Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau страница 18

Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

Скачать книгу

hat je wie Sie Zärtlichkeit und Tugend so mit einander vereint und, die eine durch die andere mildernd, beide reizender gemacht? Ich finde etwas unsäglich Liebenswürdiges, Gewinnendes in dieser Verständigkeit, die mich zur Verzweiflung treibt, und Sie schmücken mit so unendlicher Anmuth die Entbehrungen, welche Sie mir auflegen, daß Sie sie mir fast lieb machen.

      Ich fühle es jeden Tag mehr, das größte der Güter ist, von Ihnen geliebt zu sein; es giebt keines, kann keines geben, das diesem gleich käme; und wenn ich die Wahl hätte zwischen Ihrem Herzen und Ihrem Besitze selbst, nein, reizende Julie, ich würde mich keinen Augenblick bedenken. Aber woher käme dieses bittere Entweder Oder, und warum müssen wir als unverträglich ansehen, was die Natur hat vereinigen wollen? Die Zeit ist kostbar, sagen Sie, trachten wir, sie zu genießen, wie sie ist, und hüten wir uns, durch Ungeduld ihren friedlichen Lauf zu stören. Ei, möge sie doch vorübergehen und glücklich sein! Muß man denn, um ein liebliches Loos zu schmecken, das, was noch schöner ist, aus den Augen lassen, und die Ruhe dem höchsten Glücke vorziehen? Ist nicht alle Zeit verloren, die man besser anwenden könnte? Ach! wenn man tausend Jahre in Einer Viertelstunde leben kann, wozu dann trübselig die Tage zählen, die man gelebt haben wird?

      Alles, was Sie von dem Glücke unserer gegenwärtigen Lage sagen, ist unbestreitbar; ich fühle, daß wir glücklich sein sollten, und dennoch bin ich es nicht. Die Vernunft hat durch Ihren Mund gut reden, die Stimme der Natur ist die stärkere. Sagen Sie, wie soll man ihr widerstehen, wenn sie mit der Stimme des Herzens Eins ist? Außer Ihnen und Ihnen allein sehe ich nichts auf dieser Erde, was würdig wäre, meine Seele und meine Sinne zu beschäftigen; nein! ohne Sie ist die Natur mir nichts mehr; aber ihre Gewalt ist in Ihren Augen und da, da ist sie unüberwindlich.

      Mit Ihnen ist es anders, himmlische Julie; Sie begnügen sich, unsere Sinne zu reizen, und leben nicht im Kriege mit den ihrigen. Es scheint, daß menschliche Leidenschaften etwas zu Niedriges sind für eine so erhabene Seele, und wie Sie engelschön sind, sind Sie engelrein. O Reinheit, die ich murrend verehre! warum kann ich nicht entweder Sie herabziehen oder mich bis zu Ihnen erheben! Aber nein, ich werde mich stets im Staube winden und Sie, Sie stets im Himmel strahlen sehen. Ach! sein Sie glücklich auf Kosten meiner Ruhe; genießen Sie Ihrer Tugenden aller; Tod dem elenden Sterblichen, der es je wird versuchen wollen, eine derselben zu beflecken! Sein Sie glücklich; ich will mich bestreben zu vergessen, wie sehr ich zu beklagen bin, und aus Ihrem Glücke selbst will ich den Trost für meine Leiden schöpfen. Ja, theure Geliebte, es scheint mir, daß meine Liebe ebenso vollkommen ist wie ihr anbetungswürdiger Gegenstand; alle Begierden, die von Ihren Reizen entzündet werden, löschen aus in den Vollkommenheiten Ihrer Seele; ich sehe diese so still, so friedlich, daß ich es nicht wage, ihre Ruhe zu trüben. So oft ich versucht bin, Ihnen die kleinste Liebkosung zu stehlen, wenn dann die Gefahr, Sie zu erzürnen, mich zurückhält, hält mich noch mehr mein Herz zurück durch die Furcht, ein so reines Glück zu stören; die Güter, nach denen ich strebe, schätze ich nur nach dem, was es Sie kosten würde, sie hinzugeben; und da ich nicht mein Glück und das Ihrige in Uebereinstimmung bringen kann, sehen Sie, wie ich liebe, so habe ich auf das meinige verzichtet.

      Welche unauflöslichen Widersprüche in den Gefühlen, die Sie mir einflößen! Ich bin zu gleicher Zeit unterwürfig und keck, ungestüm und zurückhaltend; ich kann nicht die Augen zu Ihnen aufschlagen, ohne daß ich Kämpfe mit mir selbst zu bestehen habe. Ihre Blicke, Ihre Stimme gehen ans Herz, mit der Liebe, dem rührenden Reiz der Unschuld ; ein himmlischer Reiz ist das, den man um Alles nicht zerstören möchte. Wenn ich meine Wünsche bis zum Aeußersten schweifen lasse, so ist das nur in Ihrer Abwesenheit; meine Begierden wagen sich nicht bis zu Ihnen, wenden sich nur an Ihr Bild, und an dem räche ich mich für die Scheu, die ich gegen Sie zu beobachten gezwungen bin.

      Indessen schmachte ich hin und vergehe; Feuer strömt durch meine Adern; nichts kann es löschen oder dämpfen, und ich entfache es heftiger, indem ich es zu bändigen versuche. Ich soll glücklich sein, ich bin es, das gestehe ich ein; ich beklage mich nicht über mein Loos; so wie es ist, würde ich nicht mit den Königen der Erde tauschen. Jedoch ist es ein wirkliches Uebel, das mich quält, ich suche vergeblich ihm zu entkommen; ich möchte nicht sterben und doch sterbe ich; ich möchte leben für Sie, und Sie nehmen mir das Leben.

      Elfter Brief.

       Von Julie.

       Inhaltsverzeichnis

      Mein Freund, ich fühle, daß ich mich mit jedem Tage inniger an Sie schließe, ich kann mich nicht mehr von Ihnen trennen; die kleinste Abwesenheit ist mir unerträglich und ich muß Sie sehen oder Ihnen schreiben, damit ich unaufhörlich mit Ihnen beschäftigt bin.

      So wächst meine Liebe mit der Ihrigen; denn ich erkenne jetzt, wie sehr Sie mich lieben, an der wirklichen Furcht, die Sie haben, mir zu misfallen, während Sie sie erst nur zum Scheine hatten, um besser zu Ihrem Ziele zu gelangen. Ich kann in Ihnen ganz gut die Herrschaft, welche sich das Herz über Sie erworben hat, von dem Rausche einer erhitzten Einbildungskraft unterscheiden und ich finde hundert Mal mehr Leidenschaft in dem Zwange, den Sie sich anthun, als in Ihrer ersten stürmischen Heftigkeit. Ich weiß auch wohl, daß Ihr Zustand, wie lästig er sein möge, nicht ohne Genuß ist. Es ist Dem, der wahrhaft liebt, etwas Süßes, Opfer zu bringen, die ihm alle angerechnet werden und deren keines im Herzen der Geliebten verirren ist. Wer weiß, ob Sie nicht sogar, weil Sie mein gefühlvolles Wesen kennen, eine besser berechnete Geschicklichkeit anwenden, mich zu verführen? Doch nein! ich bin ungerecht, und Sie sind nicht fähig, Künste gegen mich zu gebrauchen. Indessen wenn ich klug sein will, so werde ich mich vor dem Mitleid noch weit mehr hüten als vor der Liebe. Ich fühle mich tausend Mal tiefer bewegt von Ihrer zurückhaltenden Scheu als von Ihrem stürmischen Dringen, und ich fürchte sehr, daß Sie mit dem ehrbareren Wege zugleich doch den gefährlicheren erwählt haben.

      Ich muß mein Herz ausschütten, ich muß Ihnen eine Wahrheit sagen, die es lebhaft fühlt und von der Sie auch das Ihrige überzeugen muß: nämlich dem Stande, den Eltern und uns selbst zum Trotz ist unsere Bestimmung auf ewig vereint, und wir können nie anders als mit einander glücklich oder unglücklich sein. Unsere Seelen haben sich, so zu sagen, an allen Punkten berührt und wir haben überall dieselbe Cohärenz empfunden (verbessern Sie, Freund, wenn ich Ihre physikalischen Lehren falsch anwende). Das Schicksal wird uns wohl trennen, aber nicht uns von einander lösen können. Wir werden nur noch die nämlichen Freuden und Leiden haben; und gleich jenen Magneten, von denen Sie mir sagten, die, wie es heißt, an verschiedenen Orten dieselben Bewegungen machen, werden wir an den beiden Enden der Welt die gleichen Gefühle haben.

      Machen Sie sich also von der Hoffnung los, wenn Sie sie jemals hegten, sich ein ausschließliches Glück zu bereiten und es auf Kosten des meinigen zu erkaufen. Hoffen Sie nicht, daß Sie glücklich sein könnten, wenn ich entehrt wäre, noch daß Sie mit zufriedenem Auge meine Schmach und meine Thränen ansehen könnten. Glauben Sie mir, mein Freund, ich kenne Ihr Herz weit besser, als Sie es selbst kennen. Eine so zärtliche, so wahre Liebe muß den Begierden gebieten können; Sie sind zu weit gegangen, um bis ans Ende zu gehen, ohne sich zu Grunde zu richten, und Sie können mein Unglück nicht mehr steigern, ohne sich selbst unglücklich zu machen.

      Ich wollte, daß Sie fühlen könnten, wie wichtig es für uns beide ist, daß Sie sich wegen der Sorge für unser gemeinsames Loos auf mich verlassen, Zweifeln Sie, daß Sie mir ebenso theuer sind als mein eigenes Ich? Und glauben Sie, daß für mich ein Glück denkbar ist, welches Sie nicht theilen? Nein, mein Freund, ich habe einerlei Interessen mit Ihnen und ein wenig mehr Ueberlegung, um dieselben wahrzunehmen. Ich räume ein, daß ich die Jüngere bin; aber haben Sie nie bemerkt, daß die Vernunft bei den Frauen, wenn sie auch gewöhnlich schwächer ist und eher erlischt, sich doch auch früher entwickelt, gerade wie eine schwanke Sonnenblume rascher wächst und wieder vergeht als eine Eiche? Wir finden uns von frühester Jugend an mit einem so gefährlichen Pfande betraut, daß die Sorge, es zu hütend unsere Urtheilskraft

Скачать книгу