieses Hundegewerbe, und schwor, in seinem Leben keinen Pinsel mehr berühren zu wollen. Am Nachmittag hatte er mit einem Fußtritt einen Studienkopf vernichtet, den er nach der Dirne Cadine gemacht hatte. Angesichts der tüchtigen und lebendigen Werke, von denen er träumte, ward er zuweilen von solchen Wutanfällen eines unvermögenden Künstlers erfaßt. Dann existierte nichts für ihn; er strich durch die Straßen, sah alles schwarz und harrte des nächsten Tages wie einer Auferstehung. Gewöhnlich sagte er, daß er am Morgen froh und am Abend furchtbar unglücklich sei. Jeder seiner Tage war eine lange, verzweifelte Anstrengung. Florent erkannte den sorglosen Nachtschwärmer der Hallen kaum wieder. Im Wurstladen hatten sie sich schon wiedergesehen. Claude, der die Geschichte des Verbannten kannte, hatte ihm die Hand gedrückt und ihm gesagt, er sei ein braver Mann. Er kam übrigens sehr selten zu den Quenus.

      Sie sind noch immer bei meiner Tante? sagte Claude. Ich weiß nicht, wie Sie es anfangen, in dieser Küche zu bleiben. Es stinkt ja da. Wenn ich da eine Stunde verbringe, ist's mir, als hätte ich für drei Tage genug gegessen. Ich tat unrecht, heute morgen hinzugehen; nur deshalb habe ich meine Studie verdorben.

      Nachdem sie wortlos einige Schritte gegangen waren, fuhr er fort:

      Die wackeren Leute! Sie dauern mich ordentlich, so wohl befinden sie sich! Ich habe daran gedacht, ihre Bilder zu malen; aber ich habe diese runden Gesichter, in denen es keinen Knochen gibt, niemals malen können ... Meine Tante Lisa würde ihren Kasserollen niemals einen Fußtritt versetzen. Es war doch dumm von mir, den Kopf Cadinens zu vernichten. Wenn ich jetzt daran denke, finde ich, daß er gar nicht so schlecht war.

      Und dann sprachen sie von der Tante Lisa. Claude sagte, daß seine Mutter die Wursthändlerin seit langer Zeit nicht mehr sehe. Er gab zu verstehen,

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